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Julius Wilhelm Planck an Karl Hegel, Kiel, 13. Juni 1852

Sie wissen, lieber Hegel, welche Kalamität durch den dänischen Generalstreich über unsere Universität hereingebrochen ist.1 Für Manchen von uns lag der Gedanke nahe, durch freiwillige Entfernung der Misere zu entgehen. Aber bei näherer Erwägnis mußte sich bald die Ansicht feststellen, daß es vielmehr jetzt mehr als je Pflicht sei, festzustellen, nur, soviel der Einzelne vermag, die klar ausgesprochene Absicht, die Universität, den Herd des deutschen Bewußtseins in den Herzogtümern, zu sprengen, zu vereiteln. Und wenn wir allerdings die Entziehung so bedeutender Kräfte tief beklagen, so dürfen wir doch annehmen, daß der Stumpf, wenn er zusammenhält, stets genug ist, um den Stamm einer lebensfrischen Universität abzugeben. Freilich dient dieser Stamm bleichen Treiben, ist neu die Unterstützung unserer Collegen an den übrigen deutschen Universitäten nöthig. Namentlich dürfen wir nicht die Hoffnung aufgeben, daß sie sich entschließen werden, unser Streben durch Uebersiedelungen nach Kiel im gegebenen Fall zu unterstützen.

Und das ist allerdings der Punct, welcher die nächste Veranlaßung dieser Zeilen ist. Die Hoffnung, daß wir Sie als Mitglied unserer Universität besitzen würden, war für uns Alle eine frohe Aussicht. Wir laßen sie auch jetzt noch nicht fahren. Das Sehnen, das uns gelaßen hat, kommt von außen, von Feindes Hand; die Verhältniße im Inneren sind so gesund und lebensfrisch, wie zuvor. Ich glaube, daß die Schilderung, welche Ihnen Chalybäus von Kiel entworfen hat nicht immer ihre Richtigkeit behielt. Er selbst macht sich jetzt Sorgen darüber, und trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß das jetzt eingetretene Ereigniß überall als etwas Unerhörtes, Unerwartetes gelte: und daß Sie ihm nicht zurechnen mögen, wenn es daraus in seiner Schilderung keine Rücksicht genommen. Allein meine freie Ueberzeugung ist, daß trotz dieses Wegs die Universität in Lehrern und Studierenden ihre alte Rührigkeit und Strebsamkeit und Frische bewahren, wenn nicht erhöhn wird, sofern nicht durch fernere Nachwehen das Bleiben auf derselben unmöglich gemacht wird. Ueber diese nicht wahrscheinliche Eventualität muß die nächste Zukunft Aufschluß geben. Mein Zweck würde erreicht sein für jetzt, wenn diese Andeutungen Sie überzeugen, daß das jetzt eingetretene Ereigniß keine Veranlaßung sei, um darauf den Entschluß einer definitiv erklärten Auslassung zu gründen.

Sodann ueberreiche ich hiermit eine Bitte. Unsere nächste Sorge war die, eine Absicherung für die bedrängte Lage der Vertriebenen zu suchen. Es ist deshalb nach Göttingen als dem zuständigen Ort geschrieben, um dort die Errichtung eines Centralcomitè für die Unterstützungen zu veranlaßen. Als Ziel reicht der Aufgabe ins Auge zu faßen sein, sämtlichen Vertriebenen an der Zahl 10 (mit Lameier2 und Liliencron) ihre früheren Gehalt (in 12 – 15.000 Thaler preußisch Courant) bis zu ihrer Wiedereinstellung zu gewähren. Ohne Zweifel existiert viel ésprit de corps aus den deutschen Universitäten, daß man eine solidarische Vaterland-Einigkeit zur Unterstützung anerkennen wird. Die Bitte nun geht dahin, daß Sie die Sache auch bei Ihnen in Anregung bringen, und die etwa eingehenden Beiträge dem Göttinger Comité, sobald es sich constituiert haben wird, zu Gebote stellen mögen. Im gleichen Sinne ist an die meisten Universitäten geschrieben.

Ich freue mich übrigens dieser Gelegenheit, um mein Andenken bei Ihnen wieder in Erinnerung zu bringen. Grüßen Sie Stannius und Leist schönstens, und seien Sie versichert, daß Niemand herzlicher als ich den Wunsch hegt Sie baldigst als Spezialcollege begrüßen zu können.

Stets Ihr JWPlanck.