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Karl Hegel an Georg Gottfried Gervinus, Nürnberg, 9. Juni 1850

Lieber Gervinus!

Deine freundliche Einladung, mit meiner Frau zu Euch nach Baden-Baden zu kommen, fand ich hier bei meiner Ankunft vor, und ich hielt bis vor kurzem die Hoffnung fest, ihr folgenzukönnen. Allein nicht unerwartet zwar, aber doch viel schneller, als erwartet, ist auf die schöne Hochzeitsfeier schweres Leid in der Familie meiner Frau gefolgt. Acht Tage nach der Hochzeit, die erst am 28. Mai stattfand,2 ist mein Schwager, Student von 20 Jahren, voll edlen kräftigen Strebens, mitten in der Blüthe einer frohen Jugend vom Tode dahingerafft worden, ein Fall der dreifach schmerzlich war, weil ihm schon zwei andere Brüder im ähnlichen Alter vorangegangen sind. Um den Eltern die schwersten Stunden des ersten Schmerzes zu erleichtern und ihnen die geliebte Tochter nicht in dieser Zeit zu entziehen, bin ich länger hier geblieben, als früher mein Vorsatz war. So ist mir die Zeit für die Heimreise verkürzt, und ich muß für dies mal auf die Freude verzichten, Dich und deine liebe Frau am Rheine wiederzusehen, Euch meine Frau zuzuführen. Mein Weg geht, nur mit einer kurzen Abschweifung über Dresden nach Berlin. Doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, Euch noch in diesem Jahre zu sehen, insofern noch Aussicht vorhanden ist, daß das Erfurter Parlament noch einmal zusammentritt. Von da läßt sich der Rhein leicht wieder erreichen. Kaum wage ich, irgend eine andere Hoffnung an solchen Zusammentritt zu knüpfen.

Nachdem Dir eine Badekur in Baden-Baden verordnet ist, darf ich wohl gar nicht mehr auf Deinen Besuch in Doberan rechnen, worauf ich mich schon so sehr gefreut hatte? Möge Dir jene Kur den besten Erfolg für Deine Gesundheit bringen! Deiner lieben Frau sage ich mit der meinigen die schönsten und herzlichsten Grüße.

In treuer Freundschaft
Dein
Carl Hegel.