Ihre Empfehlung von Dr. Cohn, wegen dessen mir bereits Kluckhohn geschrieben, ist mir sehr viel werth und meine bisherigen Bedenken sind dadurch größtentheils aufgehoben. Ich hatte gehört, er sei kränklich und es sei schwer mit ihm auszukommen. Ähnliches schrieben Sie mir früher und ich hatte mir deshalb vorgenommen meine Entschließung bis zu mündlicher Rücksprache mit Ihnen aufzuschieben. Natürlich liegt mir sehr viel daran, mit meinen Mitarbeitern im freundlichen Einvernehmen zu bleiben. Ich gewähre ihnen so viel Freiheit und Selbständigkeit als möglich und lasse ihnen gern | die ganze Ehre ihrer Arbeit, aber das letzte und entscheidende Wort muß ich mir doch vorbehalten.
Ein anderes Bedenken, was besonders den Dr. Cohn angeht, ist dies, daß ich an ihn mehr als wie an einen jüngeren gebunden sein werde, wenn ich ihn einmal annehme. Er will die Privatdocentur aufgeben und kann sie nicht leicht wieder aufnehmen. Meine bisherigen Mitarbeiter hatten sie einst in Aussicht und betrachteten ihr gegenwärtiges Verhältniß nur als eine gute Vorbereitung und als Gelegenheit, sich bekannt zu machen. Hätte ich Ihnen aufkündigen müssen, so wäre dies für sie bei weitem nicht so hart gewesen, als es für Dr. Cohn sein würde, wenn unser Verhältniß getrennt werden sollte. Darum muß ich mit ihm doppelt sicher gehen. | Auch werden Sie selbst sich sagen müssen, daß ich für jetzt überhaupt ein bindendes Versprechen nicht abgeben kann, da nicht vorauszusehen ist, wie die Dinge sich bei unserer nächsten Zusammenkunft3 gestalten werden, namentlich ob ich noch ferner über dieselben Mittel werde verfügen können. Doch hoffe ich, daß es der Fall sein wird. Wichtig ist mir auch zu wissen, ob Dr. Cohn selbst einiges Vermögen besitzt, oder ob ich ihn gleich so stellen müßte, daß die Remuneration für seinen ganzen Bedarf ausreichen soll, was mit 500 florin, die Weech hatte, nicht wohl möglich ist. Weech wird Anfang October ausscheiden, dann kommt die Sitzung, der neue Mitarbeiter könnte erst Ende October eintreten.
Will Dr. Cohn jedenfalls seine Privatdocentur aufgeben und zu uns kommen, so würde er es auf eigene Gefahr thun. Ich kann ihm, wie die Dinge jetzt stehen, noch keine bestimmte Hoffnung machen; noch weniger aber möchte ich sie ihm entziehen. | Der StudentPemsel hat mir, später als Ihr Brief4, von Ihnen ganz seltsame Nachrichten überbracht: man hatte von Wattenbach ein unannehmbares politisches Bekenntniß verlangt, Ranke wolle sich für einige Jahre nach München übersiedeln, um die Arbeiten der Commission zu leiten. Steht es so, dann verdenke ich es Sybel nicht mehr, wenn er von der Commissionssitzung wegbleibt. Ich bin sehr gespannt, wie sich diese Verwirrung lösen wird. – Leider werde ich den ersten Band im Druck noch nicht fertig bringen. Nachdem ich die Erlaubnis erhalten habe, die Repertorien im NürnbergerArchiv einzusehen, fand sich noch ein unendlich reiches Material, welches mir bisher zum Theil absichtlich vorenthalten worden und einen theilweise Umarbeitung nothwendig machte. –
Ich bin im Umzug in mein neues Haus5 begriffen und freue mich außerordentlich darauf, Sie und Ihre Frau in nicht langer Zeit hier zu sehen. Die meinige, welche mich mit einem Töchterlein6 beschenkt hat, läßt Sie bestens grüßen. Herzliche Grüße an Thöls.7
Treulichst der Ihrige Hegel.
