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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 16. August 1861

Theurer Freund!2

Ihre Empfehlung von Dr. Cohn, wegen dessen mir bereits Kluckhohn geschrieben, ist mir sehr viel werth und meine bisherigen Bedenken sind dadurch größtentheils aufgehoben. Ich hatte gehört, er sei kränklich und es sei schwer mit ihm auszukommen. Ähnliches schrieben Sie mir früher und ich hatte mir deshalb vorgenommen meine Entschließung bis zu mündlicher Rücksprache mit Ihnen aufzuschieben. Natürlich liegt mir sehr viel daran, mit meinen Mitarbeitern im freundlichen Einvernehmen zu bleiben. Ich gewähre ihnen so viel Freiheit und Selbständigkeit als möglich und lasse ihnen gern die ganze Ehre ihrer Arbeit, aber das letzte und entscheidende Wort muß ich mir doch vorbehalten.

Ein anderes Bedenken, was besonders den Dr. Cohn angeht, ist dies, daß ich an ihn mehr als wie an einen jüngeren gebunden sein werde, wenn ich ihn einmal annehme. Er will die Privatdocentur aufgeben und kann sie nicht leicht wieder aufnehmen. Meine bisherigen Mitarbeiter hatten sie einst in Aussicht und betrachteten ihr gegenwärtiges Verhältniß nur als eine gute Vorbereitung und als Gelegenheit, sich bekannt zu machen. Hätte ich Ihnen aufkündigen müssen, so wäre dies für sie bei weitem nicht so hart gewesen, als es für Dr. Cohn sein würde, wenn unser Verhältniß getrennt werden sollte. Darum muß ich mit ihm doppelt sicher gehen. Auch werden Sie selbst sich sagen müssen, daß ich für jetzt überhaupt ein bindendes Versprechen nicht abgeben kann, da nicht vorauszusehen ist, wie die Dinge sich bei unserer nächsten Zusammenkunft3 gestalten werden, namentlich ob ich noch ferner über dieselben Mittel werde verfügen können. Doch hoffe ich, daß es der Fall sein wird. Wichtig ist mir auch zu wissen, ob Dr. Cohn selbst einiges Vermögen besitzt, oder ob ich ihn gleich so stellen müßte, daß die Remuneration für seinen ganzen Bedarf ausreichen soll, was mit 500 florin, die Weech hatte, nicht wohl möglich ist. Weech wird Anfang October ausscheiden, dann kommt die Sitzung, der neue Mitarbeiter könnte erst Ende October eintreten.

Will Dr. Cohn jedenfalls seine Privatdocentur aufgeben und zu uns kommen, so würde er es auf eigene Gefahr thun. Ich kann ihm, wie die Dinge jetzt stehen, noch keine bestimmte Hoffnung machen; noch weniger aber möchte ich sie ihm entziehen. Der Student Pemsel hat mir, später als Ihr Brief4, von Ihnen ganz seltsame Nachrichten überbracht: man hatte von Wattenbach ein unannehmbares politisches Bekenntniß verlangt, Ranke wolle sich für einige Jahre nach München übersiedeln, um die Arbeiten der Commission zu leiten. Steht es so, dann verdenke ich es Sybel nicht mehr, wenn er von der Commissionssitzung wegbleibt. Ich bin sehr gespannt, wie sich diese Verwirrung lösen wird. – Leider werde ich den ersten Band im Druck noch nicht fertig bringen. Nachdem ich die Erlaubnis erhalten habe, die Repertorien im Nürnberger Archiv einzusehen, fand sich noch ein unendlich reiches Material, welches mir bisher zum Theil absichtlich vorenthalten worden und einen theilweise Umarbeitung nothwendig machte. –

Ich bin im Umzug in mein neues Haus5 begriffen und freue mich außerordentlich darauf, Sie und Ihre Frau in nicht langer Zeit hier zu sehen. Die meinige, welche mich mit einem Töchterlein6 beschenkt hat, läßt Sie bestens grüßen. Herzliche Grüße an Thöls.7

Treulichst
der Ihrige
Hegel.