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Karl Hegel an Theodor Georg Karajan, Erlangen, 21. April 1860

Hochzuverehrender Herr!

Die Wichtigkeit der Angelegenheit wird es entschuldigen, daß ich so frei bin mich mit einer ganz ergebensten Bitte an Ew. Hochwohlgeboren zu wenden.

Auf Veranlassung der von König Max von Bayern berufenen historischen Commission in München, der ich selbst angehöre, habe ich es übernommen, eine Sammlung deutscher Städtechroniken zu veranstalten und deren Herausgabe zu leiten.

Zunächst sollen die fränkischen, bayrischen und schwäbischen Stadtchroniken herausgegeben werden, und die von Nürnberg und Augsburg sind es, die uns gegenwärtig beschäftigen.1 Zu diesem Zweck ist es nothwendig, das überall zerstreute Material zusammen zu bringen und so weit möglich zu benutzen. Es ist zu vermuthen, daß wie in allen größeren Bibliotheken Deutschlands, so auch in der kaiserlichen Hofbibliothek zu Wien zahlreiche Handschriften von Nürnberger und Augsburger Chroniken vorhanden sind, und es ist wichtig, sie kennen zu lernen.

Nachdem ich nun kürzlich auf zuverlässige Empfehlung Herrn Matthias Lexer gegenwärtig Hofmeister bei Graf Hunyadi in Wien als Mitarbeiter angenommen habe, schien es mir eine erwünschte Gelegenheit ihm den Auftrag zu ertheilen, die in der kaiserlichen Hofbibliothek befindlichen Handschriften vornehmlich von Nürnberger und Augsburger Chroniken zu untersuchen. Damit sie jedoch untersucht werden können, muß man sie zuvor auffinden, was, da die in Pertzschem Archiv enthaltenen Verzeichnisse für unsern Zweck bei weitem nicht ausreichend sind, wieder nicht geschehen kann ohne sorgfältige Durchsicht der Handschriftenverzeichnisse.

Deshalb richte ich an Ew. Hochwohlgeboren die ganz ergebenste Bitte, Herrn Lexer solche Durchsicht gestatten zu wollen, oder wenn dies nur mit specieller höherer Erlaubniß geschehen kann, mir gefälligst den Weg bezeichnen zu wollen, den er oder ich für ihn einzuschlagen hätte, um dazu zu gelangen. Nöthigenfalls wäre eine diesseitige Beglaubigung durch das Secretariat der historischen Commission in München oder einer diplomatischen Empfehlung Seitens des königlichen bayerischen Ministeriums unschwer zu erreichen, doch hoffe ich durch Ihre Güte, solcher weitläufigen und zeitraubenden Umwege überhoben zu werden.

Herr Dr. Rößler, der sich um unsere Universitätsbibliothek und Kupferstichsammlung sehr verdient macht, trägt mir auf Ew. Hochwohlgeboren seine Grüße zu bringen, der ich in vorzüglicher Hochachtung die Ehre habe zu unterzeichnen als

Ew Hochwohlgeboren
ganz ergebenster
Professor D. Hegel
an der Universität Erlangen.