1Ort und Datum stehen auf letzter Briefseite, unten, linksbündig; innerhalb des Konvoluts ist der Brief in das Jahr 1862 eingeordnet, wohl vornehmlich deshalb, weil die Jahreszahl von Seiten des Verfassers undeutlich geschrieben wurde, so dass die entsprechende Stelle auch als zwei gedeutet werden könnte: von seinem Inhalt und dem gesamten Kontext her ist er allerdings auf das Jahr 1861 zu datieren. 2In dem hier vorliegenden Brief geht es vornehmlich um die Suche nach geeigneten Mitarbeitern für das umfangreiche Editionsprojekt der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, dessen Leitung Karl Hegel (1813-1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München innehatte und unter welcher zu seinen Lebzeiten 27 Bände erschienen; zu diesem Editions-Unternehmen einführend vgl. Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, besonders S. 165 ff.3Gemeint ist wohl die dritte Plenarversammlung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, welche vom 4. bis 8. Oktober 1861 stattfinden sollte; vgl. dazu Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, S. 12f.4Bislang noch nicht aufgefunden. 5Nach seiner Berufung nach Erlangen im Jahr 1856 lebte Karl Hegel (1813-1901) zunächst in einem Eckhaus in der Friedrichstraße, bevor er mit seiner Familie 1861 in das große Wohnhaus auf einem am Botanischen Garten angrenzenden Grundstück übersiedelte, welches er als Bauherr hatte neu errichten lassen; es lag damals an der Ecke „Lilien Gasse“/„Spital Straße“ unweit der „Irren Anstalt“ im Norden und dem „Siglizhöfer Thor“ im Osten. An dieser Stalle steht heute die Universitäts-Kinderklinik (Ecke Loschgestraße/Krankenhausstraße). Vgl. dazu auch Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 186, seine Memoiren: Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 173, sowie Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 189, Nr. VIII/20, und S. 190, Nr. VIII/21. 6Am 28. Juli 1861 wurde Sophie Luise Hegel (1861-1940) in Erlangen als fünftes Kind und vierte Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826-1878) geboren. Auch dies spricht für die Datierung des Briefes ins Jahr 1861. 7Dies bezieht sich auf den Juristen Heinrich Thöl (1807-1884) und seine Familie; zu seiner Genealogie vgl.: DB .
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bundesarchiv Berlin: Nachlaß Waitz, N 2321
.
BA Berlin1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Neuhaus
, Helmut: 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik, München 2008.
Neuhaus
, 150 Jahre Historische Kommission
2008
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel
, Karl: Leben und Erinnerungen. Mit einem Portrait in Heliogravüre, Leipzig 1900.
Hegel
, Leben und Erinnerungen
1900
Cohn, Ludwig AdolfLudwig Adolf Cohn
https://www.deutsche-biographie.de/sfz8568.html#adbcontent
11662970318341871Cohn, Ludwig Adolf (1834–1871), war Historiker und wirkte an der Universität Göttingen als Privatdozent der Geschichte; er verstarb jung an seinem chronischen Leiden.
Kluckhohn, AugustAugust Kluckhohn11623991318321893Kluckhohn, August (1832–1893), im östlichen Westfalen geborener Historiker, der sich nach seinem Studium an den Universitäten Heidelberg und Göttingen im Jahre 1858 in Heidelberg habilitierte. In München trat er in die Redaktion der Historischen Zeitschrift ein und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in verschiedenen Abteilungen. An der Universität München wurde er zunächst Privatdozent und 1865 außerordentlicher Professor, bevor er 1869 ordentlicher Professor an der dortigen Technischen Hochschule und 1883 an der Universität Göttingen wurde. 1871 wurde er außerordentliches, 1878 ordentliches Mitglied der Historischen Kommission.
Weech, Friedrich Friedrich Weech11720809418371905Weech, Friedrich (1837–1905), in München geborener Archivar, Bibliothekar und Historiker, der 1862 Privatdozent für Geschichte an der Universität Freiburg wurde, von 1864 bis 1868 Bibliothekar an der Großherzoglich-Badischen Hofbibliothek in Karlsruhe und von 1885 bis 1905 Direktor des Badischen Generallandesarchivs in Karlsruhe war. Er war Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) an der Edition der „Chroniken der deutschen Städte“ der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Pemsel, N. N.-um 1862 wirkendPemsel, N. N., war um 1862 wohl in Erlangen Student; eventuell handelt es sich um den aus dem fränkischen Naila stammenden und später in München wirkenden Juristen Hermann Pemsel (1841–1916).
