Ehe ich mich in einer anderen Angelegenheit an Sie wende, drängt es mich Ihnen meine tiefsinnige Theilnahme auszusprechen bei dem unendlich schmerzlichen Verlust, der Sie durch den Heimgang Ihres theuren und für Alle, die ihn kannten, so liebenswerthen Bruders betroffen hat. Gott schütze Sie mit der ausreichenden Kraft, solches Weh in frommer Ergebung zu tragen, und erhalte Sie uns noch lange! –
Mein Anliegen ist folgendes. Nachdem ich unter Mitwirkung von Dr. von Kern, der sich zu diesem Zweck in Nürnberg aufhält, an die Bearbeitung der Nürnberger Chroniken gegangen bin, hat sich das Bedrüfniß herausgestellt, noch einen der deutschen Sprache kundigen |Gehülfen hinzuzuziehen, dessen Aufgabe es sein würde, die deutschen Texte in sprachlicher Hinsicht aus den Handschriften festzustellen, sprachliche Erläuterungen hinzuzufügen, die Correcturen beim Druck zu besorgen. Ich denke mir darunter einen jungen Philologen, der seine Studienzeit hinter sich hat und noch durch keine Anstellung gebunden ist, denn er müßte seinen Aufenthaltsort dort nehmen, wo gerade das Arbeitsfeld ist, wie gegenwärtig in Nürnberg, und er würde auch den größten Theil seiner Zeit diesen Arbeiten zu widmen haben. Haupterforderniß wäre außer der gründlichen Kenntniß der deutschen Sprache und Literatur, die er besitzen muß, daß ich mich auf seine Arbeitstreue und Gewissenhaftigkeit durchaus verlassen könnte.
Ein tüchtiger Philologe würde hier die beste Gelegenheit finden, seine Kenntnisse nützlich zu verwerthen und seinen Namen ehrenvoll bekannt zu machen. Er würde zugleich in eine sorgenfreie | Lage versetzt sein, indem ich ihm außer den nöthigen Reisegeldern eine für mäßige Ansprüche ausreichende Remuneration zusichern könnte.
Ich wende mich nun vertrauensvoll an Sie mit der Anfrage, ob Sie mir wohl einen solchen Gehülfen aus dem Kreise der Ihnen bekannten jüngeren Gelehrten, denen mit einem derartigen Rufe gedient wäre, nachweisen und empfehlen könnten? und mit der Bitte, dieser Angelegenheit, welche für unser Unternehmen von Wichtigkeit ist, Ihre gütige Fürsorge zuzuwenden. In meiner Nähe weiß ich Keinen zu finden, der für ganz zuverlässig gelten könnte und zugleich geneigt wäre, die Stelle zu übernehmen. Ich habe mich zuerst an Dr. Frommann gewendet mit der Anfrage, ob er sich etwa einzelnen Arbeiten unterziehen würde? er hat es jedoch abgelehnt, weil er außer seinen amtlichen Stunden, die er im Germanischen Museum zubringen muß, schon mit anderen Arbeiten überhäuft sei. Ich bin dann von anderer Seite her auf den jüngeren Bechstein in Meiningen aufmerksam gemacht geworden, habe aber | bei näherer Erkundigung kein günstiges Zeugniß hinsichtlich der Zuverlässigkeit seiner Arbeiten, worauf mir doch Alles ankommen muß, erhalten. Im Fall Sie mir keinen geeigneten Mann nachweisen könnten, bliebe mir nur übrig, mich auch an andere Autoritäten des Fachs zu wenden.
Denn haben muß ich einen sprachgelehrten Mitarbeiter, wenn die Herstellung der Texte zur Zufriedenheit nicht bloß der Historiker, sondern auch der Sprachforscher ausfallen soll.
Mit inniger Verehrung der Ihrige Carl Hegel.
1In dem hier vorliegenden Brief geht es um die Gewinnung von Mitarbeitern im Rahmen des von Karl Hegel (1813-1901) geleiteten Editions-Unternehmens der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jarhhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu Projektbeginn, zumeist speziell den Auftaktband der Gesamt-Reihe mit den Nürnberger Chroniken betreffend; vgl. zu diesem Chroniken der deutschen Städte, Bd. 1, Nürnberg, Bd. 1; zu Einführung in das Projekt und in den hier genannten Kontext vgl. Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 165, zur Mitarbeitergewinnung speziell S. 215 ff.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Grimm, JacobJacob Grimm
HiKo
11854225717851863Grimm, Jacob (1785–1863), Bruder Wilhelm Grimms (1786–1859), war Jurist, Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Von 1841 an wirkte er in Berlin und wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (StBPK), Berlin
NL Hegel 15, Fasz. IV, 3.
