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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 8. April 1856

Lieber Karl!

Hiermit übersende ich Dir die gewünschten 6 Exemplare Deines Vortrags1 mit 10 Kartons. Als ich heute in der Königsstadt eine Besorgung zu machen hatte, benutzte ich die Gelegenheit mich beim Buchhändler Schultze darnach zu erkundigen und erfuhr hier, daß die Zusendung jener Exemplare an mich in Vergessenheit gerathen war; ich habe sie daher gleich mitgenommen. Herr Schultze lehnte wiederholt jede Entschädigung entschieden und freundlichst ab, und habe ich daher ihm in Deinem Namen verbindlichst gedankt. Jene 6 Exemplare habe ich natürlich für Dich begehrt. Ich hoffe, daß der Karton nunmehr Deinen Wünschen entsprechen werde.

Durch den Brief der lieben Susette kam uns bereits die erfreuliche Bestätigung der Nürnberger Nachricht, daß Deine Berufung nach Erlangen unter den von Dir gestellten Bedingungen vom König von Bayern genehmigt worden. Nachdem dieses glückliche Ziel erreicht worden, wollen wir Gott bitten, daß nun auch Deine Uebersiedlung mit Frau und Kindern ohne Störung ablaufen und Ihr Alle wohlbehalten und zufrieden in die alte und neue Heimath einziehen möget. In Berlin hast Du nun wohl schon Deine definitive Ablehnung von Greifswald erklärt, und ich bin in der That recht froh, daß es dazu nicht gekommen ist; denn nach allem, was ich von dort über die Zustände der Universität und die geselligen Verhältnisse des Orts gehört habe, glaube ich nicht, daß Du dort sehr befriedigt gewesen wärst.

Von Henning haben wir im Laufe dieses Monats die Zahlung von 2000 th zu erwarten, 1000 th für Dich und ebenso viel für mich. Ich habe auf Grund der Erbelegitimationsattests und unserer notariellen Verhandlung über die Theilung der geerbten 3400 th eine notariell beglaubigte Erklärung dahin abgegeben, daß wir uns damit einverstanden erklären, daß das in Rentenbriefen dem 2 vor Henning zufallende Ablösungskapital mit 6000 th zur Bezahlung der Hypothek des einen von Jordan – der andre von Jordan will seine 6000 th auf dem Gute stehen lassen – und 2000 th zur 3 Rückzahlung des Darlehens der seligen Mutter verwendet werde. Ich erbitte mir daher Deine Zustimmung über die anderweite zinsbare Anlegung dieser 1000 th; meinerseits bin ich für jetzt am ehsten geneigt, Oberschlesische Prioritätsaktien Lit. E zu 3 ½ Prozent, welche gegenwärtig circa 78 % stehen, zu kaufen; es ist jedenfalls ein sicheres Papier und man kann erwarten, daß es später steigen werde, abgesehen davon daß es al pari4 amortisirt wird. Doch will ich damit Deiner Spekulation keine Schranken setzen; nur wünsche ich eine bestimmte Anweisung zu erhalten.

Am Geburtstage der seligen Mutter5 besuchte ich ihr Grab und fand dort das Denkmal aufgestellt; unter der Umgebung und an der Stelle hart an der Mauer erscheint es etwas gedrückt und würde ich es etwas größer und höher wünschen. Es läßt sich dies vorher schwer ermessen, da im Zimmer die Dimensionen sich dem Auge anders darstellen. Zudem läßt sich nicht behaupten, daß das Denkmal unangemessen wäre.

Ein wichtiges Ereignis in unsrem Hause war der erste Schultag von Marie, welcher gestern statt fand; da der Privatunterricht zufällig durch anderweite Beschäftigung der beiden Lehrer, respektive Lehrerin aufhören mußte, schien es mir angebracht, sie nunmehr einem regelmäßigen und 6 Unterricht zu übergeben, um so mehr, als das Kind bei seiner Begabung und großen Lebendigkeit einer geregelten Arbeit und geordneten Zucht des Geistes zu bedürfen scheint. Nachdem diese Frage vielseitig berathen worden, haben wir sie der Anstalt der Frau A. Dann auf dem Leipzigerplatz übergeben, welche wohl eine der besten hier ist, und deren Vorsteherin namentlich sehr geachtet und gerühmt wird. In diesem Sommer geht sie nur des Vormittags hin, täglich von 9 bis 1 Uhr. Marie ist natürlich darüber sehr glücklich und mit großer Lust dabei. Gott gebe seinen Segen dazu!

Gestern Nachmittag war ich einige Stunden in Potsdam, um dort Trinkler zu begrüßen, welcher seine Marie auf einige Wochen zum Besuch hingebracht hat; diese Tochter ist nun ein großes stattliches Mädchen geworden. In Potsdam ist alles wohl, und haben sie auch die Nachricht von Deiner Versetzung nach Erlangen mit herzlicher Theilnahme aufgenommen.

Friederike hat in der letzten Woche theils an ihrer alten Kolik, welche sich lästig eingestellt, theils an Zahnweh viel gelitten und ist dadurch wieder etwas zurückgekommen; ich hoffe, daß die wärmere Witterung ihr wohl thun und sie wieder bekräftigen werde. Man wird dann überlegen müssen, was zu ihrer Herstellung in diesem Sommer unternommen werden kann. Sie sendet Euch mit den Kindern die herzlichsten Grüße.

Auch von7 mir bringe der lieben Susette die herzlichsten Grüße.

Mit den treuesten Wünschen Dein Immanuel