Vor einigen Tagen ist Leist von uns geschieden; ein unersetzlicher Verlust für die hiesige Universität, wie für mich persönlich. Bald wird man auch in Jena noch mehr als es schon jetzt der Fall sein mag, seinen Werth erkennen. Er ist ein durch und durch gediegener Mensch, und als Gelehrter wird er wenn ich nicht sehr irre, in nicht langer Zeit eine der ersten Stellen in seiner Wissenschaft einnehmen. Und auch seine Frau achte ich kaum minder hoch; sie besitzt eine seltene Bildung und Belesenheit und, was noch seltener, verbunden mit echt weiblichem Wesen und den schönsten Eigenschaften des Herzens. Gewiß, es gibt nicht viel so zwei Menschen, wie diese, und was man an ihnen hatte, empfindet man erst recht, wenn man sie verloren. – Sie sind vorerst nach Göttingen und werden vermuthlich in 8 Tagen schon bei Ihnen sein. Empfangen Sie sie, wenn ich bitten darf mit meinem Gruße.
Sie sehen, wie uneigennützig ich damals war, | als ich Ihnen die gewünschte Auskunft über meinen Freund gab und so wieder Willen die Hand zu seiner Abberufung von hier bot. Ich darf um so dreister Sie jetzt um einen Gegendienst ersuchen, der, wenn zwar ähnlicher Art, darum noch nicht den ähnlichen Erfolg erwarten lassen darf. Mein Anliegen ist folgendes. Es ist hier eine ordentliche oder außerordentlicheProfessur für altdeutsche undneuere Litteratur überhaupt zu besetzen. Die Facultät hat dazu Vorschläge zu machen und mir ist die Sache vornehmlich in die Hand gegeben. Es kommen dabei von andererwärts sehr tüchtige Männer in Betracht; von Ihnen möchte ich aber über Mehrere, die in Ihrer Nähe waren, respective noch sind, einige Auskunft erhalten. Natürlich ist davon gegen diese selbst um so weniger etwas zu erwähnen, als es sich vorläufig nur um Priorisierung oder Stellung unserer Vorschläge Seitens der Facultät an die Regierung, nicht um eine auch nur indirecte Anfrage handelt.
Liliencron scheint sich hauptsächlich mit altnordischer Sprache und Litteratur beschäftigt zu haben, doch gewiß auch mit alt- undmittelhochdeutscher? Würden außer Vorlesungen, die sich auf dieses specielle Fachstudium beziehen, auch solche allgemeineren und weiteren Inhalts, wie deutsche Literaturgeschichte überhaupt oder über andere neuere Literatur von ihm zu warten sein! Wie hat er sich als Docent| bewährt? und wie hoch beläuft sich seine Einnahme in Jena? – Dieselben Fragen, doch mit den nothwendigen Modificationen erlaube ich mir in Beziehung auf Hettner und den nach Breslau berufenen HeinrichRückert zu wiederholen. Hettner hat sich wohl nicht besonders mit alter deutscher Sprache und Litteratur abgegeben, auch nicht darüber gelesen? Sonst wäre wohl Liliencron nicht nach Jena berufen worden. Heinrich Rückert ist mir nur durch seine „deutschen Annalen“ bekannt. Doch sehe ich, daß er außergeschichtlichen Vorlesungen auch solche über mittelalterliche deutsche Literatur gehalten hat. Wie hat er sich als Docent gemacht?
Haben Sie doch die Güte, verehrter Freund, mir über die drei Genannten Auskunft zu geben, und doppelt würden Sie mich verbinden wenn es sofort geschehen könnte, weil die Vorschläge darauf warten sollen. Noch bemerke ich, daß Keiner der Vorzuschlagenden Katholik sein dürfte, was jedoch von keinem der Erwähnten zu vermuthen steht. Unsere Statuten lassen nur Lutheraner zu. –
Freundschaftlichst
der Ihrige Carl Hegel.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Droysen, Johann GustavJohann Gustav Droysen11852755X18081884Droysen, Johann Gustav (1808–1884), in Westpommern geborener Lehrer, Historiker und Politiker, der von 1835 bis 1840 außerordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Berlin und von 1840 bis 1851 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Kiel war, dann bis 1859 an der Universität Jena und von 1859 bis 1884 an der Universität Berlin. Er war Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, schied aber im Jahre 1871 wieder aus. 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Stadtarchiv (StadtA) Erlangen
Erlanger Tagblatt. General-Anzeiger für Erlangen und Umgegend; Familien-Bogen Dr. Hegel.
