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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 5. März 1856

Lieber Karl!

Hiermit übersende ich Dir 20 als vielmehr 18 Exemplare Deines gedruckten Vortrags1, welche ich gestern empfangen. Ich habe 2 Exemplare zurückbelassen, das eine für mich und das andre zu Deiner Disposition, da Du mich vielleicht beauftragen wirst, dasselbe in Deinem Auftrage dem Vater Flottwell oder anderweit zu überreichen. An Minister von Raumer und Geheim Rath Schulze wirst Du vermuthlich auch ein Exemplar senden; doch muß solches mit einigen Zeilen von Dir begleitet werden.

Daß Du auf die königliche Entscheidung wegen Deiner Berufung nach Erlangen einige Wochen warten mußt, kann mich nicht befremden, da ich mit den Weiterungen und Umständen solcher amtlicher Verhandlungen wohl bekannt bin, und die Bayern sich durch Schnelligkeit des Geschäftsverfahrens wohl nicht übermäßig auszeichnen werden. Doch ist solche Zeit des Wartens für den Betheiligten immer peinlich, und aus dieser Rücksicht habe ich mir auch stets eine möglichst rasche Erledigung der Geschäfte zur Pflicht gemacht. Wenn Du die Entscheidung erhältst, wirst Du uns gewiß unverzüglich benachrichtigen, da wir doch auch den nächsten Antheil daran nehmen. Die Ungeduld von Onkel Siegmund kann ich mir lebhaft denken, und Du wirst sie gewiß auch mit billiger Rücksicht beurtheilen und aufnehmen. Ich kenne diese Verhältnisse selbst aus langer Erfahrung, und wenn ich auch zuweilen den Potsdamern2 einen passiven Widerstand entgegensetzen muß, so wird man doch die Liebe, aus welcher solche öfters zu weit gehenden Zumuthungen entspringen, nicht verkennen dürfen. In ähnlicher Lage wirst Du Dich in Erlangen befinden.

Friederike dankt der lieben Susette herzlich für ihren freundlichen Brief; sie steckt jetzt in der großen Wäsche und muß daher die Beantwortung etwas hinausschieben. Ueber den Entschluß der lieben Tante Marie, selbst und mit Sophie Euch im nächsten Sommer zu Hülfe zu kommen, haben wir uns sehr gefreut. Es ist dies ein neuer Beweis ihres rüstigen Muthes und ihrer hingebenden Liebe.

In der vorigen Woche lebten wir in großer Unruhe; es waren die Eltern von Frantzius mit ihrem Töchterchen Pauline, der Braut von Bruder Herrmann hergekommen, um letztere den Eltern und Geschwistern des Bräutigams vorzustellen. Sie waren einen Abend und Mittag mit hiesigen Verwandten (Maclean, Günthers und von Felder) bei uns und die beiden letzten Sonntage brachten wir mit ihnen in Potsdam zu. Die Eltern und die Braut haben den guten Erwartungen, die sie von ihnen hegten, in vollem Maaße entsprochen; es ist eine Familie von gediegenem Charakter und dabei ebenso herzlich, als einfach und anspruchslos und von guter Bildung; die Braut ist nicht schön, aber einnehmend und von heitrem natürlichen Wesen und sehr gut erzogen. Daher mußte uns dieses Zusammensein in allen Beziehungen gegenseitig befriedigen. Die Anwesenheit wurde zugleich dazu benutzt, dem jungen Paar eine freundliche Wohnung in der Eichhornstraße – einer neuen Straße bei der Potsdammerstraße, – in unserer Nähe zu miethen. Die Hochzeit soll am Anfang September gefeiert werden.

Deine gerichtliche Versendung, bei welcher ich nichts zu erinnern gefunden, habe ich dem Gericht eingereicht. Auch Deine Quittung ist richtig ausgestellt, demnach ich in der That drei Friedrichsdor, nach welcher hier in Gold überall und ausschließlich gerechnet wird, für Dich empfangen habe. – Das Denkmal am Grab der seligen Mutter ist nun auch aufgestellt; sobald ich Zeit finde, werde ich es an Ort und Stelle besichtigen, und dann die Rechnung bezahlen, welche 36 th für das Denkmal selbst, 7 th 2 Silbergroschen für die Inschriften und 2 th für die Kosten der Aufstellung, in Summa 45 th 2 Silbergroschen beträgt.

Die Kinder sind, Gott sei Dank, wohl und vergnügt; vorgestern wurde Clärchens Geburtstag, daran auch Susette freundlichst gedachte, gefeiert; leider lag gerade an diesem Tage Friederike an Kopfweh, wohl in Folge der vielen Unruhen der letzten Tage. Die geistigen und körperlichen Fortschritte des Kindes sind noch immer sehr langsam; doch ist und bleibt es ein höchst gemüthliches Wesen und der Liebling der ganzen Familie.

Herzliche Grüße von Friederike.

In treuer Liebe
Dein
Immanuel