SBPK Berlin1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Grimm, Wilhelm11854226517861859Grimm, Wilhelm (1786–1859), Bruder Jacob Grimms (1785–1863), war Sprach- und Literaturwissenschaftler. Er war einer der „Göttinger Sieben“, die am 12. Dezember 1837 von der Universität Göttingen fristlos entlassen wurden. Wie sein Bruder wirkte er seit 1841 in Berlin und wurde ebenfalls Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Kern, TheodorTheodor Kern11614072018361873Kern, Theodor (1836–1873) wurde am 5. Mai 1836 in Bruneck in Tirol im Kaisertum Österreich geboren und starb am 18. November 1873 in Veytaux am Genfer See. Theodor Kern stammte aus einer österreichisch-badischen Handwerker- und Beamtenfamilie. Er besuchte das Gymnasium in Innsbruck und studierte seit 1853 zunächst Jura, später Geschichte und Philologie in Innsbruck, Göttingen, Heidelberg und München. Julius Ficker in Innsbruck, Georg Waitz in Göttingen, Ludwig Häusser in Heidelberg sowie Heinrich Sybel in München waren seine akademischen Lehrer. Das Staatsexamen für das Höhere Lehramt hatte er 1857 „mit glänzendem Erfolg“ absolviert. Promoviert worden war er als Schüler Ludwig Häussers im darauffolgenden Jahr 1858 in Heidelberg. 1863 habilitierte er sich über die „Chronik der Stadt Nürnberg vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert“ und wurde im selben Jahr Privatdozent. Er war seit 1859 erster wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl Hegels beim Editionsunternehmen „Die Chroniken der deutschen Städte“, für das er viele Forschungsreisen unternahm. Mit seiner sehr ordentlichen Arbeitsweise war Karl Hegel als Editionsleiter sehr zufrieden. Ab 1866 war Theodor Kern außerordentlicher, 1871 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er einen historischen Verein gründete und die „Zeitschrift für Geschichte des Breisgaus“ herausgab. Auch noch in dieser Zeit blieb er dem Editionsprojekt der „Chroniken der deutschen Städte“ als Mitarbeiter auf Honorarbasis verbunden. 1873 starb der sehr begabte junge Historiker an den Folgen einer schweren Erkrankung.
Frommann, Friedrich Johannes (Johann)Friedrich Johannes Frommannhttps://www.deutsche-biographie.de/sfz17797.html#ndbcontent10138812817971886Frommann, Friedrich Johannes (Johann) (1797–1886), war Verleger, Publizist,Verlagsbuchhändler und Schriftsteller.
Bechstein, Reinhold Ludwig Bernhard MatthäusReinhold Bechstein102236400618331894Bechstein, Reinhold Ludwig Bernhard Matthäus (1833–1894), war Germanist, Philologe und zunächst Extraordinarius an der Universität Jena (seit 1869), bevor er 1871 an die Universität nach Rostock wechselte. Er war erstgeborener Sohn des Schriftstellers, Archivar und Leiters der Meininger Herzoglichen Bibliothek Ludwig Bechstein (1801–1860), die der Sohn zunächst nach dessen Tod fortgeführt hatte, während er dort den erkrankten Vater zuvor schon unterstützt hatte.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Meiningen50.56761,10.4153029Etwa 60 Kilometer südlich von Eisenach und etwa 70 Kilometer nördlich von Schweinfurt gelegene Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Meiningen.
Hofrath, HofratFunktionstitel aus der Zeit des Heiligen Römischen Reiches, auch Amts- und Ehrentitel (z. B. im 19. Jahrhundert in bestimmten monarchischen Staaten).
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Nürnberger, NürnbergischZu Nürnberg gehörend, Nürnberg betreffend, Nürnberg bezeichnend etc.
Correctur, CorrecturenKorrektur bzw. Korrekturen im Rahmen einer historisch-kritischen Edition bzw. Korrekturen im Rahmen einer Drucklegung; auch: Korrekturen von Abiturprüfungen.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
Philolog/-eWissenschaftlicher, der sich unter literatur- und sprachwissenschaftlichen Aspekten mit klassischen und/oder modernen Sprachen befasst auch unter komparatistischen Prämissen und hier vornehmlich als entsprechender sprachgelehrter Mitarbeiter bei einem historischen Editionsunternehmen zu verstehen, worauf Karl Hegel (1813-1901) als Projektleiter der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften größten Wert legte.
Lit(t)eratur, Lit(t)eraturenLiteratur, Plural: Literaturen, im Verständnis des 19. Jahrhunderts Synonym und Oberbegriff für alle sprachlichen (mündlich oder schriftlich fixierten) Zeugnisse; im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts auch bereits verwendet als Synonym für „wissenschaftliche Fachliteratur“.
Reisegeld, ReisegelderReise- oder Fahrgeld bezeichnet ausgezahltes Geld von Seiten des Arbeitgebers für eine Dienstreise des Mitarbeiters, siehe auch: Reisekosten und Reisediäten.
Remuneration, RemunerationenZusätzliche Bezahlung, Gratifikation; hier auch im Sinne von Gegenleistung(en) und Vergütung(en) gebraucht im Sinne einer regelmäßigen Gehalts- bzw. Lohnzahlung.
Germanisches Nationalmuseum NürnbergIm Anschluß an die Frankfurter Germanistenversammlung von 1846 im Jahre 1852 gegründetes Museum zur Präsentation der mit dem Fach „Germanistik“ umrissenen Kulturgeschichte.