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Karl Hegel an Matthias Lexer, Erlangen, 18. Dezember 1861

Lieber Herr Doctor!1

Heute Nachmittag erhielt ich Ihren zweiten Brief aus München.2 Sie haben mich von Augsburg aus durch häufige Nachrichten so verwöhnt, daß mir schon bange wurde als ich mehrere Tage lang nichts von Ihnen hörte, es möchte Ihnen ein Unwohlsein zugestoßen sein.

Ich kann mir denken, wie die von Wien her erhaltene Nachricht Sie erschüttert haben wird! ich las sie schon vor einigen Tagen in der Zeitung und dachte dabei gleich an Sie; wahrscheinlich hat auch Ihr Zögling auf diesem Wege zuerst das Schreckliche erfahren, was man ihm auf schonende Weise mittheilen wollte. –

Nach dem, was Sie von Ihren Arbeiten berichten, erwarte ich Ihre Rückkehr jeden Falls vor oder zu Weihnachten, denn im Archiv werden Sie muthmaßlich nicht viel zu thun finden und der zweite Aufenthalt in Augsburg wird unter den gegebenen Umständen auch nur kurz sein können, wenn Sie ihn überhaupt für nöthig halten: Denn ich stelle dies natürlich ganz in Ihr Ermessen und kann mir denken, daß Sie selbst sehr wünschen werden, bald wieder in Ihre Häusliche Ruhe zu kommen.

Die Münchner Bibliothek scheint doch nicht sehr viel Ausbeute zu geben, wenn auch die Handschriften von Zeng und von dem Augsburger Anonymus für uns wichtig genug sind; den letzteren haben Sie wohl erst dort entdeckt. Das Archiv3 wird schwerlich mehr an Augsburger Chroniken enthalten, als es uns von Nürnbergischen gewährt hat – und werden Sie damit vermuthlich gleich zu Ende sein. Nebenbei bitte ich Sie, wenn es Ihnen noch möglich ist, in der Bibliothek nachzuforschen, ob sich dort vielleicht eine Handschrift: Chronicon Norocense4, cod. membr. in fol. S. XIV, 16 fol.5 findet – (oder auch im Archiv) – welche früher im Kloster zu Ebrach gewesen ist: sie könnte uns wichtig sein für den Nürnberger Anonymus und für den Meysterlin. Ferner ersuche ich Sie in der Bibliothek bei Herrn Director Halm sich zu erkundigen, ob meine Büchersendung gut angekommen ist und6 ob ich wohl die erbetenen Bücher (Schönwisner und Rupp über ungarisches Münzwesen) erhalten werde. Ich lasse mich Herrn Director Halm zugleich bestens empfehlen.

Zu Weihnachten komme ich mit meiner ganzen Familie auf einige Tage nach Nürnberg; vorher werde ich Kern noch zu Ende dieser Woche besuchen. Einen neuen Correcturbogen habe ich gestern erhalten. Zu Weizsäcker brauchen Sie nicht mehr hinzugehen, wenn es Sie nicht selbst zu ihm drängt: es wäre an ihm, Ihnen den Gegenbesuch zu machen. Treffen können Sie ihn außer Mittags und Abends nur in der Akademie, wo er sein Arbeitsareal in Reichstagssachen hat.7

Leben Sie wohl bis auf Wiedersehen!
Herzlichst
der Ihrige
Hegel.