Ich bin so frei mich mit einer Bitte an Sie zu wenden, welche Sie gewiß, so weit es von Ihnen abhängt, gern erfüllen werden, um der deutschen Litteratur, die Ihnen schon so viel verdankt, einen neuen Dienst zu erweisen.
Auf Veranlassung der Historischen Commission in München, deren Mitglied ich bin, habe ich es übernommen eine Sammlung von Chroniken deutscher Städte herauszugeben. Die Auswahl des Stoffs ist mir natürlich allein überlassen und auch den übrigen historischen Theil der Arbeit besorge ich selbst mit einem jungen Historiker als Gehülfen.2 Nun möchte ich aber auch den sprachlichen Erfordernissen bei der Herausgabe der Texte möglichst gerecht werden und brauche dazu noch einen zweiten Gehülfen, der | gründliche Kenntniß der deutschen Sprache besitzt, mit Handschriften umzugehen versteht und dabei ein gewissenhafter, fleißiger und williger Arbeiter ist. Einen solchen würde ich außer dem nöthigen Reisegeld eine ausreichende Remuneration zusichern können; er dürfte selbstverständlich noch durch keine andere Stellung gebunden sein, um seinen Aufenthaltsort immer da zu nehmen, wo gerade das Arbeitsfeld ist, wie gegenwärtig in Nürnberg, dessen Chroniken zuerst an die Reihe kommen.
Es gibt gewiß manchen tüchtigen jüngeren Gelehrten, dem mit einem derartigen Rufe sehr gedient wäre, welcher ihm vorläufig eine sorgenfreie Lage und zugleich die günstige Gelegenheit darbieten würde, seine Kenntnisse nützlich zu verwerthen und sich in weiteren Kreisen bekannt zu machen. Da mir jedoch zur Zeit keiner bekannt ist, wo wende ich mich vertrauensvoll| an Sie, als eine von mir hoch verehrte Autorität des Fachs, mit der Anfrage, ob Sie vielleicht mir einen Mann, wie ich ihn suche, nachweisen und empfehlen können?
Seine Aufgabe wäre also, nach meiner Anweisung und unter meiner Leitung, deutsche Texte von Städtechroniken aus dem 14. bis ins 16. Jahrhundert aus den Handschriften nicht etwa nach einer Sprachtheorie zuzurichten, sondern mit historischer Treue richtigzustellen, sodann solche Texte, in so weit es der vorwiegend historische Zweck einer Quellensammlung zuläßt, mit sprachlichen Erklärungen zu versehen, und sich überhaupt mit sorgfältigen deutlichen Abschriften und genauen Correcturen bei der Herausgabe zu betheiligen.3 Ich verlange nicht, daß der zu Empfehlende auch in Beurtheilung der Handschriften schon geübt sei, aber er müßte wenigstens die nöthige sprachliche Vorbildung besitzen, um sich leicht auch in dieses Feld einzuarbeiten. Treue und Gewissenhaftigkeit ist hier wie überall das Haupterforderniß, | welches die Ergänzung des noch Fehlenden am sichersten verbürgt.
Mit ausgezeichneter Hochachtung empfiehlt sich
ganz ergebenst Prof. Dr. Hegel in Erlangen.
1In diesem Brief geht es vornehmlich um die Frühphase der Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften von Karl Hegel (1813-1901) herausgegeben; vgl. Hegel, Chroniken der deutschen Städte, Bde. 1-27, sowie die jeweiligen Einzelaufstellungen im hier Schriftenverzeichnis, und in das Projekt einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, besonders S. 165 ff.2Theodor Kern (1836-1873) war der erste Mitarbeiter Karl Hegels bei diesem umfangreichen Editions-Projekt; zu seiner „Rekrutierung“ und den ersten Arbeiten vgl. einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 192 ff.3Das hier thematisierte Anforderungsprofil an den gewünschten neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter Karl Hegels aus dem Fachgebiet der Germanistik ist gleichsam eine genaue Beschreibung der entsprechenden Tätigkeiten im Rahmen einer historisch-kritischenEdition.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Wackernagel, WilhelmWilhelm Wackernagel
HiKo
11708651718061869Wackernagel, Wilhelm (1806–1869), in Berlin geborener deutscher Schriftsteller, Germanist, Historiker und Philologe, der nach seinem Studium von 1824 bis 1827 an der Berliner Universität im Jahre 1833 Professor an der Universität Basel und 1835 dort ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur wurde. Im Jahre 1863 wurde er ordentliches Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
StA Kanton Basel-Stadt
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StA Kanton Basel-Stadt1000
Die Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften von Karl
Hegel
, Bde. 1-27, Leipzig 1862-1899. (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication/59548/edition/55551 )
Hegel, Chroniken der deutschen Städte
, Bde. 1-27
1862-1899
