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Karl Hegel an Jakob Grimm, Erlangen, 9. Februar 1860

Hochverehrter Herr Hofrath!1

Ehe ich mich in einer anderen Angelegenheit an Sie wende, drängt es mich Ihnen meine tiefsinnige Theilnahme auszusprechen bei dem unendlich schmerzlichen Verlust, der Sie durch den Heimgang Ihres theuren und für Alle, die ihn kannten, so liebenswerthen Bruders betroffen hat. Gott schütze Sie mit der ausreichenden Kraft, solches Weh in frommer Ergebung zu tragen, und erhalte Sie uns noch lange! –

Mein Anliegen ist folgendes. Nachdem ich unter Mitwirkung von Dr. von Kern, der sich zu diesem Zweck in Nürnberg aufhält, an die Bearbeitung der Nürnberger Chroniken gegangen bin, hat sich das Bedrüfniß herausgestellt, noch einen der deutschen Sprache kundigen Gehülfen hinzuzuziehen, dessen Aufgabe es sein würde, die deutschen Texte in sprachlicher Hinsicht aus den Handschriften festzustellen, sprachliche Erläuterungen hinzuzufügen, die Correcturen beim Druck zu besorgen. Ich denke mir darunter einen jungen Philologen, der seine Studienzeit hinter sich hat und noch durch keine Anstellung gebunden ist, denn er müßte seinen Aufenthaltsort dort nehmen, wo gerade das Arbeitsfeld ist, wie gegenwärtig in Nürnberg, und er würde auch den größten Theil seiner Zeit diesen Arbeiten zu widmen haben. Haupterforderniß wäre außer der gründlichen Kenntniß der deutschen Sprache und Literatur, die er besitzen muß, daß ich mich auf seine Arbeitstreue und Gewissenhaftigkeit durchaus verlassen könnte.

Ein tüchtiger Philologe würde hier die beste Gelegenheit finden, seine Kenntnisse nützlich zu verwerthen und seinen Namen ehrenvoll bekannt zu machen. Er würde zugleich in eine sorgenfreie Lage versetzt sein, indem ich ihm außer den nöthigen Reisegeldern eine für mäßige Ansprüche ausreichende Remuneration zusichern könnte.

Ich wende mich nun vertrauensvoll an Sie mit der Anfrage, ob Sie mir wohl einen solchen Gehülfen aus dem Kreise der Ihnen bekannten jüngeren Gelehrten, denen mit einem derartigen Rufe gedient wäre, nachweisen und empfehlen könnten? und mit der Bitte, dieser Angelegenheit, welche für unser Unternehmen von Wichtigkeit ist, Ihre gütige Fürsorge zuzuwenden. In meiner Nähe weiß ich Keinen zu finden, der für ganz zuverlässig gelten könnte und zugleich geneigt wäre, die Stelle zu übernehmen. Ich habe mich zuerst an Dr. Frommann gewendet mit der Anfrage, ob er sich etwa einzelnen Arbeiten unterziehen würde? er hat es jedoch abgelehnt, weil er außer seinen amtlichen Stunden, die er im Germanischen Museum zubringen muß, schon mit anderen Arbeiten überhäuft sei. Ich bin dann von anderer Seite her auf den jüngeren Bechstein in Meiningen aufmerksam gemacht geworden, habe aber bei näherer Erkundigung kein günstiges Zeugniß hinsichtlich der Zuverlässigkeit seiner Arbeiten, worauf mir doch Alles ankommen muß, erhalten. Im Fall Sie mir keinen geeigneten Mann nachweisen könnten, bliebe mir nur übrig, mich auch an andere Autoritäten des Fachs zu wenden.

Denn haben muß ich einen sprachgelehrten Mitarbeiter, wenn die Herstellung der Texte zur Zufriedenheit nicht bloß der Historiker, sondern auch der Sprachforscher ausfallen soll.

Mit inniger Verehrung
der Ihrige
Carl Hegel.