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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 20. Oktober 1860

Theurer Freund!

Ich hoffe, daß Sie wohlbehalten nach Hause gekommen sind. Unser letztes Zusammensein1 hat mich recht erfrischt, hat mir viele Anregungen gegeben und die angenehmsten Erinnerungen bei mir zurückgelassen. Für Vieles habe ich besonders Ihnen zu danken. – Gegenwärtig theile ich Ihnen einen neuen Probedruck von den Chroniken mit und erbitte mir Ihre Meinung hierüber. Ich gestehe, das große splendidere Format hat mir besser gefallen, doch da die Zweckmäßigkeit einmal für das Kleinere entschieden hat, so muß es dabei sein Bewenden haben. Nur scheint mir in dieser Probe der Raum doch etwas zu sehr ausgefüllt; ich wünsche den Rand zu beiden Seiten mindestens je um ein breiter und den Text um zwei 2 schmaler; auch könnte der letztere eben um eine Zeile tiefer anfangen und unten um so viel weiter heruntergehen. Doch wünsche ich Ihre Ansicht zu hören und bitte mir das Blatt wieder zurückzuschicken. – Auf Ihre Verfassungsgeschichte3, die noch beim Buchbinder ist, freue ich mich sehr. An den Forschungen habe ich großes Gefallen gefunden, sie führen weiter und regen an; auch den Aufsatz von Klopp4 möchte ich deshalb nicht darin missen.

Mit Döderlein habe ich vorläufig wegen der Geschichte der classischen Philologie5 gesprochen; er will sich die Sache überlegen. Leider ist seine Gesundheit durch immer wiederkehrende Magenkrämpfe angegriffen, so daß seine frühere Frische darunter gelitten hat.

Schellings6 geht es wohl.

Am 18. October7 war hier und noch mehr in Nürnberg, von wo die Anregung ausging, großer Lärm: Fackelzug mit Musik, patriotische Reden. Man sah zuerst wieder deutsche Farben neben den bayrischen. Doch war die Stimmung sehr getheilt, besonders weil man gewahr wurde, daß das deutsche Banner der Menge als Symbol nicht bloß der deutschen Einheit sondern auch eines Phantoms von Republik galt. Auch erschien die Demonstration gegen Frankreich hier weniger ernst gemeint als großsprecherisch und eitel. Unsere Regierung hat wenig Gefallen daran gefunden, doch hat sie sichs kaum merken lassen, denn man hat großen Respect vor der Volksmeinung und fürchtet nichts mehr als Unruhe und Mißstimmung. –

Meine Frau grüßt Sie freundlichst. Möge es Ihnen wohl gehen!

Freundschaftlichst
der Ihrige
Hegel.

P. S. Ich gratulire zum Jubiläumsdoctor juris.8