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Karl Hegel an Heinrich Sybel, Erlangen, 24. März 1859

Sehr geehrter Freund!

Ihre Empfehlung des H[errn] Dr. von Kern kommt mir recht erwünscht. Nach Ihren Mittheilungen über seine Befähigung, seine Studien u[nd] seine Persönlichkeit habe ich die beste Hoffnung, daß in ihm gerade der Mann gefunden sei, dessen ich zum Mitarbeiter bedarf. Bei der Weitschichtigkeit und Zerstreutheit des Materials, welches zu sichten und zu prüfen ist, brauche ich zuvörderst einen sachverständigen Gelehrten, der es mir an den verschiedenen Orten in Archiven u[nd] Bibliotheken auffinden hilft u[nd] den ich zu diesem Zweck auf Reisen schicken kann, wenn ich an dem hiesigen Ort durch meine Berufsgeschäfte gebunden bin. Ich werde sodann auch bei der Herausgabe der Chroniken1 selbst nicht ohne einen Mitarbeiter sein können, der sich derselben zu unterziehen im Stande ist, in Fällen, wo sich dazu geeignete locale Kräfte nicht vorfinden.2 Schon die Einleitungen, welche ich für die Herausgabe Nürnberger und Augsburger Chroniken getroffen habe, haben mir gezeigt, wie sehr viel meiner Redaction zu thun übrig bleibt, auch wo ich gute Hülfe am Orte finde. Der Archivar und Localhistoriker sieht selten über seine Stadt hinaus u[nd] weiß ebenso selten von einem für ihn interessanten Material, welches sich außerhalb derselben befindet. –

Ich habe Ihnen bisher über meine Arbeit noch nicht geschrieben, weil ich noch wenig dafür habe thun können. Unsere hiesige Bibliothek ist so beschaffen, daß sie auch für die bloßen Vorarbeiten bei weitem nicht ausreicht. Erst in diesen Osterferien3, die übrigens bei uns erst Ende dieses Monats beginnen, werde ich ernstlich an die Sache kommen. Zunächst will ich Franken, Schwaben u[nd] Baiern ins Auge fassen. Da ich aber versprochen, zu Michaelis einen Plan für das ganze Werk vorzulegen4, muß ich noch weiter gehen – so weit als ich eben komme. Unterdessen gedenke ich zugleich Nürnb[er]gs u[nd] Augsburgs Chroniken theilweise zum Druck vorzubereiten, damit, wenn man sich in der Commission über Plan u[nd] Principien der Herausgabe verständigt hat, sofort im nächsten Winter mit dem Druck begonnen werden kann. Es ist mir wahrscheinlich daß ich den ganzen Sommer zu diesen vorbereitenden Arbeiten, welche meine Thätigkeit bei dem Unternehmen ganz besonders erfordern, brauchen werde und meine Vorlesungen deshalb aufgeben muß – was mir schwer genug fällt, aber nicht zu ändern ist, weil mir hier so gut wie alles Arbeitszeug fehlt. –

Wollen Sie also Herrn Dr. v[on] Kern davon in Kenntniß setzen, daß ich auf ihn als Mitarbeiter rechne u[nd] daß ich mich nächstens zu ihm in directe Beziehung setzen werde, um seine Hülfe sogleich für die Nürnberger, Augsburger u[nd] andern Chroniken bei der Münchener Bibliothek in Anspruch zu nehmen. –

Erst vor wenigen Tagen ist das erste Heft Ihrer Historischen Zeitschrift hier angekommen: es war lang erwartet, hat aber meine Erwartung auch vollständig befriedigt, sowohl in Beziehung auf den Inhalt, als den Plan u[nd] die äußere Erscheinung. Die Abhandlungen sind gediegen, lehrreich u[nd] lesbar zugleich u[nd] in den kurzen Anzeigen der Übersicht ist alles Mögliche geleistet. – Die von mir durch Dr. Cluckhohn gewünschten Anzeigen für das zweite Heft werde ich gern und hoffentlich noch rechtzeitig liefern – nur habe ich Phil[l]ip[p]s Schrift5 (die in den Wiener Sitzungsberichten noch nicht erschienen ist) im Separatabdruck bis jetzt noch nicht bekommen können.6

An Coll[egen] Wegele, der gestern zu meiner Freude bei mir war, bitte ich das Einliegende7 zu übergeben, wenn er zu Ihnen kommt.

Meine beste Empfehlung an Ihre Frau Gemalin.

Leben Sie wohl. Stets
der Ihrige
Hegel.