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Karl Hegel an Theodor Sickel, Erlangen, 21. September 1858

Hochgeehrter Herr!

Ihre sehr werthvolle Sendung1 nebst Zuschrift, datiert Wien 30. Mai2, habe ich erst vor wenigen Tagen bei meiner Zurückkunft von einer Ferienreise3 hier in Erlangen vorgefunden. Die Verzögerung ist dadurch entstanden, daß sie erst den Umweg über Rostock genommen – welches ich schon seit zwei Jahren verlassen habe, indem ich an die hiesige Universität gerufen wurde – und von dort auf buchhändlerischem Wege hierher gekommen ist. Es tut mir herzlich leid, daß ich so unverschuldeter Weise bei Ihnen, hochgeehrter Herr College, in den Verdacht des Undanks gekommen bin: wie sollte ich aber nicht durch Ihr gütiges Geschick und zuvorkommendes Schreiben mit dem lebhaftesten Dank erfüllt worden sein! Von Ihrem vortrefflichen, für wissenschaftliche wie Lehrzwecke gleich nützlichen Werk hatte ich bisher nur äußere Kenntniß erhalten; die Probeblätter, welche Sie mir gütigst überlassen, haben mich durch ihre Natur und Wahrheit überrascht, welche sie in der That vollkommen geeignet macht, die Originale auch für den wissenschaftlichen Gebrauch zu ersetzen. Im Fall ich zu einer neuen Bearbeitung meiner italienischen Städteverfassung komme, werden sie mir sehr dienlich sein und nehme ich deshalb auch Ihr gütiges Anerbieten, noch später aufzunehmende Urkunden für mich zurücklegen zu wollen mit dem größten Danke an.

Von besondrer Wichtigkeit war mir noch Ihre Mittheilung über die Beziehung, in welcher Sie zu dem zuerst vor ungefähr anderthalb Jahren an mich gelangten Antrage der Herrn Francesco Conti, wegen einer italienischen Übersetzung meines Buchs über die italienischen Städteverfassung4, stehen. Die Bedingungen, die ich Herrn Conti gestellt, sind Ihnen schon bekannt geworden, und es gereicht mir zur Befriedigung, daß Sie dieselben gebilligt haben. Zur näheren Erläuterung will ich jedoch noch Folgendes hinzufügen. Herr Conti war mir völlig fremd; er hat es unterlassen, sich auf Sie zu berufen; ich würde mich sonst natürlich sogleich bei Ihnen nach ihm erkundigt haben. Da ich nicht wußte, wie weit ich zu den Fähigkeiten und dem Charakter des Mannes, der mit mir in eine litterarische Gemeinschaft eintreten wollte, vertrauen durfte, so war mir doppelte Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Und es war doch überhaupt nicht daran zu denken, daß ich eine fremde Übersetzung durch meinen Namen autorisiren würde, ohne sie zuvor genau geprüft und gebilligt zu haben! Überdies wünschte Herr Conti, daß ich seine Übersetzung, um sie noch mehr zu empfehlen, mit Zusätzen versehen sollte, unter Berücksichtigung der seither erschienenen Schriften. Zu diesem Ende hätte ich mich aber sofort einer neuen Durcharbeitung meines Werks unterziehen müssen, wozu mir damals nicht bloß die Zeit, sondern auch das litterarische Material am hiesigen Orte fast gänzlich abging. Auch bedurfte es erst noch einer Verständigung mit meinem Verleger, dem eine neue italienische Bearbeitung für den Absatz des Restes von der deutschen Ausgabe leicht zum Nachtheil gereichen konnte. Unter diesen Umständen mußte ich mir vor Allem, wenn ich mich zu der Arbeit entschließen sollte, die nöthige Zeit ausbedingen, und war es natürlich, daß ich nach einem Honorar fragte, wenn auch nicht weiter – denn ich kenne die italienischen buchhändlerischen Verhältnisse – als zur Entschädigung für die Kosten, welche mir der längere Aufenthalt bei einer auswärtigen größeren Bibliothek verursachen würde. Hierdurch ist nun Herr Conti von weiteren Verhandlungen mit mir abgeschreckt worden, und es ist das Erste, was ich von Ihnen höre, daß der Druck seiner Übersetzung wirklich begonnen hat, dann aber ins Stocken gerathen ist. – Sehr interessant war es mir ferner von Ihnen zu vernehmen, daß eine ungenannte hohe Person eine italienische Übersetzung meines Werks und meine Betheiligung bei derselben wünsche, und sehe ich mit Spannung Ihrer versprochenen näheren Mittheilung hierüber entgegen, wobei ich nur wiederum die Verspätung Ihrer Zusendung und meiner Antwort bedauern muß, ohne welche jenes Unternehmen wahrscheinlich schon jetzt gesichert wäre und ich diese Herbstferien zu der Arbeit hätte benutzen können. –

Mit ausgezeichneter Hochachtung ganz ergebenst
der Ihrige
Carl Hegel
(Professor in Erlangen).