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Karl Hegel an N.N., Erlangen, 1861 [Datum n.e.]

1874 erhalten von Frau Professor Förster / zu Dresden

Hochverehrte Frau!

Durch Ihren liebevollen Gruß aus der Ferne, durch den warmen Ausdruck Ihres freundlichen Andenkens, welche Sie den Söhnen Ihnen nahe befreundeter Eltern durch so lange Jahre hin durch innig bewahrt haben, und durch das hinzugefügte Geschenk des herzlichen Denkmals der Liebe, welches das edle und reine Bild Ihres theuren Gemals so treu als wohlthuend wiedergiebt, haben Sie mich im hohen Grade überrascht, erfreut und zugleich auf tiefste gerührt. Empfangen Sie für so viel unverdiente Liebe meinen innigsten Dank.

Aus dem Buche hat sich mir recht lebendig vergegenwärtigt, auf welches reiche und hoch beglückte Leben Sie zurückblicken und ich kann mir wohl denken mit welchen Empfindungen Sie darauf zurückblicken, wenn ich jene Zeit, selbst abgesehen von dem persönlichen Verhältniß zu ihr, mit unserer so viel kälter und gemüthslehrer Gegenwart vergleiche. Denn das war bei mir der vorwiegende Eindruck während des Lesens: wie so ganz anders sind wir doch geworden in unserem persönlichen Verkehr, in Gefühlen und Interessen! es ist wie eine Kluft, welche die beiden letzten Menschenalter einander trennt, und es ist schwer sich von dem einen, in welchem man steht, noch in dem andern, aus dem man hergekommen ist, zurecht zu finden, denn sie liegen so weit ab von einander wie ungefähr die Politik von der Poёsie.

Von mir und von meinem Bruder wünschen Sie etwas zu hören. Wir sind keine jungen Männer mehr, wie Sie uns in Erinnerung haben von 25 und 29 Jahren her! Mein Bruder, wenn gleich der jüngere, Emanuel, hat sich 4 Jahre früher verheiratet als ich, mit der Tochter des preußischen Oberpräsidenten und Minister Flottwell und ist Geheimer Ober Regierungsrath in Berlin. Er ist innig beglückt in seiner Ehe und schöne Hoffnungen knüpfen sich für ihn an das Heranwachsen von einem Sohn und zwei Töchtern. Meine2 liebe Frau Susanna ist nun seit 11 Jahren mein und hat mich mit drei Töchtern und einem Sohn beschenkt: sie ist eine Nürnbergerin und eine Tucher, wie meine selige unvergeßliche Mutter war, und ist meine Cousine. Ich führte sie im Frühjahr 1850 nach Rostock, wo ich Professor der Geschichte war, und wir haben dort 6 schöne und glückliche Jahre erlebt. Als eine große Gunst des Himmels hatten wir die Versetzung hierher zu betrachten, die uns wieder so nah mit den lieben Verwandten in Nürnberg zusammen brachte. –

Den Überbringer Ihrer gütigen Sendung Georg Rietschel nennen Sie mit Recht einen trefflichen Jüngling: ich habe ihn bereits recht schätzen und lieben gelernt und er wird geliebt von mitstrebenden Freunden, die seiner werth sind, wie er ihrer. –

Mit der Bitte im Ihr ferners liebevolles Andenken
in
herzliche Ergebenheit
Carl Hegel.