XML PDF

Karl Hegel an Johann Sigmund Karl Tucher, Rostock, 22. Februar 1856

Theuerster Vater!

Ich sage Dir meinen herzlichsten Dank für Deine weiteren Mittheilungen und guten Rathschläge in Deinem lieben Brief vom 16. dieses Monats1. Schon am Tage zuvor war ich durch ein Schreiben des Prorectors2 von dem am 15. erfolgten Senatsbeschluß benachrichtigt worden: er hatte noch an demselben Abend geschrieben und mich schon einige Tage vorher von der zu erwartenden günstigen Entscheidung und Befürwortung meiner Bedingungen, – bis auf den einen auch von Dir erwähnten unerheblichen Punkt, die Facultäts=Einnahmen betreffend, welche für die Interessenten nur 10–30 Gulden jährlich betragen – in Kenntniß gesetzt.3 Da ich in meinem Antwortschreiben4, welches die Bedingungen enthielt, zugleich den Wunsch ausgesprochen hatte, binnen 14 Tagen wenigstens eine vorläufige Entscheidung über die Annahme derselben zu erhalten, damit ich danach meine in Berlin abzugebende Erklärung einrichten könne, so hatte ich allerdings erwartet, daß solche Entscheidung mir schon von der höheren Instanz aus München, durch das königliche Ministerium, unmittelbar oder mittelbar bis dahin zukommen würde. Das war nun aber nach dem dortigen Geschäftsgang nicht möglich, und ich will mich darüber auch nicht beklagen; vielmehr habe ich an den Herrn Prorector von Dittrich zur Antwort gegeben, daß ich nach der ganzen Sachlage dem mir durch ihn mitgetheilten Senatsbeschlusse nur diejenige Deutung geben könne, daß eine weitere Beanstandung meiner Bedingungen von der höchst entscheidenden Instanz kaum mehr zu erwarten sei, und daß ich danach meine an das preußische Ministerium nunmehr abzugebende Erklärung abfassen würde. Und dies habe ich dann auch in der Weise gethan, daß ich demselben – in einem vertraulichen Schreiben an Herrn Geheim Rath Schulze5 – meine gegenwärtige Situation offen dargelegt habe und ihm anheimgestellt, ob es mir noch eine verlängerte Frist gewähren wolle; wenn aber solche nicht mehr zulässig sei, würde ich mich sofort definitiv erklären. Ich bin in letzterem Fall entschlossen, den Ruf nach Greifswald abzulehnen, wenngleich mir dies schwer genug fällt, bevor ich die schließliche Entscheidung aus München wirklich in Händen habe: doch muß ich mir auf der anderen Seite sagen, daß eine lange Verzögerung derselben kaum denkbar ist, nachdem ich bereits eine wirkliche Berufung in Folge Königlicher Entschließung – nicht etwa eine bloße Anfrage, wie etwa vor 2 Jahren die aus München –  in ganz offizieller Weise erhalten habe, und ich kann deshalb auch nicht glauben, was Du doch für möglich zu halten scheinst, daß solche Berufung hinterher noch von einer Kammerbewilligung abhängig gemacht werden sollte; denn wenn der König beruft, wird er auch schon die Mittel dazu haben auf die eine oder die andere Weise; und es ist mir bekannt geworden, daß die Absicht mich nach Erlangen zu berufen, nicht erst seit kurzem gefaßt worden ist, so wie ja auch Häusser’s Berufung bereits vor länger als einem halben Jahre geschehen ist, wo man doch gleichfalls schon für die Mittel gesorgt haben muß.

Du siehst hieraus, lieber Vater, daß meine bisherigen Schritte und Absichten mit Deinen Rathschlägen vollkommen in Einklang sind. Sollte aber noch etwas Unerwartetes eintreten, wie z. B. ein Abhandeln von den Bedingungen, so ist es Zeit darüber weiter nachzudenken. In der Art, wie ich diese Bedingungen gestellt habe, wünschte ich das möglichste Entgegenkommen zu beweisen, und ich glaube, daß sie in München um so weniger Anstand finden werden, als sie auf der einen Seite meinen und den Erlanger Verhältnissen nur angemessen erscheinen können und auf der anderen weit mäßiger sind, als sie bei den neueren Berufungen nach München unter ähnlichen Umständen gefordert und gewährt worden. Mir selbst wurde dort bei der erwähnten Anfrage ein Gehalt von 2500 florin in Aussicht gestellt.

Von ganzem Herzen danke ich Dir, lieber Vater, zum voraus für die überaus erwünschte und erfreuliche doppelte Hülfe, welche Du uns unter der zu erwartenden Voraussetzung des Umzugs für den Sommer versprichst. Die Aussicht hierauf erfüllt uns schon jetzt mit großer Freude, und ganz besonders danke ich auch der lieben Mutter für die Liebeslast, die sie sich selbst, uns zu gute, auferlegen will: fast möchte sie zu groß erscheinen. Natürlich wird uns auch die liebe Schwester Sophie, die sich nach Allem, was ich höre, gar merkwürdig entpuppt haben muß, von Herzen willkommen sein, und es ist gut, daß auch sie uns noch in dieser unserer bisherigen Heimat findet, und sich die fremde Welt einmal zu eigenem Nutzen ansieht.

Die einliegenden 200 thaler übersende ich Dir, lieber Vater, mit der Bitte, damit Susis Altersgelder wieder bis zum Betrage von 1800 florin zu ergänzen und wenn es Dir nicht unzweckmäßig erscheint und sonst gelegen ist, dafür 4 pro Cent bairische Staatspapiere (etwa 2 Obligationen alte Schuld zu 382 zum Betrage von 1000 Gulden jede, die wohl nicht viel über 90 im Curs sein werden) oder was Du sonst für gerathen hältst – wie steht es z. B. mit den Nürnberger Bankactien? sie sind wohl sehr hoch im Preise oder gar nicht zu haben – zu kaufen. Ich habe nämlich die Bergwerks Actien mit 2 pro Cent Agio verkauft6 und bin froh, daß ich sie noch so, vor der nächsten Einzahlung, wieder los geworden bin. –

Das Bier hat uns beiden und den Freunden, denen wir davon mitgetheilt, vortrefflich geschmeckt, und es ist noch Vorrath da. Es ist die Frage ob das leere Fäßchen das Porto für die Rücksendung werth sein würde? Der Gastwirth Meier7 sagte mir, daß er seine Bierfässer wegen des hohen Portos lieber behalte. Schreibe mir gefälligst, was Du meinst und was das Fäßchen werth sein kann.

Sobald ich etwas Weiteres aus Erlangen oder München erfahre, sollst Du Nachricht davon erhalten. Meine besten Grüße an die liebe Mutter, die lieben Großeltern, die Kinder und alle theuren Anverwandten

Dein Sohn Karl.