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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 22. Januar 1857

Lieber Karl!

Deinem Buchhändler Fritzsche in Leipzig habe ich heute 50 th 10 Spf. mit der Rechnung übersandt, und ihn ersucht, Dir die letztere quittirt zuzustellen. Ferner theile ich Dir hiermit Dein Conto vom 1sten Juli vorigen Jahres ab mit, und bemerke dazu, daß die Zinsen von Henning für das 2te Quartal vorigen Jahres schon in der früheren Berechnung enthalten waren, weil Henning die Zinsen damals schon vor dem 1sten Juli mir übersandt hatte. Du hast demnach jetzt einen Bestand von circa 132 th, und wenn Du die am 1sten März fälligen Zinsen der russisch-englischen Anleihe mit circa 44 th hinzurechnest, welche ich Dir jetzt gleich würde übersenden können, so stehen im Ganzen circa 176 th zu Deiner Verfügung. Wegen der bayerischen Banknote habe ich mich bei Ebeling und Gelpke erkundigt; die kommen hier nicht häufig vor, dagegen finden sich eher Darmstädter und auch andere süddeutsche Banknoten. Es käme daher darauf an, Dich in Nürnberg zu erkundigen, ob und welche andere Noten süddeutscher Banken in Nürnberg al pari1 kursiren; ich würde Dir dann solche in größerer Auswahl hier beschaffen können, insofern sich nicht genügend bayerische Banknoten darbieten. Was das ermäßigte Porto für letztere anbetrifft, so kann dies wohl nur für die Versendung innerhalb Bayerns Platz greifen, nicht aber bei Versendungen vom Ausland, da die fremden Postverwaltungen sich um solche Spezial-Exemtionen nicht bekümmern können. Deinen Entschluß, Deine Kapitalien künftig in bayerischen Papieren anzulegen, kann ich nur billigen, da es in der Natur der Verhältnisse liegt; willst Du später Deine hiesigen Papiere veräußern, so würde dazu ein Zeitpunkt zu wählen sein, zu welchem sich die Effekten im Allgemeinen in ihrem Kurse wieder werden gehoben haben und wenn sich eine Gelegenheit darbietet, Dir das Kapital ohne Portoauslage zu überbringen. – Ich benachrichtige Dich dabei zugleich, daß die Dir gehörige Berlin-Potsdam-Magdeburger Prioritäts Obligation Lit. C. No. 3530 ausgeloost, und daher zum 1sten Juli dieses Jahres gekündigt worden ist. Ich bitte Dich Dir dies zu notiren und die in Deinen Händen befindliche Obligation mir seiner Zeit zu übersenden.

Von Friederike kann ich endlich ein briefliches Lebenszeichen für Susanne beifügen2, welches sogar schon ein Paar Tage bei mir liegt, weil Dein letzter Werthbrief3 dazwischen kam. Ihre Gesundheit will sich noch immer nicht befestigen, indem sie häufigen Anfechtungen unterliegt; doch hat sie es gestern nach langer Zeit wieder gewagt, des Abends – in eine kleine Gesellschaft bei Macleans – auszugehen und scheint es ihr gut bekommen zu sein. Die Kinder sind – unberufen – wohl und habe ich sie in den letzten milden Wintertagen, wie auch noch heute Nachmittag, auf die Eisbahn öfters geführt, wo Marie und Willi ihre Anfänge im Schlittschuhlaufen gemacht haben und sich ganz anstellig und geschickt dabei zeigen. Es macht ihnen großes Vergnügen und wir haben die Gelegenheit, theils auf dem Kanal, teils im Thiergarten bei der Rousseau-Insel in bequemer Nähe. Es bewegen sich dort fast ebenso viel Damen und Mädchen, als Herren und Knaben auf dem Eise, aus allen Ständen und allen Lebensaltern.

Die fortgesetzte Befriedigung, welche Du in jedem Briefe über Deine Thätigkeit und Deinen Verhältnissen in Erlangen aussprichst, erfüllt mich stets mit herzlicher Freude, da Du dies eigentlich lange hast entbehren müssen, und dadurch auch Deine Kräfte gehoben findest. Wem eine solche glückliche Lage vergönnt ist, der hat wohl Ursache recht dankbar zu sein und wem es versagt ist, der wird es sich zur Aufgabe machen müssen, sich die beste Seite herauszukehren. In mancher Beziehung lebe ich diese letzten Aufgaben zu erfüllen, da ich nicht behaupten kann, daß ich in meiner sehr isolirten und unselbständigen Thätigkeit ein volles Genüge fände. – Eure gemüthlichen Familienbesuche in Nürnberg haben wir uns recht vergegenwärtigen können; Ihr macht jetzt ein pendant zu unseren Potsdamer Fahrten. – Wenn Du bei einem neuen Besuch in Nürnberg gelegentlich unsern Handelsgesetzbuchs-Kommissarius Geheimen Ober Justizrath Bischof antriffst, kannst Du ihn als meinen Bekannten ansprechen; er ist ein sehr tüchtiger Jurist, namentlich in legislativen Arbeiten, und von sehr jovialem einfachen Benehmen. Deinen alten Freund Thoel wirst Du wohl auch dort wieder begrüßen. Daß der oesterreichische Kommissarius zum Vorsitzenden gewählt worden, war eine Prärogative Oesterreichs, in welche wir Preußen uns doch einmal finden mußten. Dagegen mußten wir aber als Ausgleichung den Vorzug des Preußischen Entwurfs in Anspruch nehmen, und legen in der Sache auf letztern mehr Werth, als auf ersteren. Der Gegensatz von Oesterreich und Preußen ist in allen Verhältnissen unvermeidlich, und wird bei der fortgesetzten Aggression der neueren österreichischen Politik doch über kurz oder lang zu einem großen Konflikt ausbrechen. Die Frage des Zollvereins wird vornehmlich dazu beitragen, ihn zur Reife zu bringen, und jeder Zwischenfall, wie z. B. Oesterreichs Verhalten in der Schweizer Sache wirkt dahin, den gegenseitigen Argwohn und die Erbitterung zu steigern. – Ueber das gütliche Ende der Neuenburger Sache ist man hier sehr zufrieden, da es sich doch nur um den Ehrenpunkt handelte, und dieser nun hinlängliche Genugthuung erhalten hat.

Der Geheime Archivrath Märker sprach mich neulich auf dem Ordensfest4 an, um sein Bedauern auszudrücken, Dich in Nürnberg verfehlt zu haben; er ist ein ziemlich eitler und dünkelhafter Mann, der sich gern eine größere Bedeutung giebt, als er hat; sein starker Antipode ist der ehrliche alte Lancizolle, welcher sich auch sehr über seine Aqisationen5 für das Germanische Museum ärgert. Für letztern zu werben, macht sich Märker zur besonderen Aufgabe.

Auf Veranlassung Deiner früheren Mittheilung über die Schellingschen Briefe, habe ich diese durchgesehen und habe trotz vergeblichen Nachsuchens den letzten Brief Schellings aus München, in welchem er auf die Uebersendung der Phänomenologie6 antwortete, nicht finden können. Ich vermißte ihn schon bei Gelegenheit des Besuchs von R. Haym und weiß nicht, wohin er gekommen sein mag. Die Briefe des Vaters an Schelling sind nur in Abschrift vorhanden, da die Originalien letzterem remittirt worden.

Nun lebe wohl, die herzlichsten Grüße der lieben Susanna und den lieben Nürnbergern von Deinem

Immanuel