Es ist mir natürlich recht peinlich aus Ihrem Brief1 zu entnehmen, daß ich durch meinen an Sie gerichteten Ruf so störend in allen Betheiligten lieb gewordene Verhältnisse eingegriffen habe. Indeßen läßt sich dies einmal nicht ändern, und an Sie ist die Ihrem Herzen gewiß recht schwere Entscheidung gebracht, ob Sie in Ihrer bisherigen Stellung mit den daran geknüpften Aussichten ferner verbleiben oder den anderen Lebensweg einschlagen wollen, der Ihnen durch meinen Ruf eröffnet worden ist. Der eine von beiden Wegen, zwischen welchen Sie zu wählen haben, ist geebneter und sicherer vielleicht! , der andere ehrenvoller und höhere Ziele anbahnend2. Beide lassen sich nicht vereinigen, wie Sie wohl selbst schon eingesehen haben, und einen Mittelweg gibt es nicht. Der Mittelweg, den Sie bezeichnet haben, wäre eine Anwartschaft auf spätere Zeit, die ich nicht geben könnte, schon deshalb nicht, weil ich jetzt einen Anderen berufen müßte, der die Stelle, die ich Ihnen bestimmt habe, auf unbestimmte Zeit einnehmen würde. Ich brauche den Mitarbeiter jetzt, am liebsten sogleich; wenn es nicht anders sein kann, in möglichst kurzer Frist. Die Arbeit ist schon angehäuft und wir rücken nicht von der Stelle, wenn nicht die Texte von einem Sachverständigen uns festgestellt werden. Die Arbeit kann ferner nur in Nürnberg gemacht werden, wo das Handschriftenmaterial beisammen ist und wo man sich über die jedesmalige Aufgabe, wie über die leitenden Gesichtspunkte zu verständigen hat. Das ist selbstverständlich. Erwarten Sie aber auf der anderen Seite jegliche Rücksicht von mir, die sich ohne der Sache wesentlichen Nachtheil zuzufügen gewähren läßt. Ich begreife, daß Sie sich nicht plötzlich von der gräflichen Familie losreißen können, daß Sie die edelmüthige Gesinnung der Frau Gräfin mit jeder möglichen Gefälligkeit zu erwiedern haben, daß Sie für einen Nachfolger sorgen müssen usw. Außerdem wollen Sie Ihr Wörterbuch vollenden. So sei es denn; ich will die Arbeit, die Sie erwartet, noch hinhalten bis in die zweite Hälfte des Monats Mai und nur wünschen, nicht verlangen, daß Sie hierher kommen; dann aber ganz gewiß! Während dieser Zeit rechne ich aber noch auf Sie für ein vorläufiges Geschäft, welches Sie wohl nebenher, besonders wenn Ihr Wörterbuch vollendet ist, werden ausführen können. Die Handschriftenverzeichnisse der Wiener Hofbibliothek sind durch Jaffé (im Pertz’schen Archiv) für die Zwecke der Monumenta Germaniae Historica excerpirt worden: auffallender Weise finden sich hier keine Nürnberger Chroniken angemerkt, die doch selten, selbst in kleineren deutschen Bibliotheken, anderswo fehlen; ich kann mir nicht denken, daß es deren nicht eine Menge in den reichen Sammlungen von Wien geben sollte. Mein Wunsch und Ansuchen ist nun, daß Sie sich zunächst in der Kaiserlichen Hofbibliothek, wo Ihnen ja die Kataloge der Handschriften ohne Zweifel zugänglich sind, danach umsehen und mir darüber Bericht erstatten müßten. Besonders wichtig würden Handschriften aus dem 15. und aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sein, und von diesen müßten wir, wenn solche vorhanden, ein genaueres Verzeichniß haben, um zuerst zu sehen, was wir dann gebrauchen müssen. –
Indem ich nunmehr Ihrer bestimmten Zusage mit den besten Hoffnungen für Sie und unser Unternehmen3 entgegensehe und aufrichtig wünsche, daß es Ihnen gelingen möge auch Ihr Verhältniß zu der gräflichen Familie zu deren Zufriedenheit zu lösen, verbleibe ich hochachtungsvoll