Das Jahr geht nun zu Ende, welches in seinem Verlauf uns viel Schmerzen und Trauer gebracht hat, jedoch mit diesem auch reichen Trost und Segen, den wir über diese Zeit hinaus uns bewahren und für den wir Gott von ganzem Herzen danken wollen. Am Weihnachtsabend1 mußten wir freilich mit rechter Wehmuth der theuren Mutter gedenken, welche an diesem Tage vor einem Jahre noch in unserer Mitte war, und sich mit uns an dem Feste und der frohen Bescheerung der Kinder erfreute. Doch hatte auch die Gegenwart ihr Recht und diese ließ uns die fröhliche Lust der Kinder und unser freundliches Zusammensein mit innigem Dank genießen. Vor unserer Bescheerung war eine kleine Armenbescheerung veranstaltet, an welcher die Familie Nöltner mit 4 Kindern und anderm Theil nahmen. Außerdem hatten sich die alten Silber und die gute Rosa eingefunden, welche letztere sich in dem Siechenhaus recht wohl fühlt. Marie Tanner konnte leider an diesem Abend nicht zu uns kommen, weil sie dem Haushalt der Frau Viebig jetzt vorstehen muß, welche bedenklich erkrankt ist und an einem Zehrfieber zu leiden meint, so daß sie auch hier unerwartet die Krankenpflege zu üben, und vielleicht über kurz oder lang einer zweiten mütterlichen Freundin die Augen zudrücken muß.
Die Kinder waren sehr vergnügt, und auch Friederiken wurde diesmal die Festfreude durch Unwohlsein nicht verkümmert, so wie sie sich überhaupt in der letzten Zeit und seit dem Herbst, Gott sei Dank, entschieden besser befindet, wenn auch ihr Uebel sie noch zuweilen zu großer Umsicht ermahnt. Es waren an dem Tage Adalbert und Theodor von Potsdam herübergekommen, welche auch der Bescheerung bei uns beiwohnten. Mit Theodors Leiden steht es leider unverändert; im Gegentheil glaubt er eher eine Verschlimmerung als eine Verbesserung wahrzunehmen; doch arbeitet er mit Hülfe eines Vorlesers bei der Regierung in Potsdam, da ihm Beschäftigung dringendes Bedürfnis ist, und es ist rührend, mit welcher ungetrübten Heiterkeit er an allem, was um ihn vorgeht, Theil nimmt und gern sich im geselligen Verkehr bewegt.
Wir fuhren mit Sack und Pack am ersten Feiertag2 Mittags hinüber3, wo dann am Abend eine zweite reiche Bescheerung für Groß und Klein bereitet wurde. Mir fiel eine schöne goldene Uhrkette zu, da meine alte ganz verbraucht war. Clara war auch wieder so weit in der Genesung, daß sie in unserer Mitte sein konnte. Herrmann dagegen war schon vor dem Feste nach Danzig in die Arme seiner Braut geeilt. – Die Meinigen sind nun noch drüben geblieben, und werden bis zum 2. Januar dort verweilen, an welchem Tage Claras Geburtstag ist. Ich gehe daher auch am Montag4 Abend hinüber, um am Neujahr bei ihnen zu sein.
In den folgenden Tagen erwarten wir dann mit rechter Freude Deine Ankunft, lieber Karl, und bitten Dich doch vorher den Tag und Stunde uns zu melden, damit Friederike Dir ein Gastbett bereiten kann. Am 3ten Januar Vormittags wird sie mit den Kindern spätestens hierher zurückkehren und werden wir dann Deiner gewärtig sein, indem wir Dich bitten, Deinen Aufenthalt hier nicht gar zu kurz zu bemessen. Mühler, den ich gestern sprach, fragte ich nach den äußeren Formalitäten bei den Vorträgen in dem wissenschaftlichen Verein und er bestätigte wie ich Dir darüber früher geschrieben5: in der Kleidung wird weiße Krawatte und schwarze Weste das angemessenste sein.
Von der lieben Tante sind wir durch ein Nürnberger Kästchen mit braunen und weißen Lebkuchen und andern guten Gaben und mit ausführlichen Briefen überrascht und erfreut worden. Letztere enthalten auch überall gute Nachrichten. Die gute Luise hatte gleichfalls ein freundliches Briefchen für Friederike beigefügt.
Bei Deiner Herreise bitte ich Dich die 5 Stammaktien der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn mitzubringen, da die Coupons derselben zu Ende sind und ein neuer Couponbogen erhoben werden muß.
Die herzlichsten Grüße der lieben Susette und meine innigsten Wünsche für Dich und die Deiningen insgesamt zum Beginn des neuen Jahres von Deinem treuen Bruder