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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 1862

Verehrtester Freund!2

Ich habe so lange nichts von Ihnen gehört, daß es mich freut die Veranlassung zu haben, Sie um eine Gefälligkeit zu bitten, welche mir zugleich einige Zeilen von Ihnen eintragen wird.

Ich habe mich an den Herrn Oberbibliothekar Professor Hoek mit der Bitte gewendet, mir mitzuhteilen, welche Handschriften von Chroniken süddeutscher Städte die Göttinger Bibliothek besitzt. Er war so gütig mir vor Kurzem das Verzeichniß dieser Handschriften zu übersenden.3 Hieraus lassen sich nun zwar die meisten dieser Chroniken nach Zeit und Umfang erkennen, wo der terminus ad quem in dem Titel mit angegeben ist: bei zwei Nürnberger Chroniken ist dies aber nicht der Fall, weil der Titel nichts weiter besagt als: „Chronica der Reichs Statt Nürnberg fol.“4 und auch eine dritte: „Eine kurze Cronica der Edlen und Kaysserlichen Reichsstatt Nürnberg zusammengeschrieben durch Val. Widemann“5 die uns unter dem Namen des Verfassers hier nicht bekannt ist, gibt den Endpunkt nicht an. Außer diesen sind nur noch verzeichnet: eine Compilatio Chron. Norinbergae ad anno 15536, sodann eine Nürnberger Chronik bis 1567 und eine desgleichen bis 1595.

Meine Bitte geht nun dahin, daß Sie die Güte haben möchten, jene drei Handschriften anzusehen und mir eine ganz kurze Beschreibung davon zu geben in Bezug auf den Zeitumfang und das Alter der Handschrift, um beurtheilen zu können, ob etwa für unsere gegenwärtigen Zwecke ein Gebrauch davon zu machen wäre. So zahlreich die späteren Chronikenhandschriften des 16. und 17. Jahrhunderts sind, so sehr fehlt es doch noch an solchen aus dem 15. Jahrhundert und wir sind nebenbei noch imme damit beschäftigt sie aufzusuchen.

Der Druck geht langsam voran, aufgehalten durch schwierigen Satz und 4 fache Correctur. Er ist bis zum 5. Bogen fortgeschritten. Neues werthvolles Material hat sich im Nürnberger Archiv vorgefunden, nachdem ich es endlich vor Kurzem erreicht habe, das Repertorium der historischen Manuscripte anzusehen, womit der Archivar Baader sehr geheimnisvoll That. Ohne solche Einsicht wäre uns Vieles entgangen, was er mir bis dahin vorenthalten hat.

Wie geht es mit den historischen Forschungen? – Auf meine Anfrage bei Lappenberg wegen Nürnberger Chroniken und auch wegen der Lübeckischen, die Ranke7 herausgeben sollte, habe ich keine Antwort erhalten. Liliencron war vor einiger Zeit bei mir auf dem Rückwege von einer Rundreise nach Schwaben und dem Rhein in Angelegenheit der Historischen Lieder; bis zum Herbst hofft er einen Band fertig zu liefern.8

Hoffentlich geht es Ihnen wohl; auch bei Ihrem Schwager Schelling geht es allen gut. Der neue College Marquardsen aus Heidelberg wird noch erwartet. In dem nächsten Heft der historischen Zeitschrift von Sybel werden Sie eine Anzeige von dem 3. Band der Verfassungsgeschichte finden, welche ich auf Sybels Wunsch in der Eile wenige Tage vor Thorschluß geschrieben habe9: ich wünsche, daß sie Ihnen nicht mißfallen mögen; einiges vielleicht zu weit ausgeführtes Lob ist der nothwendigen Kürze wegen gestrichen worden; aber auch so werden Sie meine gründliche Anerkennung Ihres Werkes durchfühlen.

Freundschaftlichst
der Ihrige
Hegel.

P. S. Meine Frau läßt Sie bestens grüßen.