Deinen gründlichen und erschöpfenden Bericht über Streitberg haben wir mit großem Interesse empfangen; Du hast uns ein so anschauliches Bild seiner Lage und seiner Einrichtungen, so wie der Art des dortigen Lebens gegeben, daß wir darnach vollständig in Stand gesetzt waren, unsere Entscheidungen zu fassen. Wir sind Dir daher zu großem Dank verpflichtet, daß Du unseren Wunsch um zuverlässige und genaue Auskunft so getreulich erfüllt und Dich dieser Mühe so bereitwillig unterzogen hast. – Aber allerdings konnte ich nach Deiner Schilderung nicht zweifelhaft sein, daß Streitberg für Friederike nicht der geeignete Ort sei, und auch allgemeine Bedenken entgegenstehen, so sehr ich sonst bestimmt wäre wegen Eurer Nähe mich dafür auszusprechen, und dieser Umstand besonders dazu beigetragen hatte, den Plan von Streitberg mit Freuden zu ergreifen. Unsere Wahl ist nun auf Reichenhall gefallen und es hat mich darin auch sehr Dein Rath bestärkt. Böhm hatte von Anfang an darauf hingewiesen, und ist sehr mit unserer Wahl einverstanden, da er auch auf die dortige erquickende Gebirgsluft und auf die Soolbäder Werth legt. Ich zog Streitberg wegen der geringeren Kosten der Reise vor und weil ich auch voraussetzte, daß es hier viel wohlfeiler sei, als in Reichenhall. Dies war nun aber gleichfalls durch Deine Nachrichten widerlegt. Ich habe daher um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, durch den Dr. Göschen hier, welcher im vorigen Jahre mit seinem Bruder, Professor in Halle, dort war, und im August mit ihm wieder dahin gehen wird, und mit dem dortige Inspektor Ringe näher bekannt ist, den Auftrag zum Miethen einer Wohnung gegeben, und hoffe ich nach einigen Tagen befriedigende Nachrichten zu erhalten. Bei den größeren Kosten der Reise muß ich nun aber es aufgeben, meine Marie mitzunehmen, und wird diese auch in Potsdam bei den Großeltern ihr Unterkommen finden. Dagegen hat der Vater seine Zustimmung dazu gegeben, daß uns meine Schwägerin Clara begleitet, was mir in jeder Beziehung, namentlich für Friederike sehr erfreulich ist. Sie soll dort auch die Molkenkur gebrauchen.
Unsere Abreise soll, so Gott will, am 1ten Juli statt finden; kann ich es möglich machen, mit Vorauszahlung meiner Besoldung und dergleichen, so reisen wir schon am 30ten Juni, da uns die weite Reise bis dahin viel Zeit wegnimmt. Wir werden wohl von Potsdam abreisen, wo vorher Friederike einige Tage verweilen soll, denken in 2 Tagen bis Erlangen oder Nürnberg zu kommen und nach einem Rasttage die Fahrt nach München fortzusetzen. Das Schlimme ist, daß man noch 2 Reisetage von München nach Reichenhall per Hauderer machen muß. Jedenfalls freuen wir uns unendlich, daß die Reise trotz der veränderten Wahl des Bades uns doch Gelegenheit geben wird, Euch wiederzusehen. Wie wir es mit dem Unterkommen in Erlangen und in Nürnberg einzurichten haben, darüber wirst Du oder Susette Euch ehrlich und offen aussprechen. Wir wissen, daß Ihr uns gern beherbergt, aber ebenso, daß dies oft seine großen Schwierigkeiten hat, besonders wenn man zu 3 Mann anrückt. In Nürnberg möchte ich gern einen Tag verweilen, um die lieben Verwandten zu begrüßen, und meiner Schwägerin ein wenig die Stadt zu zeigen; auf der andern Seite würde durch die Fülle der Eindrücke leicht der Kraft Friederikens etwas viel zugemuthet werden.
Friederike hat sich übrigens in der letzten Zeit doch mehr bekräftigt; nur hat sie sich der Luft schon entwöhnt und Ruhe ist ihr sehr Bedürfnis. Zum Uebergang und zur Vorbereitung für die Reise soll ihr der Aufenthalt in Potsdam dienen, und ich hoffe daß die Reise selbst ihr neue Lebenskraft geben werde; sie hat schon den großen Vortheil, sie aus dem alten Sauerteig hier herauszureißen.
Die Kinder haben die Masern glücklich überstanden; am besten, wie es scheint, Willi, bei dem sie auch am stärksten herausgetreten waren; er muß noch das Zimmer hüten, sieht aber schon wieder ganz munter aus. – Wir erfreuen uns hier noch der Anwesenheit unserer Freundin Malchen von Conrady, die auch noch bei uns bleiben wird, bis Friederike nach Potsdam geht und dann später auch in Vertretung Claras bei den Eltern die Aufsicht über unsere Kinder dort übernehmen will; sie ist ebenso angenehm und wohlthuend in ihrer Persönlichkeit, als nützlich und hülfreich in allen praktischen Dingen. Ebenso wenig fehlt es ihr an Bildung und geistigem Interesse.
Friederike sendet Euch viele herzliche Grüße und bittet Susanna ihr noch im Briefschreiben einige Nachsicht zu spenden; sie kommt noch schwer dazu und trägt gewöhnlich Kopfweh davon. Für jeden Brief, der ihr gewidmet wird, ist sie aber unendlich dankbar. – Auch in Nürnberg wollet Ihr freundlich grüßen, und namentlich Gottlieb unsere innigste Theilnahme aussprechen.1 Wenn sie in Simmelsdorf verweilen, werden wir sie freilich schwerlich sehen. Gott gebe, daß sie sich dort von allen weiteren Sorgen befreit fühlen. Wie schwer muß aber doch immer der Gedanke auf ihnen lasten, später nach München zurückkehren zu müssen.
Mit den treuesten Wünschen
Dein