Stadtarchiv Erlangen1000
Leist, Burkard Wilhelm11914710618191906Leist, Burkard Wilhelm (1819–1906), war von 1847 bis 1853 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock, dann an der Universität Jena.
Liliencron, Rochus Wilhelm TraugottRochus Liliencron
HiKo
11872824518201912Liliencron, Rochus Wilhelm Traugott (1820–1912), im holsteinischen Plön geborener Germanist, Musikhistoriker und Diplomat sowie von 1869 bis 1908 erster Leiter der Allgemeinen Deutschen Biographie, der deutschen Nationalbibliographie. Er studierte an den Universitäten Kiel und Berlin evangelische Theologie, orientalische Sprachen, Jura, Geschichte und Germanistik, wurde 1846 in Kiel promoviert und habilitierte sich 1848 an der Universität Bonn. Im Jahre 1851 wurde er in Kiel Professor für nordische Sprachen, 1852 an der Universität Jena für deutsche Literatur und 1870 Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er war von 1876 bis 1908 Propst des Damenstiftes St.-Johannis-Kloster vor Schleswig; in dieser Zeit fiel seine Verhandlungsführung im Jahr 1880 auf Seiten der herzoglichen Familie Augustenburg über den Ehevertrag zwischen der späteren Kaiserin Auguste Victoria (1858–1921) aus dem Hause Augustenburg und dem preußischen Kronprinzen aus dem Hause Hohenzollern, Wilhelm Friedrich Wilhelm Albert Viktor von Preußen (1859–1941), dem späteren Kaiser Wilhelm II. (seit 1888).
Hettner, Hermann Julius Theodor11870428118211882Hettner, Hermann Julius Theodor (1821–1882), Literaturhistoriker, Kunsthistoriker und Museumsdirektor, Sohn eines schlesischen Rittergutsbesitzers, habilitierte sich in Heidelberg und war seit 1851 Extraordinarius in Jena, 1855 erfolgte seine Berufung nach Dresden als Direktor an die königliche Antikensammlung und als Professor der Kunstgeschichte an die Akademie der bildenden Künste, es folgte überdies die Übernahme der Direktion des Historischen Museums und eine Berufung zum ordentlichen Professor der Kunstgeschichte am königlichen Polytechnikum in Dresden.
Rückert, Heinrich11879148618231875Rückert, Heinrich (1823–1875), Geschichtsforscher und Germanist, hatte in Erlangen, Bonn und Berlin Philologie studiert, sich 1845 in Jena für Geschichte und deutsche Altertumskunde habilitiert und ging 1852 als Extraordinarius an die Universität Breslau, wo er 1867 ordentlicher Professor wurde.
Jena50.9281717,11.5879359Residenz- und Universitätsstadt an der Saale, etwa 80 Kilometer südwestlich von Halle gelegen.
Göttingen51.5328328,9.9351811Circa 100 Kilometer südlich von Hannover und südwestlich des Harzes gelegene Stadt mit einer 1737 eröffneten Universität.
Breslau51.1089776,17.0326689Etwa 380 Kilometer südöstlich von Berlin gelegene Hauptstadt der preußischen Provinz Schlesien am Oberlauf der Oder, die als Herzogtum Schlesien im Jahre 1742 vom Erzherzogtum Österreich an das Königreich Preußen überging.
Universität ErlangenDie im Jahre 1743 gegründete Universität Erlangen gewann im 19. Jahrhundert innerhalb des katholisch geprägten Königreichs Bayern durch ihre evangelische Theologische Fakultät als wissenschaftliche Ausbildungsstätte protestantischer Geistlicher für die neue, nach 1806 erst entstehende Bayerische Landeskirche eine besondere Bedeutung. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die „Erlanger Theologie“ durch große Geschlossenheit und Einheitlichkeit im Sinne des „Neuluthertums“ gekennzeichnet.