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Kern, TheodorTheodor Kern11614072018361873Kern, Theodor (1836–1873) wurde am 5. Mai 1836 in Bruneck in Tirol im Kaisertum Österreich geboren und starb am 18. November 1873 in Veytaux am Genfer See. Theodor Kern stammte aus einer österreichisch-badischen Handwerker- und Beamtenfamilie. Er besuchte das Gymnasium in Innsbruck und studierte seit 1853 zunächst Jura, später Geschichte und Philologie in Innsbruck, Göttingen, Heidelberg und München. Julius Ficker in Innsbruck, Georg Waitz in Göttingen, Ludwig Häusser in Heidelberg sowie Heinrich Sybel in München waren seine akademischen Lehrer. Das Staatsexamen für das Höhere Lehramt hatte er 1857 „mit glänzendem Erfolg“ absolviert. Promoviert worden war er als Schüler Ludwig Häussers im darauffolgenden Jahr 1858 in Heidelberg. 1863 habilitierte er sich über die „Chronik der Stadt Nürnberg vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert“ und wurde im selben Jahr Privatdozent. Er war seit 1859 erster wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl Hegels beim Editionsunternehmen „Die Chroniken der deutschen Städte“, für das er viele Forschungsreisen unternahm. Mit seiner sehr ordentlichen Arbeitsweise war Karl Hegel als Editionsleiter sehr zufrieden. Ab 1866 war Theodor Kern außerordentlicher, 1871 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er einen historischen Verein gründete und die „Zeitschrift für Geschichte des Breisgaus“ herausgab. Auch noch in dieser Zeit blieb er dem Editionsprojekt der „Chroniken der deutschen Städte“ als Mitarbeiter auf Honorarbasis verbunden. 1873 starb der sehr begabte junge Historiker an den Folgen einer schweren Erkrankung.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Deutsche Literatur, auch ältere Schreibung: deutsche LitteraturTeilgebiet der im 19. Jahrhundert sich erst als Universitätsdisziplin etablierenden Germanistik.
Historische Commission/Kommission, MünchenIm Jahre 1858 in München auf Anregung des Berliner Historikers Leopold Ranke (1795-1886) vom bayerischen König Maximilian II. Joseph (1811-1864) bei seiner Akademie der Wissenschaften gegründete Institution zur Erforschung der deutsche Geschichte.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Reisegeld, ReisegelderReise- oder Fahrgeld bezeichnet ausgezahltes Geld von Seiten des Arbeitgebers für eine Dienstreise des Mitarbeiters, siehe auch: Reisekosten und Reisediäten.
Remuneration, RemunerationenZusätzliche Bezahlung, Gratifikation; hier auch im Sinne von Gegenleistung(en) und Vergütung(en) gebraucht im Sinne einer regelmäßigen Gehalts- bzw. Lohnzahlung.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
SprachtheorieBegriff aus der Linguistik, der als Theorie, die auf sprachphilosophischen Reflexionen und Ergebnissen der Sprachwissenschaft beruht, damit eine Menge meist miteinander verbundener Reflexionen und Aussagen über die Sprache und ihre Bedeutung für den Menschen umschreibt und deren Gegenstand insbesondere die Relation von Sprache und Welt, Sprache und Denken sowie Sprache und Handeln ist.
QuellensammlungSammlung von Quellen, hier im historisch-literarischen Bereich verwendet in Form von: Textquellen.
Quelle(n), historischeTexte als Quellen und andere Zeugnisse wie Sachquellen, Bildquellen, auch Zeitzeugenberichte und Ähnliches sowie abstrakte Quellen, die die vergangene Geschichte unmittelbar erleuchten und dabei helfen, bei historisch-kritischer Behandlung, die Vergangenheit entsprechend zu beleuchten, zu rekonstruieren, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen sowie einordnen und bewerten zu können; eindeutig abgegrenzt werden die Quellen von der fachwissenschaftlichen Literatur in Form sogenannter Darstellungen, in der Germanistik auch als Sekundärliteratur im Gegensatz zur Primärliteratur bezeichnet.
Correctur, CorrecturenKorrektur bzw. Korrekturen im Rahmen einer historisch-kritischen Edition bzw. Korrekturen im Rahmen einer Drucklegung; auch: Korrekturen von Abiturprüfungen.
historisch-kritischAdjektive, die sich auf die „historisch-kritische Methode“ der Geschichtswissenschaft beziehen; diese entwickelte sich im 19. Jahrhundert zur Untersuchung historischer Quellen (Texte). Ihr Ziel ist die wissenschaftliche Auffindung (Heuristik), Aufbereitung (Kritik) und Interpretation dieser Quellen unter Nachvollziehbarkeit der einzelnen Argumentationsschritte, wobei die Rekonstruktion und Überlieferung des jeweiligen Quellen-Textes von entscheidender Bedeutung ist.
EditionWissenschaftliche, zumeist auch historisch-kritische Ausgabe einer schriftlichen historischen Quelle, z. B. in Form einer Handschrift, eines gedruckten Textes etc.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis