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Karl Hegel an Christoph Friedrich Stälin, Erlangen, 31. August 1859

Hochverehrter Freund1,

ganz glücklich sind wir von unserer schönen und durchaus befriedigenden Reise zurückgekehrt; ich selbst bin seit gestern wieder in Erlangen, meine Frau verweilt noch einige Tage mit den Kindern auf dem Lande. Nach den genußreichen Tagen in Stuttgart, an die wir nicht denken können, ohne uns gegen Sie und die theuren Ihrigen aufs Lebhafteste verpflichtet zu fühlen – führte uns nächste Reise nach Heilbronn und Heidelberg, sodann über Carlsruh, Baden und Freiburg nach Basel und von da2 über Zürich an den Bodensee, woselbst wir einige Tage in Rorschach und Umgebung verweilen. Überall waren wir von herrlichstem Wetter begünstigt erfreuten wir uns des besten Wohlseins. In Heidelberg traf ich Gervinus, Schlosser und Häusser, in Carlsruh Mone, in Basel Gerlach und andere Collegen. Die dortigen Bibliotheken habe ich, wenngleich mit geringer Ausbeute benutzt. Wichtig war mir die Unterhaltung und Verständigung mit Mone, der durch seine Quellensammlung in Baden vollständig aufräumen und uns nichts übrig lassen wird. In Heilbronn verdanke ich Ihrer Empfehlung eine sehr freundliche Aufnahme bei Herrn Titot; es gibt dort nur sehr interessante Rathsprotokolle, aber die Weinbücher und sonstige spätere Chroniken sind für uns ohne Werth. Von dem Bodensee aus machte ich einen Streifzug nach Ravensburg, traf es aber so unglücklich, daß gerade am selben Tage ein allgemeines Kinderfest gefeiert wurde, bei welchem ich zwar zum Vergnügen meiner lieben Frau zusehen durfte, aber mit den gesuchten Chroniken völlig leer ausging. Überdies war der Stadtschultheiß noch verreist und der Stadtschreiber Knoll, der mir als der in den Archivalien kundigste Mann bezeichnet wurde, war trotz allen meinen und anderen hülfreichen Bemühungen in dem Menschengedränge auf dem grünen Platz nicht zu finden. Ich bin deshalb schon wieder in dem Fall, mich an Ihre gütige Vermittelung wenden zu müssen, weil ich hoffe durch diese leichter und sicherer zum Ziele zu gelangen, als es mir auf directem Wege möglich sein würde. Von dem Ravensburger Chroniken haben Sie selbst in Ihren Aufzeichnungen mir schon Nachricht gegeben. Die in der Stuttgarter Hofbibliothek vorhandene von Schlaperitz habe ich eingesehen; sie ist, wie die spätere, die sich anschließt für uns ohne Werth. Aber es gibt eine ältere von Jodocus Geng (geb. 1418), welche auch Eben in seinem Versuch einer Geschichte der Stadt Ravensburg in der Vorrede erwähnt. Diese wollte ich nachfragen. Hätten nun wohl Sie die Güte, deshalb eine Anfrage an Herrn Stadtschreiber Knoll zu richten, über ihn zu veranlassen, im Stadtarchiv deshalb Nachforschung anzustellen und genügende Auskunft zu geben? ich denke, daß er sich dazu gegen den würtemberger Landsmann und berühmten Historiker bereitwilliger finden lassen wird, als gegen einen ihm völlig unbedeutenderen Erlanger Professor. –

In Lindau fand ich die Stadtbibliothek geschlossen; hier und in Memmingen muß ich brieflich nachfragen. In Kempten traf ich nichts mehr an; es ist Alles nach München ins Reichsarchiv gekommen oder sonst verzettelt. Mit dem Münchener Archiv aber habe ich dieselben Erfahrungen gemacht, wie Böhmer: man muß erst von anderswoher erkundigen, was sich darin befindet, an Ort und Stelle selbst fragt man vergebens. –

Anliegend sende ich Ihnen die beiden entliehenen Bücher aus der Stuttgarter Hofbliothek mit bestem Dank zurück. – Von München aus, wo ich spätestens bis zum 24. September sein werde, gebe ich Ihnen Nachricht über das Quartier, wie ich versprochen, und freue mich schon jetzt auf das Zusammensein mit Ihnen in und außerhalb unserer hohen Commission.

Mit den besten Empfehlungen und Grüßen an Ihre verehrte Frau und Fräulein Tochter
treulichst der Ihrige
Carl Hegel.