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Karl Hegel an Wilhelm Wackernagel, Erlangen, 2. Februar 1860

Hochgeehrter Herr College!1

Ich bin so frei mich mit einer Bitte an Sie zu wenden, welche Sie gewiß, so weit es von Ihnen abhängt, gern erfüllen werden, um der deutschen Litteratur, die Ihnen schon so viel verdankt, einen neuen Dienst zu erweisen.

Auf Veranlassung der Historischen Commission in München, deren Mitglied ich bin, habe ich es übernommen eine Sammlung von Chroniken deutscher Städte herauszugeben. Die Auswahl des Stoffs ist mir natürlich allein überlassen und auch den übrigen historischen Theil der Arbeit besorge ich selbst mit einem jungen Historiker als Gehülfen.2 Nun möchte ich aber auch den sprachlichen Erfordernissen bei der Herausgabe der Texte möglichst gerecht werden und brauche dazu noch einen zweiten Gehülfen, der gründliche Kenntniß der deutschen Sprache besitzt, mit Handschriften umzugehen versteht und dabei ein gewissenhafter, fleißiger und williger Arbeiter ist. Einen solchen würde ich außer dem nöthigen Reisegeld eine ausreichende Remuneration zusichern können; er dürfte selbstverständlich noch durch keine andere Stellung gebunden sein, um seinen Aufenthaltsort immer da zu nehmen, wo gerade das Arbeitsfeld ist, wie gegenwärtig in Nürnberg, dessen Chroniken zuerst an die Reihe kommen.

Es gibt gewiß manchen tüchtigen jüngeren Gelehrten, dem mit einem derartigen Rufe sehr gedient wäre, welcher ihm vorläufig eine sorgenfreie Lage und zugleich die günstige Gelegenheit darbieten würde, seine Kenntnisse nützlich zu verwerthen und sich in weiteren Kreisen bekannt zu machen. Da mir jedoch zur Zeit keiner bekannt ist, wo wende ich mich vertrauensvoll an Sie, als eine von mir hoch verehrte Autorität des Fachs, mit der Anfrage, ob Sie vielleicht mir einen Mann, wie ich ihn suche, nachweisen und empfehlen können?

Seine Aufgabe wäre also, nach meiner Anweisung und unter meiner Leitung, deutsche Texte von Städtechroniken aus dem 14. bis ins 16. Jahrhundert aus den Handschriften nicht etwa nach einer Sprachtheorie zuzurichten, sondern mit historischer Treue richtigzustellen, sodann solche Texte, in so weit es der vorwiegend historische Zweck einer Quellensammlung zuläßt, mit sprachlichen Erklärungen zu versehen, und sich überhaupt mit sorgfältigen deutlichen Abschriften und genauen Correcturen bei der Herausgabe zu betheiligen.3 Ich verlange nicht, daß der zu Empfehlende auch in Beurtheilung der Handschriften schon geübt sei, aber er müßte wenigstens die nöthige sprachliche Vorbildung besitzen, um sich leicht auch in dieses Feld einzuarbeiten. Treue und Gewissenhaftigkeit ist hier wie überall das Haupterforderniß, welches die Ergänzung des noch Fehlenden am sichersten verbürgt.

Mit ausgezeichneter Hochachtung empfiehlt sich
ganz ergebenst
Prof. Dr. Hegel
in Erlangen.