Rostock, den 20. Februar 1856.
Hochverehrter Herr Geheimer Rath!
Es ist Ihnen ohne allen Zweifel bekannt, daß ich in meiner Antwort vom 1. Februar auf das mir zugegangene Berufungs Schreiben des Herrn Ministers von Raumer Excellenz um eine Frist von zwei bis drei Wochen bis zur Abgabe meiner Erklärung gebeten habe. Nun, da die erbetene Frist abgelaufen ist, finde ich mich noch in der ungewissen Lage, über welche ich mich gegen Sie, als meinen mir so theuren väterlichen Gönner und Freund vertrauensvoll auszusprechen wünsche.
Es hat sich wunderbar getroffen, daß nur wenige Tage, bevor ich jenes Schreiben erhielt, diesem schon eine Berufung nach Erlangen vorangegangen war, wo gleichfalls eine zweite historische Professur neben der, welche noch der alte Böttiger einnimmt, errichtet werden soll. Wenngleich ich nun nach den Eröffnungen, | welche der Herr Minister von Raumer mir schon in Berlin gemacht hat, dem Rufe nach Greifswald mit Gewißheit entgegensehen dürfte, so gestehe ich doch offen, daß ich ohne viel Bedenken entschieden war, unter gleichen Bedingungen dem nach Erlangen den Vorzug zu geben. Sie werden dies, hochverehrter Herr Geheimer Rath, bei unbefangener Vergleichung des gegenwärtigen Standes und der ganzen Stellung beider Universitäten leicht begreiflich finden, ohne daß ich erst noch meiner verwandtschaftlichen Beziehungen in Nürnberg, die Ihnen hinlänglich bekannt sind, besonders zu gedenken brauche.
Das Schreiben aus Erlangen enthielt aber nun die Mittheilung des Prorectors der Universität, daß ich in Folge Allerhöchster Entschließung des Königs zu der genannten Professur berufen sei, ohne Feststellung der Bedingungen; diese sollte ich selbst erst angeben. Ich schrieb sofort zurück, um mich nach den dortigen Verhältnissen zu erkundigen und die Grundlage für meine Propositionen zu gewinnen. Da traf das erwartete Berufungsschreiben aus Berlin ein. In der Meinung, daß ich binnen zwei oder drei Wochen mich über die Bedingungen meiner Anstellung mit der königlichen bairischen Regierung verständigt haben würde, oder, wenn sie meine Propositionen abgelehnt hätte, des Gegentheils gewiß sein würde, bat ich in meiner Antwort um diese Frist. Darauf hat aber die Sache in Erlangen | durch die langwierige Vermittlung von Prorector und Senat eine solche Verzögerung erfahren, daß ich erst vor wenigen Tagen davon benachrichtigt worden bin, daß meine Bedingungen vom Senat gut geheißen worden sind, und ich immer noch nicht weiß, wie die Entscheidung des dortigen Ministeriums ausfallen wird. Indem ich aber diese jeden Tag erwarte, erlaube ich mir die vertrauliche Anfrage an Sie, hochgeehrter Herr Geheimer Rath, zu richten, ob der Herr Minister von Raumer Excellenz mir wohl noch eine kurze Verlängerung der früher erbetenen Frist verstatten möchte, oder ob eine weitere Hinausschiebung meiner definitiven Erklärung nicht mehr zulässig ist? In letzterem Fall würde ich mich, wenn auch mit innerem Widerstreben, dazu entschließen müssen, dieselbe sofort abzugeben.
Indem ich Sie um gütige Nachsicht bitte, daß ich Ihnen mit dieser Angelegenheit beschwerlich falle und mich Ihrem ferneren väterlichen Wohlwollen empfehle, verbleibe ich, Herr Geheimer Rath, unwandelbar
in alter Verehrung und Liebe
Ihr
ganz gehorsamster
Carl Hegel
Rostock, den 20. Februar 1856.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Schulze, JohannesJohannes Schulze11886028317861869Schulze, Johannes (1786–1869), in Mecklenburg geborener evangelischer Theologe, Philologe, Gymnasiallehrer und Bildungspolitiker, ab 1818 Beamter – zuletzt Wirklicher Geheimer Oberregierungs- und Vortragender Rat – im preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten mit Zuständigkeiten für das höhere Schulwesen, die Universitäten, Akademien, Bibliotheken und öffentlichen Sammlungen.
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Neuhaus
, Helmut: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert. Unter Mitarbeit von Katja Dotzler, Christoph Hübner, Thomas Joswiak, Marion Kreis, Bruno Kuntke, Jörg Sandreuther und Christian Schöffel (= Erlanger Studien zur Geschichte, Bd. 7/Katalog zur Ausstellung des Instituts für Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg vom 20. November bis 16. Dezember 2001), Erlangen, Jena 2001.
Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert
2001
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Raumer, Karl OttoKarl Otto Raumer11636503X18051859Raumer, Karl Otto (1805–1859), in Stargard in Pommern geborener Jurist und preußischer Staatsmann, der nach seinem Studium an den Universitäten Göttingen und Berlin in den preußischen Justiz- und Verwaltungsdienst eintrat und von Ende 1850 bis 1858 Minister der geistlichen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten in Berlin war.
Böttiger, Karl Wilhelm1162267651790 1862Böttiger, Karl Wilhelm (1790–1862), in Bautzen geborener Historiker, der nach seinem Theologie-Studium an der Universität Leipzig eine Anstellung als Hofmeister in Wien fand. Nach seinem Geschichtsstudium an der Universität Göttingen habilitierte er sich im Jahre 1817 in Leipzig und wurde 1819 außerordentlicher Professor. Von 1821 bis 1862 war er als Nachfolger Johann Georg Meusels (1743–1820) ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Erlangen.
Maximilian II. Joseph von Bayern, König von BayernMaximilian II., König von BayernKönig von Bayern11857934718111864 Maximilian II. Joseph (1811–1864), war von 1848 bis 1864 König von Bayern und Gründer der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Dittrich, FranzFranz Dittrich11903453018151859Dittrich, Franz (1815–1859), im nordböhmischen Nixdorf geborener Mediziner und Naturforscher, der nach seinem Studium an den Universitäten Prag und Wien sowie ersten beruflichen Tätigkeiten an deren Krankenhäusern von 1850 bis 1859 ordentlicher Professor der Medizin an der Universität Erlangen war. Deren Krankenhaus leitete er ab 1854 und war in den Studienjahren 1852/53 und 1855/56 Prorektor der fränkischen Universität.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Universität GreifswaldIm Jahre 1456 mit Genehmigung Kaiser Friedrichs III. (1415-1493) und Papst Calixt III. (1378-1458) gegründete Landesuniversität des Herzogtums Pommern, nach der Universität Rostock die zweitälteste im Ostseeraum. Mit dem seit 1648 schwedischen Teil Pommerns ging die Universität Greifswald im Jahre 1815 an das Königreich Preußen über.
Prorector, Prorektor (Erlangen)Wie an der Universität Erlangen war an allen Universitäten des Königreichs Bayern stets der König Universitätsrektor, ein jährlich neu gewählter Professor sein Vertreter als Prorektor.
Senat (Universität)Höchstes Beratungsgremium einer Universität; andernorts auch als „Konzil“ bezeichnet, z. B. an der Universität Rostock.