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Karl Hegel an Maria Magdalena Tucher, geb. Grundherr, [Rostock], [5. Dezember 1851]

Beste Mutter! Ich danke Dir für Deine liebevolle Mitteilung, das Nürnberger Christkindchen betreffend, aufs aller schönste. Gewiß habt Ihr mit dem beabsichtigten Mäntelchen das wünschenswertheste und willkommenste getroffen, wie ich aus früheren verschiedenen Andeutungen meines Frauchens wohl habe entnehmen können. Damit wird auch ein Shawl umso mehr entbehrlich, als dieser im Allgemeinen ein ziemlich unnützes und dabei sehr kostbares Möbel zu sein scheint. Doch gestehe ich, daß ich über diesen Punkt noch näherer Belehrung bedarf und halte ich darum mein Urtheil noch in suspenso. Ein seidenes Oberröckchen ist vorhanden (es ist doch die Rede von so einem halben Ding?), das freilich nicht mehr viel Staat macht; doch einstweilen wird es ja auch noch nicht wieder gebraucht, und wenn es noch etwas vorhält, dann ist die Mode wieder weiter fortgeschritten und wir werden sodann in der neuesten glänzen. Das findet sich vielleicht bis zum Geburtstag2! – Unsere Absicht ist dies Mal nach gegenseitiger Übereinkunft, weil das Leben, ich meine das tägliche, immer mehr kostet, als man denkt, auf keine großen Dinge, sondern besonders auf das Nöthige gerichtet, und ich meine es ziemlich ernstlich damit. Also ein Zuckermesser (so eine bekannte, hier überall übliche Maschine), welches sehr nöthig scheint, weil meine Susi ihren Zuckerbedarf gewöhnlich erst vor Schlafengehen für den andern Morgen zurecht hackt; sodann ein Uhrgestell oder vielmehr Uhrgehänge, um die Uhr vor zu häufigem, bedenklichen Stürzen möglichst zu sichern (denn das kostet Gläser!); ferner ein sammtenes oder seidenes Halsband oder ein 3, in welchem – weil der Vorrath etwas knapp zu werden scheint weiter Handschuhe und was sonst sich noch Nützliches findet; und um über dem Leibe und dessen Bekleidungs- oder Verzierungs- oder Ernährungsnotdurft nicht den Geist, unser anderes Theil, zu vergessen, sollen noch einige englische Büchlein zum gemeinschaftlichen Lesen hinzukommen. – Wenn Ihr sonst noch etwas Nützliches, Gutes und Schönes für meine Susi wißt, so werde ich eine Erinnerung daran, so lange es noch Zeit ist, dankbarlichst annehmen. – Das Christkindchen von Rostock wird leider diesmal schwerlich die Mauth passiren können, was mir der Kinder wegen besonders leid thut. –

Dem lieben Vater danke ich herzlichst für seinen freundlichen Brief4. Das Haus vor dem Thore, worauf wir unsere vorläufige Absicht gerichtet haben, ist dieser Tage fertig unter Dach gekommen und soll den Winter über ausfrieren. Unsere backsteinernen Häuser trocknen wohl schneller aus als die Eurigen von Sandstein, und nach hiesiger Üblichkeit dürfte dasselbe wohl bis Mitte des nächsten Jahres ohne alles bedenken zu bewohnen sein. Übrigens wird es erst darauf ankommen, ob der Miethzins nicht zu hoch ist, denn es scheint eine stattliche Wohnung in den beiden oberen Etagen zu werden, und ob es bis Johannis5 (Anfang Juli) auch im Innern schon ganz wohnlich eingerichtet sein wird, denn es soll erst, um jetzt besser zu trocknen, im Frühjahr übersetzt (d. i. mit Kalk bekleidet) werden.6

Über Annchens Lieblichkeit zu schreiben enthalte ich mich, da es meine Susi daran nicht fehlen lassen wird. Die Pockenimpfung ist nun auch Gottlob überstanden, jetzt kommen die Beißerchen, von denen eines schon mit dem obern Rand ans Tageslicht getreten ist. –

Wichtige Nachrichten aus Paris! Wie rasch das geht: am 2. passirten dort die Dinge, am 3. Vormittags 11 Uhr kamen hier die Berliner Zeitungen schon mit den telegraphischen Nachrichten, die dort an demselben Nachmittag bereits darin aufgenommen waren, hier an.7 – Mit den besten Grüßen allerseits in herzlicher Liebe

 Dein Sohn Karl.