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Friederike Hegel, geb. Flottwell, an Karl Hegel, Berlin, 12. Februar 1855

Mein lieber lieber Karl

Rosenfarbig gekleidet1 bringe ich Dir unser Aller freudestrahlenden Glück- und Seegenswünsche! Gott sei gelobt und innig gedankt, daß Er unsre 2 Susette, durch alle Spannungen und Angst gnädig durchgeleitet hat, und ihr und Dir ein so süßes prächtiges Kindlein bescheert3, was ja nicht drunter leiden soll, daß es einstweilen auch dem Brüderchen voran geeilt ist und dafür ein Schwester- und 4 auf’s niedlichste vervollständigt! Die „Hegels“ sollen nun mal eine Rarität bleiben, und der Name soll nicht zu sehr verbreitet werden. Gott spende ihr aber dafür seinen – von Ihm dazu erwählten – Trägern 5 auch doppelten Seegen, Kraft und Weisheit! – Wie selig mag unser Suschen jetzt ihr süßes kleines Mädel an die Brust drücken, und längst alle Schmerzen vergeßen, über der Freude, daß ein Kind zur Welt geboren ist. –

Schreibe uns nur hübsch fleißig rapport, lieber Karl, Du treuer Page, Gatte, Pfleger, Haushalter – Alles in Allem könnte – dürfte ich doch herüber zu Euch, und mit meinen freilich schwachen Kräften helfen, beistehen, wo es irgend Noth thäte; aber mit Gottes gnädiger Hülfe wird unsere liebe Wöchnerin auch diesmal ohne außergewöhnlichen Beistand, die Zeit glücklich überstehen; die Kinderchen sind ja bei Lotten so gut aufgehoben, und doch auch viel unter Deiner väterlichen Aufsicht, und Suschen ist auch mit persönlicher Wartung gut versorgt, und das ist doch am Ende die Hauptsache. Wie geht’s denn mit dem nähren? Ach von der guten Mutter, – von unserm schwachen schwachen Mütterchen soll ich ja so viel Liebe, so viel Freude, Lob und Dank zu Gott Euch aussprechen, so es meine lahme Feder ja gar nicht ausdrücken kann, – ihr ganzes Herz jubelt und ist aufs innigste bewegt und erfreut. Aber denk‘ nur, wie abscheulich, erst heut Nachmittag erhielt sie Deinen Brief6, und ich vor ein Paar Stunden erst, wo sie ihn mir schickte, und ich eiligst zu ihr lief, um uns zusammen zu freuen! und der Onkel ahnt noch vom Erscheinen und Dasein seines 3ten Nichtchens nichts! er genießt noch die lucullischen Freuden eines „Stadtverordneten-Vorsteher-Diners“ bei Herrn Fähndrich, von dem ich ihn wohl erst in später Abendstunde, mit dieser frohen Botschaft erwarten und empfangen kann; – ich will deshalb auch nicht diesen Glückwunsch aufhalten, indem ich auf die 7 warte, – sonsten überlaße es ihm, dies nachzuholen, und daß ich sie vorweg immer in seinen Namen aussprechen darf, versteht sich wohl von selbsten.

Wir sind auch so einigermaßen in trouble von wegen des 16ten8, der Einem so schaal auf den Hals rückt, und wie gewöhnlich kommen die beßten Gedanken immer zuletzt, (wenn nicht gar hinten nach!) und so überstürzen sich jetzt noch allerhand gute Einfälle, deren Ausführung es nur an Zeit gebricht; – und so werden dann Apoll’s sämmtliche Musen noch aufgeboten uns beizustehen, – und am Ende wird doch nichts aus allen Plänen. – Ach! es wird auch schon so viel „los sein“ – daß der Vater froh sein kann, wenn die Familie sich still verhält, und ich fürchte mich ordentlich etwas vor dem Tage, denn von Morgens früh bis Abends spät geht ja das Jubiliren und Gratuliren (inclusive davon 9 Gaben!) nicht aus, und es wird für den armen Vater ein gar bewegter anstrengender Tag werden.10 Wir gehen schon am Donnerstag hinüber, wenn dann auch Trinkler kömmt. Nun, ich werde eine treue Schilderung von dem ganzen Jubelfeste nachher liefern, und mag daher auch jetzt nicht vorgreifen.

Nun sei auf’s Innigste und Herzlichste gegrüßt mein lieber lieber Karl, und gieb Deiner treusten Herzens Susi einen recht gründlichen Kuß von mir.

Gott stehe Euch ferner schützend und behütend bei, und stärke Mutter und Kind zu fernerem Gedeihen und Erholung!

Adieu! von ganzem, in Liebe Euch zugehörenden Herzen

Eure Friederike