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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 4. März 1853

Lieber Karl!

Zu unserer großen Freude kann ich Euch die Nachricht bringen, daß meine liebe Friederike gestern Abend nach 8 Uhr von einem Mädchen recht glücklich entbunden worden ist. Die Sache hat diesmal nicht so lange, wie sonst gedauert; der Vater war am Nachmittag noch bei ihr gewesen und um 5 Uhr nach Potsdam zurückgefahren; ich war nach dem Gemeinderath zur gewöhnlichen Sitzung gegangen2; um 5½ Uhr fingen die Vorboten an; die Mutter, welche durchaus verlangt hatte, wenn es am Tage eintreten sollte, benachrichtigt zu werden, fand sich mit Rosa gleich ein; ebenso kamen bald die hülfreichen Frauen. Nach mir wurde in den Gemeinderath geschickt, wo ich die Nachricht in Mitten einer sehr langen und lebhaften Debatte über den Petri Kirchenbau empfing, in welcher ich den Vorsitz führen mußte, wegen persönlicher Betheiligung des Vorstandes Fähndrich; so mußte ich bis zum Schluß gegen 8 Uhr aushalten und wie ich nach Hause kam, lag das kleine Wesen schon auf dem Schoß der Wartefrau, welche es einwickelte. – Friederike befindet sich nach den Umständen recht gut; sie schläft heute Vormittag viel und wir können bei dem normalen Verlauf hoffen, daß unsere Freude mit Gottes Hülfe ungetrübt erhalten werde. – Die Kinder haben ihr Schwesterchen heute morgen mit großem Jubel zum erstenmal gesehen.

Unsere liebe Clarine war schon heute vor acht Tagen eingetroffen und ist uns in dieser Zeit eine große Hülfe.

Die gute Mutter, welche ich eben drüben besucht habe, hat heute Nacht gut geschlafen; sie war natürlich gestern Abend wieder nach Hause gefahren.

Eure letzten Briefe3 haben wir mit recht großem Vergnügen gelesen, namentlich erregte die mitgetheilten 4 von Annchens Liebenswürdigkeit bei Groß und Klein lebhafte Freude; es wurde nicht unterlassen, sie zu Nachahmungen als Muster von Artigkeit drei Wochen vorzuleben, welche sich seitdem um so mehr bestreben, wie Annchen, ihre Sachen immer ordentlich wegzuräumen.

Möchte nur Eure gute Louise bei dem furchtbaren Schneesturm glücklich durchkommen, und erst bei Euch wohlbehalten angekommen sein. Es gehört Courage dazu, sich so allein auf die Reise zu machen.5

Friederike und Mutter grüßen Euch beide herzlich und wir wünschen, daß auch Susette die Schmerzensstunden ebenso glücklich überstehen möge.6

Ich habe nun eine Menge Briefe zu schreiben, und will daher für heute hiermit schließen.

Mit herzlichem Gruß
Dein
treuer
Immanuel