Ordentliche Professur, ordentlicher Professorsiehe: Ordinarius
Neuere deutsche LiteraturTeilgebiet innerhalb der Germanistik als universitäre Disziplin.
Philosophische Facultät (Fakultät) der Universität ErlangenDie Philosophische Fakultät an der Universität Erlangen war in zwei Sektionen gegliedert, was in dieser Form innerhalb der Universität nur in der Philosophischen Fakultät existierte. 1881, kurz nachdem alle naturwissenschaftlichen Fächer in die Philosophische Fakultät übergegangen waren, hatte man diese in eine „Philosophisch-historische“ und eine „Mathematisch-naturwissenschaftliche“ Sektion unterteilt. Ab dem Sommersemester 1903 findet sich die Unterteilung in Sektionen auch im akademischen Personalstandsverzeichnis, und 1922 wurde die Bezeichnung „Sektion“ in „Abteilung“ geändert. 1928 wurden die naturwissenschaftlichen Fächer in eine eigene Fakultät ausgegliedert.
respectiverespektive, beziehungsweise.
Staatsregierung, Regierung (Bayern)Höchste Institution eines Staates, die die Politik sowohl nach Innen wie nach Außen leitet, lenkt und beaufsichtigt, wobei Regierung allgemein für die Tätigkeit des Herrschens, die Ausübung der Staatsgewalt steht, hier bezogen auf das politische System Bayerns und hierin auf die oberste Exekutivbehörde des Landes. Die Landesherrschaft über Bayern lag in der vorkonstitutionellen Zeit seit dem 12. Jahrhundert in den Händen der Wittelsbacher, welche in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Kurfürstenwürde erhielten. Mit Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 wurde Bayern Königreich. Die erste bayerische Verfassung entstand mit der Bayerischen Konstitution von 1808, in welcher Grundrechte festgeschrieben wurden. Als erster deutscher Staat führte Bayern mit dieser Verfassung eine moderne Volksvertretung ein. 1818 folgte die zweite Verfassung des Königreichs Bayern in Sinne einer konstitutionellen Monarchie, welche von da gute hundert Jahre Bestand hatte bis zum Ende der Monarchie in Bayern (Novemberrevolution von 1918).
altnordisch„Altnordisch“ als Überbegriff für die nordgermanischen Sprachen, die von ca. 800 bis ca. 1350 in Skandinavien, auf den Inseln bis ca. 1500, gesprochen wurden.
mittelhochdeutschAdjektiv zu Mittelhochdeutsch als Sprachstufe des Deutschen, die im oberdeutschen und mitteldeutschen Raum zwischen 1050 und 1350 gesprochen wurde.
Literaturgeschichte, deutscheTeilgebiet innerhalb des im 19. Jahrhundert als Universitätsdisziplin entstandenes Fach der Germanistik, die sich mit national überlieferten sprachlichen, künstlerisch gestalteten Texten und Zeugnissen in ihrem historisch-zeitlichen Verlauf beschäftigt; Literaturgeschichte als solche auch im komparatistischen Sinne angewandt auch unter Betrachtung anderssprachiger Literaturen, Nationalliteraturen bzw. der Weltliteratur.
Deutsche Literatur, auch ältere Schreibung: deutsche LitteraturTeilgebiet der im 19. Jahrhundert sich erst als Universitätsdisziplin etablierenden Germanistik.
Lit(t)eratur, Lit(t)eraturenLiteratur, Plural: Literaturen, im Verständnis des 19. Jahrhunderts Synonym und Oberbegriff für alle sprachlichen (mündlich oder schriftlich fixierten) Zeugnisse; im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts auch bereits verwendet als Synonym für „wissenschaftliche Fachliteratur“.
Docent, DozentLehrender.
ModificationModifikation, Abwandlung, Abänderung.
Vorlesung(en)Lehrveranstaltung(en) an Universitäten.
KatholikAngehöriger des römisch-katholischen Glaubens innerhalb des Christentums.
LutheranerAngehöriger des evangelisch-lutherischen Konfession innerhalb des Christentums.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis