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Karl Hegel an Matthias Lexer, Erlangen, 21. April 1860

Sehr geehrter Herr!

Gern habe ich Ihre Aufzeichnungen1 über die von Ihnen eingesehenen Handschriften empfangen, aber mit Bedauern erfahren, welche Hindernisse für Ihre weiteren Nachforschungen in Betreff der Nürnberger und Augsburger Chroniken eingetreten sind. Es liegt mir jetzt vor Allem daran, diese zu beseitigen und ich lasse deshalb gleichzeitig mit diesem ein Schreiben an Herrn von Karajan abgehen2 mit dem Ersuchen, Ihnen die Durchsicht der Handschriftenkataloge gestatten zu wollen.

Sie begreifen, daß es für unser Unternehmen3 von größter Wichtigkeit ist, uns eine genügende Kenntniß des handschriftlichen Materials zu verschaffen, welches bei der Herausgabe der Chroniken zu benutzen ist. Aus Wolfenbüttel, aus Weimar und von anderen Orten habe ich wichtige Handschriften hierher bekommen und ich hoffe einige andere selbst aus Pesth zu erhalten. Was in Wien vorhanden ist, wissen wir nicht einmal.

Nehmen Sie darum meinen Auftrag nicht leicht. So viel mir daran liegt, Sie bald bei uns zu sehen und so sehr Sie selbst den Tag Ihrer Abreise aus Wien herbei wünschen, so muß ich Sie doch dringend ersuchen, Wien nicht eher zu verlassen, als bis Sie sich meines Auftrags entledigt haben. Und wenn Ihnen dies nicht möglich ist, so lange Sie noch in Ihrem gegenwärtigen gebundenen Verhältniß sich befinden, aus welchem Sie erst zu Ende dieses Monats ausscheiden werden, so mögen Sie dieser Ihrer ersten Arbeit für unser Unternehmen die folgende Zeit, so weit es nothwendig ist, bestimmen.

Was ich wünsche, will ich noch einmal genau angeben: eine kurze Beschreibung der Handschriften, welche Städtechoniken von Franken, Schwaben und Baiern betreffen, oder wenn dies zu viel wäre, was ich jedoch kaum glaube, hauptsächlich nur die Chroniken von Nürnberg , Augsburg und Regensburg und zwar vornehmlich die Chronikenhandschriften aus dem 14. bis Mitte des 16. Jahrhunderts; bei den späteren würde die Zeiten-Angabe des Zeitraums, welche sie umfassen, genügen.

Ihre Beschreibung der Constanzer Chronik ist weitläufiger als nöthig; wollen Sie in dieser Weise fortfahren, so würden Sie zu lange Zeit brauchen. Es genügt: Die No., das Format , folio, ob Papier oder Pergament, tractat4 oder membrane5?

Die Zeitbestimmung des Jahrhunderts der Handschrift, saeculum XIV. XV etc., die Zeitangabe des Anfangs und Endes nach Jahreszahlen, die Anfangszeilen und die Schlußzeilen, um die Chronik in anderen Handschriften wieder erkennen zu lassen. Kürzere Angaben genügen, wie gesagt, für solche Chroniken, welche jedenfalls in der Mitte des 16 Jahrhunderts liegen.

Es wird mir lieb sein, wenn Sie mir Ihre Beschreibung von den drei Nürnberger und den drei Augsburger Chroniken, die Sie sich angemerkt haben sogleich zu kommen lassen wollen. Zugleich erwarte ich Ihre gefällige Mittheilung über den Erfolg, welche meine Verwendung bei Herrn von Karajan gehabt hat, und wie sich die Sache weiter anläßt.

Hochachtungsvoll
der Ihrige
Hegel.