Endlich haben wir einen Entschluß gefaßt und denken, so Gott will! unsere Taufe übermorgen, Freitag Nachmittag um 6 Uhr zu halten. Friederikes Befinden war in der letzten Zeit noch manchem Wechsel unterworfen; die rheumatischen Schmerzen in der Brust hatten sich namentlich nach der dauernden Spanischen Fliege verzogen; dagegen war doch ein fiebriger Zustand geblieben, welcher sie nicht zu Kräften kommen ließ. Dieser scheint nun auch überwunden zu sein und wenn auch die Nerven noch öfter recht abgespannt sind, so steht sie doch jetzt wieder auf und es heben sich die Lebenskräfte. Gott gebe, daß es andauern und sie wieder zu einer frischeren Thätigkeit gelangen möchte! Sie hat, und wir mit ihr, wieder eine recht schwere Prüfungszeit zu bestehen gehabt. Indessen haben wir auch solche Tage von der gnädigen Hand Gottes mit Ergebung anzunehmen. – Das Kind gedeiht bei der Flasche vortrefflich, hat gute Verdauung, hält ruhige Nächte und entwickelt sich sehr lieblich und kräftig. Es lag uns recht auf der Seele, daß wir das arme Kind so lange als Heid ohne christliche Taufe hatten liegen lassen; aber meine desolaten häuslichen Zustände konnten wirklich zur Entschuldigung dienen, und eine Art Nothtaufe mochte ich doch gerne vermeiden, wenn wir auch die Tauffeier nur im allerengsten Kreise der Eltern und Geschwister und der Pathen, so weit die anwesend sind, halten wollen. Unsere bisherige Amme – ich habe Dir wohl das Nähere schon geschrieben – lag auch noch an ihrer Brust bis vor wenigen Tagen darnieder und hat von Böhm 3 mal geschnitten werden müssen. Jetzt ist sie nun auch fast ganz wieder hergestellt und wir werden nach der Taufe die Mathilde, welche wir als Wärterin zuletzt hatten, gehen lassen können, wenn es auch mit Friederike besser geht. Da die Amme ihre Nahrung ganz verloren hat, so werden wir das Kind mit Kuhmilch weiter füttern.
Vielleicht kommt Marie Trinkler zur Taufe; sonst wird nur Anna Lachmann als Pathe anwesend sein. Dich, liebe Susanna, wird Schwester Clara als Pathe bei der Taufe vertreten. Dem lieben Kind wünschen wir die Namen Maria Anna beizulegen und sie als unsere Anna zu rufen. Wir wünschen wenigstens die zweite schöne Hälfte Deines Vornamens, welche erst in Deinen vorgerückteren Lebensjahren zur gebührenden Anerkennung gekommen ist, dem Kind zu erhalten und glauben daher auch mit Deinem Gefühl in Uebereinstimmung zu bleiben, als Du den Namen gleichfalls für Dein eigenes Kind als einen würdigen Schutz angesehen hast. Dein uns früher übersandtes Taufzeichen wird bei der Taufe nicht vergessen werden und als Eure Liebesgabe zur Vertheilung kommen.
In der politischen Welt ist jetzt etwas mehr Ruhe für den Augenblick eingekehrt; die Wahlen sind vorbei1 und dem Anschein nach im Ganzen für das Ministerium günstig. Indessen läßt sich vorher die Haltung des Landtags kaum beurtheilen; es sind zu viele Nomines novi2 darin. Die Zahl der Juristen ist sehr groß, und wenn man diese Gattung mit dem Salz vergleichen mag, so könnte die Suppe leicht etwas versalzen sein. Der Drang zu Reden und Thaten wird jedenfalls sehr groß sein; und leider ist das neue Ministerium3 nicht in der Lage, in der ersten Sitzungsperiode ihnen viele und anstrengende Beschäftigung geben zu können. Der Müßiggang ist aber aller Laster Anfang.
Eine uns sehr nahe gehende und sehr erfreuliche Veränderung ist in diesen Tagen durch den Entschluß des Vaters Flottwell, sein Ministerium4 aufzugeben und in das Ober-Präsidium5 zurückzutreten, zur Reife gekommen. Nach der Aufregung durch die Wahlen trat ein Zustand der Abspannung bei ihm ein, der ihn wohl überzeugen mußte, daß er bei seinem erregbaren Temperament solchen Anstrengungen in seinem hohen Alter nicht mehr gewachsen sei. Jetzt ist ein Abschnitt vorhanden, in dem er noch am ersten mit Anstand und ohne bedenklichere Störungen ausscheiden kann. Später wäre es viel miß- licher wegen des bevorstehnden Landtags. Der Prinz Regent6 wird morgen von der Letzlinger Jagd zurückkehren und hier das schriftliche Gesuch des Vaters vorfinden, welches er gewiß genehmigen wird, wenn ihn auch die Wahl des Nachfolgers in große Unruhe versetzen möchte. Wir haben die Sache mit Auerswald vielfach besprochen und berathen, welcher sich auch davon überzeugt hat, daß der Vater sich bei Fortsetzung des Amts binnen Kurzem ganz aufreiben würde. Ich habe ihn, da ich von Anfang an dieser Meinung war7, in seinem Entschluß nur bekräftigen können und fühle mich dadurch von einer großen Sorge enthoben. Man wird im Publikum freilich politische Differenzen vermuthen; diese sind aber bis jetzt nicht vorhanden, wenn sie auch vielleicht später sich entwickelt hätten – wie ich vermuthe –; sondern der einzige Grund und Veranlassung liegt in seiner geschwächten Gesundheit und hohem Alter. Es läßt sich zwar darauf sagen, daß dieser Grund vor 4 Wochen auch schon vorhanden war und ihn von der definitiven Annahme hätte abhalten müssen; dagegen kann er sich damit vertheidigen, daß er den Grund auch geltend gemacht, auf Andringen des Prinzen aber einen Versuch habe machen müssen, und daß er schon als interimistischer Minister die Einleitungen zu den Wahlen hatte beginnen müssen und es von Wichtigkeit war, daß diese auch von ihm ganz ausgeführt wurden, was nunmehr geschehen. – Zum Glück haben sie ihren Umzug, abgesehen von kleinen Vorbereitungen, noch nicht angefangen und können daher, ohne lächerlich zu werden, ruhig in Potsdam sitzen bleiben. Die Mutter und Clara sind natürlich darüber auch sehr erfreut. – Mit Auerswald verständige ich mich vortrefflich; ich habe täglich mit ihm zu thun und habe an ihm den liebenswürdigsten Vorgesetzten.
Ueber die guten Nachrichten aus Eurem Hause, von Euren lieben Kindern, Eurem Leben, dem befriedigenden Fortgang Deiner Vorlesungen habe ich mich sehr gefreut. Gott erhalte Euch alles Gute in ungetrübtem Genuß!
Mit den herzlichsten Wünschen in treuer Liebe Dein
P. S. Der Maler Professor Eduard Magnus besuchte mich kürzlich, und trug mir den Wunsch von Hertel (& Breitkopf8) in Leipzig vor, in einer von ihnen angefangenen Gallerie berühmter Männer – Kupferstiche kleine Form – ,9 von welcher bisher vornehmlich Musiker erschienen sind und nun Gelehrte nachfolgen sollen, auch das Porträt des Vaters zu liefern. Magnus, mit Hertel befreundet und diesen bei dem Unternehmen unterstützend, besah sich bei mir Schlesingers Bild.10 Ich theilte ihm unsere Bedenken gegen das Bild mit und meinte, daß sich das Sebbersche Bild11, was ähnlicher und dem Charakter mehr entspreche, besser eignen würde.12 Ich besorge, daß die Härte des Bildes von Schlesinger im Kupferstich noch verschärft werde. Es liegt mir daran, auch Deine Meinung zu vernehmen und zu beachten. Das Unternehmen selbst scheint es zu verdienen, daß wir gefällig entgegenkommen.