Wattenbach, WilhelmWilhelm Wattenbach
HiKo
11715138618191897Wattenbach, Wilhelm (1819–1897), in Rantzau/Holstein geborener Historiker, der nach seinem Studium an den Universitäten Bonn, Göttingen und Berlin im Jahre 1843 zur 1819 gegründeten Monumenta Germaniae Historica (MGH) in Berlin kam. 1855 wurde er Archivar an der Universität Breslau, 1862 ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, 1873 an der Berliner Universität.
Ranke, LeopoldLeopold Ranke
HiKo
11859827917951886Ranke, Leopold (1795–1886), in Wiehe geborener deutscher Historiker, der von 1818 bis 1824 Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder war. Im Jahre 1824 wurde er außerordentlicher Professor, 1834 ordentlicher Professor für Geschichte an der Berliner Universität. Von 1858 an war er erster Präsident der von ihm initiierten Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Sybel, HeinrichHeinrich Sybel
HiKo
11862022318171895Sybel, Heinrich (1817–1895), in Düsseldorf geborener Historiker, Politiker und Archivar, der nach seinem Studium im Jahre 1838 an der Berliner Universität promoviert und 1840 an der Universität Bonn habilitiert wurde. Als ordentlicher Professor wirkte er an den Universitäten Marburg (1845–1856), München (1856–1861) und Bonn (1861–1875) und übernahm von 1875 bis 1895 als Direktor die Leitung der Preußischen Staatsarchive. Im Jahre 1858 gehörte er in München zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, gründete 1859 die Historische Zeitschrift und war von 1886 bis 1895 Präsident der Historischen Kommission in München. Im Jahre 1848 war er Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments, von 1874 bis1880 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Thöl, Johann HeinrichJohann Heinrich Thöl11875716418071884Thöl, Johann Heinrich (1807–1884), in Lübeck geborener Rechtswissenschaftler, der von 1826 bis 1829 an den Universitäten Leipzig und Heidelberg studierte, 1829 promoviert wurde und sich 1830 habilitierte. Von 1842 bis 1849 war er ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, dann bis zu seinem Tode an der Universität Göttingen. In den Jahren 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
PrivatdocenturStelle bzw. akademischer Lehrauftrag an einer Universität oder Hochschule als Privatdozent.
PlenarversammlungJährlich stattfindende Vollversammlung der Mitglieder der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München; von Karl Hegel (1813-1901) auch gebrauchter Begriff für die jeweiligen Jahresversammlungen der Zentraldirektion der MGH in Berlin.
Remuneration, RemunerationenZusätzliche Bezahlung, Gratifikation; hier auch im Sinne von Gegenleistung(en) und Vergütung(en) gebraucht im Sinne einer regelmäßigen Gehalts- bzw. Lohnzahlung.
CommissionssitzungJährlich stattfindende ordentliche Plenarversammlung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, früher in mehrere Sitzungen aufgeteilt.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
RepertoriumIm Archivwesen geläufiger Begriff für Findmittel und Findhilfen in Form von Verzeichnissen, Findbüchern (oft auch als Synonym für Repertorium verwendet), Karteien oder Spezialinventare als Ergebnisse der Erschließung und Verzeichnung von Archivalien (z. B. Handschriften), also Beständen eines Archivs, welche auch bestandsbezogen, bestandsübergreifend oder auch archivübergreifend sein können.
Nürnberger, NürnbergischZu Nürnberg gehörend, Nürnberg betreffend, Nürnberg bezeichnend etc.
Staatsarchiv NürnbergDas Staatsarchiv Nürnberg, wie es seit 1970 heißt (zuvor: 1806 Königlich Bayerisches Archiv; 1852 Archivkonservatorium, 1875 Kreisarchiv, 1921 Bayerisches Staatsarchiv) ist aus dem Archiv der Reichsstadt Nürnberg hervorgegangen, das 1806 an den bayerischen Staat fiel.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis