Mit Poststempel: ERLANGEN XI 22 3 Halbkreisstempel.
Herrn M. Lexer / in / Wien / bei Herrn Grafen Hunyady / Jägerzeile no. 674.
Erlangen,
Sehr geehrter Herr!
Gern habe ich Ihre Aufzeichnungen1 über die von Ihnen eingesehenen Handschriften empfangen, aber mit Bedauern erfahren, welche Hindernisse für Ihre weiteren Nachforschungen in Betreff der Nürnberger und Augsburger Chroniken eingetreten sind. Es liegt mir jetzt vor Allem daran, diese zu beseitigen und ich lasse deshalb gleichzeitig mit diesem ein Schreiben an Herrn von Karajan abgehen2 mit dem Ersuchen, Ihnen die Durchsicht der Handschriftenkataloge gestatten zu wollen.
Sie begreifen, daß es für unser Unternehmen3 von größter Wichtigkeit ist, uns eine genügende Kenntniß des handschriftlichen Materials zu verschaffen, | welches bei der Herausgabe der Chroniken zu benutzen ist. Aus Wolfenbüttel, aus Weimar und von anderen Orten habe ich wichtige Handschriften hierher bekommen und ich hoffe einige andere selbst aus Pesth zu erhalten. Was in Wien vorhanden ist, wissen wir nicht einmal.
Nehmen Sie darum meinen Auftrag nicht leicht. So viel mir daran liegt, Sie bald bei uns zu sehen und so sehr Sie selbst den Tag Ihrer Abreise aus Wien herbei wünschen, so muß ich Sie doch dringend ersuchen, Wien nicht eher zu verlassen, als bis Sie sich meines Auftrags entledigt haben. Und wenn Ihnen dies nicht möglich ist, so lange Sie noch in Ihrem gegenwärtigen gebundenen Verhältniß sich befinden, aus welchem Sie erst zu Ende dieses Monats ausscheiden werden, so mögen Sie dieser Ihrer ersten Arbeit für unser Unternehmen die folgende Zeit, so weit es nothwendig ist, bestimmen.
Was ich wünsche, will ich noch einmal genau angeben: | eine kurze Beschreibung der Handschriften, welche Städtechoniken von Franken, Schwaben undBaiern betreffen, oder wenn dies zu viel wäre, was ich jedoch kaum glaube, hauptsächlich nur die Chroniken von Nürnberg, Augsburg undRegensburg und zwar vornehmlich die Chronikenhandschriften aus dem 14. bis Mitte des 16. Jahrhunderts; bei den späteren würde die Zeiten-Angabe des Zeitraums, welche sie umfassen, genügen.
Ihre Beschreibung der Constanzer Chronik ist weitläufiger als nöthig; wollen Sie in dieser Weise fortfahren, so würden Sie zu lange Zeit brauchen. Es genügt: Die No., das Format 4°, folio, ob Papier oder Pergament, tractat4 oder membrane5?
Die Zeitbestimmung des Jahrhunderts der Handschrift, saeculum XIV. XV etc., die Zeitangabe des Anfangs und Endes nach Jahreszahlen, die Anfangszeilen und die Schlußzeilen, um die Chronik in anderen Handschriften wieder erkennen zu lassen. Kürzere Angaben genügen, wie gesagt, für solche Chroniken, welche jedenfalls in der Mitte des 16 Jahrhunderts|liegen.
Es wird mir lieb sein, wenn Sie mir Ihre Beschreibung von den drei Nürnberger und den drei Augsburger Chroniken, die Sie sich angemerkt haben sogleich zu kommen lassen wollen. Zugleich erwarte ich Ihre gefällige Mittheilung über den Erfolg, welche meine Verwendung bei Herrn von Karajan gehabt hat, und wie sich die Sache weiter anläßt.
Hochachtungsvoll
der Ihrige Hegel.
1Bislang noch nicht aufgefunden. 2Vgl. dazu Brief 18600421_02. 3Dies bezieht sich auf die von Karl Hegel (1813-1901) für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgegebene Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“; vgl. dazu einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung S. 165 ff. 4Unsichere Lesart. 5Unsichere Lesart.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Lexer, MatthiasMatthias Lexer11905732818301892Lexer, Matthias (1830–1892), in Kärnten geborener Privat- und Gymnasiallehrer, Sprachwissenschaftler und Lexikograph, der 1861 wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl Hegels am Editionsunternehmen „Die Chroniken der deutschen Städte“ der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde und ihm auch nach seinem Ausscheiden verbunden blieb. 1863 wurde er außerordentlicher, 1866 ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Freiburg im Breisgau und war von 1868 bis 1890 Ordinarius an der Universität Würzburg. Im Jahre 1891 folgte er einem Ruf an die Universität München, verstarb aber ein Jahr später.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bayerische Staatsbibliothek (BSB), München
: Döllingeriana II.
BSB München1000
Karajan, Theodor GeorgTheodor Georg Karajan12140940618201873Der Historiker und Germanist Theodor Georg Karajan (1820–1873) wirkte seit 1841 an der Wiener Hofbibliothek, der heutigen Österreichischen Nationalbibliothek, und stand dieser zuletzt als „Erster Custos“ bis zu seinem Tod (mit Unterbrechung von 1850 bis 1854) vor; er war ordentliches Mitglied der ein Jahr zuvor gegründeten Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, von 1851 bis 1866 war er ihr Vizepräsident, 1866 bis 1869 ihr Präsident. Überdies war er seit 1853 korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, von 1859 an auch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
WolfenbüttelUngefähr 60 Kilometer südöstlich von Hannover, 12 Kilometer vom Zentrum Braunschweigs entfernte, zwischen Harz und Heide gelegene Stadt.
Weimar50.9810486,11.3296637Stadt an der Ilm, Haupt- und Residenzstadt des 1741 entstandenen und 1809 staatsrechtlich vereinigten Herzogtums, dann Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, circa 90 Kilometer südwestlich von Halle und etwa 25 Kilometer östlich von Erfurt gelegen.
Pest47.4942216,19.0529846Stadt etwa 250 Kilometer in südöstlicher Richtung von Wien entfernt auf der östlichen Seite der Donau, die im Jahre 1873 mit dem auf der westlichen Seite gelegenen Buda zur ungarischen Hauptstadt Budapest vereinigt wurde.
Wien48.2083537,16.3725042An der Donau gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Österreich.
FrankenIm Norden des Königreichs Bayern gelegene, aus den Regierungsbezirken Mittel-, Ober- und Unterfranken bestehende Landschaft mit den Hauptorten Ansbach, Bayreuth und Würzburg sowie der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg und der Bischofsstadt Bamberg.
Schwaben (Schwabenland)Landschaft im Südwesten Deutschlands, zwischen dem Bodensee im Süden und Hohenloher Land im Norden, dem Schwarzwald im Westen und dem Fluß Lech im Osten gelegen.
Bayern (Baiern)Das Königreich Bayern bestand von 1806 bis 1918.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Augsburg48.3668041,10.8986971Auf römische Zeit zurückgehende alte Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches und Bischofsstadt am Lech, etwa 65 Kilometer nordwestlich von München gelegen und seit 1806 zum Königreich Bayern gehörig.
Regensburg49.0195333,12.0974869An der Donau gelegene alte Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches, wo ab 1663 der Immerwährende Reichstag stattfand, sowie Residenz- und Bischofsstadt, etwa 200 Kilometer nordwestlich von Linz entfernt.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Chronikenhandschrift(en), Chroniken-Handschrift(en)Schriftliche historische Quellen, die „Chroniken“ beinhalten.
ConstanzerZu Konstanz gehörend, sich auf auf Konstanz beziehend, Konstanz zuzuordnen.
Quartformat (Quartant, Quarto, 4°, 4to, Qto, Viererformat)Das Quartformat ist ein altes Schreibheft- oder Buchformat, bei dem ein Papierbogen zweimal gefaltet und auf diese Weise in vier Blätter unterteilt wurde. Dieses Papierformat ergibt pro Bogen acht Seiten, da jedes Blatt zwei Seiten hat.
Folio/folioHistorisches deutsches Papierformat, oftmals mit „fol.“ abgekürzt.
PergamentNicht gegerbte und nur leicht bearbeitete Tierhaut als Vorläufer des Papiers bereits von Seiten der Hochkulturen des Alten Orients und des Mittelmeerraums verwendet; teilweise auch Bezeichnung für Pergamentpapier, einer Erfindung des 19. Jahrhunderts für ein Papier aus Zellstoff als sogenanntes „Echtpergament“.
TractatTraktat als seit dem 8. Jahrhundert n. Chr. im deutschsprachigen Raum nachgewiesene Literaturgattung (Mittelhochdeutsch: „tractat“) im Sinne einer weitgehend ungegliederten bzw. wenig gegliederten Abhandlung, deren formale Struktur bereits in der Antike Anwendung fand und welche zumeist zur Verdeutlichung didaktischer bzw. dogmatischer Zwecke angewendet wurde; daher auch gebräuchliche Bezeichnung für einen Text als historische Quelle, die kaum oder nicht untergliedert war.
MembraneAus dem Mittelhochdeutschen für (Schreib-)Pergament, auch im übertragenen Sinne für ein dünnes Trenn-Blättchen bzw. ein dünnes, feines Häutchen mit trennender, abgrenzender Funktion auch zu Gliederungszwecken; biologisch Membran als Trennhäutchen und physikalisch-chemisch für dünne Haut als Filterfunktion.
SaeculumAus dem Lateinischen für: Zeitalter, Menschenalter, Jahrhundert; im Mittelalter auch für „Welt“ stehend im Sinne von Weltlichkeit.
Nürnberger, NürnbergischZu Nürnberg gehörend, Nürnberg betreffend, Nürnberg bezeichnend etc.
AugsburgerZu Augsburg gehörend, Augsburg betreffend, auf Augsburg bezogen; in Augsburg lebender Mensch bzw. lebende Menschen.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis