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Karl Hegel an Georg Waitz, Rostock, 27. Mai 1859

Verehrter Freund1,

aus allem, was Sie mir über Doctor Junghans mitgeheilt haben, gewinne ich immer mehr die Überzeugung, daß er ganz der rechte Mann für mich wäre. Nun muß ich aber bedauern, daß meine Hoffnung eine vergebliche war, ihn schon in diesem Sommer beschäftigen zu können.

Für das Aufsuchen und Einsammeln des Materials, das Geschäft, um das es sich für jetzt noch mehr als um die Bearbeitung im Einzelnen handelt, wäre diese Zeit die günstigere gewesen, und überhaupt kann ich mich bei den obwaltenden äußeren Verhältnissen, die geradezu Alles in Frage stellen, auf Verbindlichkeiten die über den Termin unserer nächsten Herbstsession2 hinausgehen, gar noch nicht einlassen. Also nur eine sehr bedingte Zusage könnte ich vorläufig dem Doctor Junghans für weiterhin geben. Doch vielleicht ist ihm schon damit gedient, wenn ich es ausspreche, daß ich den lebhaften Wunsch hege ihn von der Zeit an, da er frei sein wird, für mein Unternehmen zu gewinnen und daß ich zur Zeit noch an der Hoffnung festhalte, daß es möglich sein werde. – Ich danke Ihnen für die Anhaltspunkte, die Sie mir in Betreff der Remuneration gegeben. Seitdem habe ich erfahren, daß die Remuneration der Mitarbeiter bei den Reichstagsacten auf 500 florin festgesetzt ist: Darüber dürfte auch ich wohl nicht, wenigstens nicht in Süddeutschland, hinausgehen; für den Aufenthalt in Norddeutschland oder am Rhein wird dies freilich nicht genügen, muß also der Satz erhöht werden. Zum stehenden Aufenthaltsort für den Mitarbeiter würde sich, dünkt mich, Erlangen wenig oder nur sehr theilweise eignen, wie wohl es mir sehr lieb wäre, ihn in der Nähe zu haben. Unsere Bibliothek ist sehr schlecht beschaffen und das zu bearbeitende Material wird wohl nur in den seltenen Fällen hierher zu bekommen sein. Man wird daher Rücksicht nehmen müssen bei der Wahl des Orts, auf den Kreis des Arbeitsfelds und wenn es sein kann auch auf den Druckort. Doch das sind spätere Erwägungen. –

Ihr Schwager Schelling läßt Sie bestens grüßen: ihm und den Seinigen geht es gut. An die Wiederbesetzung von Nägelsbachs Stelle denken wir allerdings seit lange; es ist sehr schwer den passenden Mann zu finden für einen Wirkungskreis, der nicht bloß für unsere Universität, sondern für das ganze protestantische Schulwesen in Baiern von der allergrößten Bedeutung ist: noch ist er nicht gefunden und bei der beschränkten Auswahl, die sich uns unter den zu erreichenden Philologen darbietet wird jeder Vorschlag immer ein gewagter sein. Aegidi hat erst vor wenigen Tagen sein Entlassungsgesuch eingereicht. – Unsere Stadt und ein großer Theil des Baiernlandes ist gegenwärtig in große Aufregung versetzt durch die österreichischen Militärzüge des Armeecorps unter Oheim Haller, welche seit vorigen Montag 23. begonnen haben und in täglich 8 Zügen (Tag und Nacht) sich 10 oder 11 Tage lang fortsetzen. Unsere Studenten empfangen sie mit Bierkrügen und Würsten auf dem Bahnhof. In Nürnberg und München ist der Jubel ungeheuer: allen wird immer mehr österreichisch und das unverständige Schmähen und Verdächtigen gegen Preußen ist kaum zu ertragen. –

Leben Sie wohl.
Freundschaftlichst
der Ihrige
Carl Hegel.