Als ich gestern Abend etwas spät von einem langdauernden Diner bei meinem früheren Vorsitzenden im Gemeinderath, Herrn Fähndrich nach Hause kam, begrüßte mich Friederike mit der frohen Nachricht von dem Heil und Segen, welches Deinem Hause widerfahren ist. Gott sei gelobt und gedankt, daß Susette die schwere Stunde so glücklich überstanden hat2, und daß, wie wir durch Deinen zweiten Brief3 heute Morgen erfahren haben, auch die drei ersten Tage so befriedigend verlaufen sind. Möge es so mit Gottes Hülfe weiter gehen! Wir haben in allen disen Tagen recht viel an Euch gedacht und waren in gespannter Erwartung der kommenden Nachrichten. Es ist immer eine große Sorge, die sich an ein solches Ereigniß knüpft und eine schwere Anfechtung, welcher ein theures Leben dabei unterworfen wird. Das ist mir besonders auch bei Friederikens letztem Wochenbett4 recht fühlbar geworden und ich werde um so froher und dankbarer sein, wenn erst die schlimmsten Tage bei Euch überwunden sein werden. Ermahne die Frau nur ja recht zur Stille, Ruhe und Vorsicht; es ist um so noth- wendiger, je leichter der Anfang war und je frischer sich die Kräfte zeigen. Lasse sie die erste Zeit ruhig im Bette und hernach im geschlossenen Raume aushalten, damit sie sich nicht eine Erkältung zuzieht, namentlich bei dieser Kälte.
Allerdings hatten auch wir unsere Erwartungen auf ein Knäblein, auf einen kleinen Hegel gerichtet und ich wünsche keineswegs, daß die Last und Verantwortung der Ehre unsres Namens allein auf meinem Willi ruhen möchte. Doch theile ich darin ganz Dein Gefühl, daß wir stets mit Dank und Freude empfangen müssen den Segen, den uns eine höhere Hand darbietet, und daß wir dem neugeborenen Kind die volle Liebe schuldig sind, wenn wir es auch vorher anders gewünscht und erwartet hatten. Gott nehme das Kindlein in Seinen gnädigen Schutz und lasse es glücklich wachsen und gedeihen!
Bringe von mir Deiner lieben Susette meine herzlichsten Grüße und Glückwünsche. Wir werden Dir sehr dankbar sein, wenn Du uns wieder Nachricht geben willst; wir erwarten sie nach Deinem Versprechen übermorgen. Der erste Brief vom 10ten dieses Monats5 ist wegen der Montagspost erst am Montag früh uns zugegangen und zwar erst, nachdem ich schon am Morgen bei der Mutter gewesen war, so daß ich erst am Abend die Nachricht erfuhr. Einen vielleicht überflüssigen Rath möchte ich auch geben, daß Du die Wärterin diesmal etwas länger, als in den früheren Wochenbetten im Hause behalten möchtest; das drittemal erholt sich die Frau nicht so rasch, als das erstemal; dabei sind nun schon zwei Kinder im Hause, welche Aufsicht und Wartung verlangen und Unruhe machen und Du entbehrst diesmal die Hülfe der Schwester. Eine zu frühe Anstrengung beim Wochenbett macht sich oft Monate lang bemerklich.
Unsere liebe Mutter war von der Botschaft des neuen Enkelkindes sehr bewegt. In ihrem Zustand hat sich in den letzten Wochen nichts wesentlich verändert; große Schwäche und vielerlei Leiden und Beschwerden; doch ist keine Verschlimmerung darin gerade bemerkbar und wir werden nun hoffentlich bald den schlimmen Theil des Winters überwunden haben. In meinem Hause geht es, Gott sei Dank, im Ganzen gut. Friederike ist doch jetzt kräftiger, wenn sie auch noch immer sich nicht viel zumuthen darf. Marie macht mit Nachhülfe der Mama gute Fortschritte beim Lernen im Lesen, Schreiben und Rechnen, und Willi quält sich jetzt auch mit den ersten Anfängen.
Am nächsten Freitag dem 16ten dieses Monats werden wir das 50jährige Dienstjubiläum des Vaters feiern6; es wird ein großes angreifendes Fest werden; zahlreiche Deputationen mit kostbaren Festgeschenken verschiedener Art, mit Adressen, Ehrenbürgerbriefen und Doktordiplomen. Zum Mittag ein großes Festessen. – Wir haben uns dazu photographieren lassen, indem die Kinder ihm ein Album verehren, zu welchem Clara auch eine Anzahl von Ansichten von Orten, an denen er gewohnt, mit kunstreicher Hand gefertigt hat. Ich werde mit den Meinigen am Donnerstag Nachmittag nach Potsdam hinüber fahren.
Nun Gott befohlen, lieber Karl, und sende uns bald wieder gute Nachricht.