Deinen lieben Brief1 will ich alsbald beantworten, weil sonst bei den vielfachen sich drängenden Abhaltungen leicht eine längere Verzögerung wieder eintreten könnte. Von Deiner und der lieben Susanna herzlichen Theilnahme in Bezug auf das Familienereigniß, welchem ich in meinem Hause entgegensehe2, konnte ich überzeugt sein, und danke Euch für die geschwisterlichen Wünsche von Herzen, mit denen Ihr diese Nachricht aufgenommen habt. Das Befinden Friederikens in den letzten Wochen und ihr ganzes Aussehen darf uns die Hoffnung geben, daß sie die noch bevorstehende Zeit der Erwartung von etwa vier Monaten glücklich und ohne übergroße Beschwerden bestehen werde, und so vertrauen wir auf Gottes Gnade, welche uns auch weiter durch helfen möge. Auch die Kinder sind wohl, wachsen heran und genießen ihr fröhliches Alter, und so habe ich reichlich Ursache dankbar zu sein, was ich auch täglich empfinde, zwar oft genug mit einer gewissen Sorge, daß das Glück meiner behaglichen Häuslichkeit mir wieder getrübt werden könnte. Doch will ich auch in dieser Hinsicht Alles getrost dem barmherzigen und gnädigen Willen Gottes anempfehlen.
In Potsdam dagegen sind seit einiger Zeit trübere Tage eingekehrt, und sie sind dort zu sehr an ein glückliches, reich erfülltes und bewegtes Leben gewöhnt, um eine trübselige Zeit mit Geduld und rechter Ergebung hinnehmen und ertragen zu können. Namentlich gilt das von der guten Mutter, welche geneigt ist, sich jede Sorge in den schwärzesten Farben auszumalen und sich auch einem eigenen Leiden in Gefühl und Stimmung ganz hinzugeben. Es kann uns daher die Zukunft für sie recht mit Sorge erfüllen, da beide Eltern sich nun doch in einem Alter befinden, bei welchem manche körperliche Gebrechen nicht ausbleiben. Der Vater ist von seinem Unfall übrigens fast ganz wiederhergestellt; er war schon gestern zum erstenmale wieder in Berlin, und hat seine Sitzung gehalten, will auch schon morgen in Geschäften wieder hereinkommen. Die Nase hat sich fast ganz ausgeheilt und ist nicht entstellt worden. Doch ist er noch reizbar und fühlt sich etwas angegriffen, was auch nach einer solchen schweren Attake nicht zu verwundern ist. Dagegen ist die Mutter noch immer leidend und kann sich aus ihrer trüben Stimmung nicht herausreißen; sie bildet sich ein, die Abzehrung zu haben. Allerdings ist sie sehr abgemagert, und hat auch ein tiefer liegendes Uebel; allem Anschein nach und nach der Versicherung des Arztes hat sich aber ihr Zustand wesentlich gebessert. Clara hat unter diesen Umständen eine schwere Zeit durchzumachen gehabt und ist bei ihren schwachen Kräften auch leicht hinfällig.
Eine große und sehr überraschende Freude wurde ihnen und uns Allen durch die Nachricht von der Verlobung Adalberts, welcher während der – jetzt beendigten – transitorischen3 Verwaltung des Landrathsamts in Meseritz in dortiger Nähe auf dem Gute Politzig eine Familie von Oppen kennen gelernt und sich mit der reizenden, noch nicht 17jährigen Tochter Ella verlobt hat. Der Vater ist vermögend, hat jedoch 11 Kinder. Adalbert schreibt sehr glücklich und schwelgt in dem Frühling seiner Liebe. Er wird wohl Ende des Monats seine Braut uns vorstellen und sein künftiger Schwiegervater hat den liebenswürdigen Plan gefaßt, dann mit seiner Frau und Tochter Ella und in Begleitung von Adalbert eine Reise nach der Schweiz und Oberitalien zu machen. Es ist eine sehr achtungswerthe Familie, von welcher wir auch hier einzelne Glieder kennen gelernt haben.
Wir haben jetzt sehr anmuthige Frühlingstage, und auch endlich unsern Balkon eröffnen können. Zu Pfingsten4 hoffen und denken wir nach Potsdam in gewohnter Weise zu gehen, wo die Natur auch im reizendsten Schmuck erscheinen wird. Jedermann beschäftigt sich nun auch schon mit Plänen für den Sommer. Ich habe mich noch nicht damit befaßt und werde jedenfalls nicht viel unternehmen können. Friederikes Zustand verbietet weite Wanderungen und auf der andern Seite liegt keine Nothwendigkeit vor, wenn ich auch nicht verabreden5 will, daß mir eine behagliche Erholung ganz gut thun möchte. Wir sind aber auch abhängig von Potsdam, wo sonst unsere Kinder ein erwünschtes Unterkommen fanden; in disem Sommer müssen sie sich aber selbst für ihre Gesundheit etwas gründliches vornehmen. Ferner muß ich mich nach meinen amtlichen Verhältnissen richten. Meine Stellung bei der Verwaltung des Staatsschatzes ist noch nicht definitiv; inzwischen verwalte ich die Sache ruhig weiter und warte das Ende ab; der Minister-Präsident und Finanzminister, beide gemeinschaftlich Chefs dieser Verwaltung, sind uneins über die Reorganisation derselben, und auf dem letzten Landtage, wo auch beim Budget diese Sache zur Erörterung kam, hat das Haus der Abgeordneten sich in seinem Beschlusse der Ansicht des letzteren angeschlossen, während das Herrenhaus mehr der des ersteren sich zugeneigt hat. So befinde ich mich hierbei in der Klemme zwischen meinen beiden Chefs und um so schlimmer daran, als ich selbst mehr dem Finanzminister recht geben muß, obwohl dies weniger meinem persönlichen Interesse entspricht. Der Minister-Präsident zieht nun die Sache anscheinend hin, und ich mag sie nicht treiben, weil es sonst das Aussehen haben möchte, daß mir um mein Gehalt bange wäre. Inzwischen habe ich vor einiger Zeit eine Remuneration von 150 Talern erhalten und kann dergleichen noch mehr erwarten. Im Falle meiner definitiven Ernennung war es die Absicht, mir eine Zulage für dieses Nebenamt von circa 500 Talern jährlich auszusetzen. Dadurch würde ich allerdings zu einer reichlichen Dienstminderung gelangen, da ich schon 2500 Taler Gehalt habe, und auch noch vom Staats-Anzeiger als Curator 200 Taler beziehe. Mein jetziges Einkommen brauche ich bei meiner mächtigen Lebenserweiterung hier vollständig. Für die nachträglichen Erbschaftshebungen bin ich sehr dankbar und bitte ich Dich die für mich vereinnahmten 47 Taler 4 Silbergroschen 3 Pfennig für Dich zu behalten, indem ich sie auf Deine Zinsen am 1. Juli verrechnen werde. An Frau Schmidtlein werde ich die Grüße gelegentlich bestellen; als meine Frau sie in der vorigen Woche besuchen wollte, lag sie leider an Kopfweh.
Von Friederike die herzlichsten Grüße und vielen Dank für Susannens lieben Brief. Wenn die lieben Nürnberger zur Galerenfahrt6 herüber kommen, so bringt auch ihnen unsere freundlichen Grüße.