XML PDF

Karl Hegel an den Akademischen Senat der Universität Erlangen, Erlangen, 21. April 1859

Königlich akademischer Senat!

Bei Überreichung des anliegenden Gesuchs2 erlaube ich mir zur richtigen Würdigung desselben noch Folgendes vorzutragen.

Als im vergangenen Herbst eine Anzahl von deutschen Historikern, zu denen auch ich zu gehören die Ehre hatte, zum Zweck der Gründung einer historischen Commission für deutsche Geschichtsforschung von Seiner Majestät dem König nach München einberufen worden war, handelte es sich bei der Constituirung dieser Commission zunächst darum, die Ausführung einiger von ihr vorgeschlagenen historischen Arbeiten sofort sicher zu stellen. Da nun eine von diesen Arbeiten die Herausgabe der älteren deutschen Städtechroniken war, welche meinen früheren wissenschaftlichen Studien über die Städtegeschichte ganz besonders nahe zu liegen schien3, so erging an mich die Aufforderung, die Leitung derselben zu übernehmen. Eine Ablehnung von meiner Seite wäre, wie mir noch jetzt scheint, völlig unthunlich und unter den gegebenen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen gewesen. Bedenklich erschien mir allerdings sogleich die weitschichtige Beschaffenheit und die noch unabsehbare Umfänglichkeit des Unternehmens, und ich verhehlte mir ebenso wenig die Schwierigkeit, meine Betheiligung bei demselben mit meiner Lehr- und Berufsthätigkeit an der Universität in Einklang zu bringen. Allein der Versuch wenigstens mußte gemacht werden; den guten Willen zur Sache mußte ich zeigen und so viel möglich bewähren: Dies war ich nicht sowohl der historischen Commission als vielmehr dem erhabenen Gründer derselben, meinem Könige, der mich zu ihrem Mitarbeiter ausersehen, unzweifelhaft schuldig.

Nun scheint freilich durch das vorliegende Dispensationgesuch die Unvereinbarkeit der von mir übernommenen Aufgabe mit den Pflichten, die mir als Universitätsprofessor obliegen zur Genüge bewiesen und es liegt die Besorgniß nahe, daß ähnliche Störungen meiner Lehrthätigkeit, so wie im nächsten Sommer, sich in Zukunft noch öfter wiederholen könnten. Hiergegen erlaube ich mir jedoch darauf hinzuweisen, daß ein so unzuträgliches Verhältniß in Wirklichkeit nur so lange stattfindet, als ich mit jenen einleitenden Vorarbeiten beschäftigt sein werde, über deren Charakter ich mich in meiner Eingabe an die allerhöchste Stelle näher ausgesprochen habe. Sind diese einmal im Laufe des nächsten Sommers, wenn auch nur theilweise, ausgeführt, so werden in Zukunft für die etwa noch nothwendigen Excursionen mir die Universitätsferien gewiß genügen, und auch im Übrigen wird die Fortsetzung des Werkes in seinen einzelnen Theilen, wobei ich besonders auf die Beihülfe andrer rechnen darf, meine Zeit und meine Kräfte nicht mehr in gleichem Maße, wie der Anfang, in Anspruch nehmen. Auf alle Fälle aber bin ich entschlossen ein solches Opfer auf Kosten meiner Lehrthätigkeit, wie das, welches für jetzt unvermeidlich geworden ist, nicht wieder zu bringen. Denn wie ich allerdings nicht glaube, daß ich dies zum andern Mal gegen die Universität würde verantworten können, so fällt mir schon der gegenwärtige Entschluß äußerst schwer, besonders im Hinblick auf die schon anderweitig bedrängte Lage der philosophischen Facultät, wenn auch andrerseits ihn gerade jetzt der Umstand erleichtert, daß bei der ungewöhnlich kurzen Dauer des bevorstehenden Sommer-Semesters und falls mich auch in diesem Jahre wieder das Commissarium bei den Absolutorialprüfungen der Gymnasien treffen sollte, meine Sommervorlesungen auf die Zeit von nicht mehr als zwei Monaten eingeschränkt sein würden.

Nach dieser Auseinandersetzung gebe ich mich der Erwartung hin, daß der königliche akademische Senat die Gründe, welche mich zu meinem Gesuch bewogen haben, anerkennen werde, und füge demnach die Bitte hinzu:

es möge derselbe mein Gesuch mit der Äußerung solcher Anerkennung bei den allerhöchsten Stellen befürworten.

Hochachtungsvoll und gehorsamst
Professor Dr. Karl Hegel.