Die Antwort, die ich von Dr. Cohn erhalten habe, zeigt mir, daß ihm die Zurücknahme meines früheren Antrags wehe gethan hat: ich bedaure dies herzlich.2 Doch kann er sich sicher darauf verlassen, daß nur in der Sache liegende Gründe mich entschieden haben. Wäre er sogleich auf meinen Antrag eingegangen, so hätte ich mich freilich verpflichtet gehalten, das Mögliche zu thun: unterdessen aber überzeugte ich mich mehr und mehr, daß die Bearbeitung des Meisterlin nur in Nürnberg ausgeführt werden könne, wo das Meiste schon vorbereitet liegt. Auch | wäre es mir fast leichter geworden, die Arbeit ganz selber zu machen, als einen völlig Fremden am andern Ort in diese und die Methode derselben, wie Dr. Cohn mit Recht von mir verlangte, durch briefliche Auseinandersetzung erst einzuführen und dann die Ausführung zu dirigiren. Ich sah voraus, daß ich Cohn auffordern mußte, entweder sogleich oder in kurzer Zeit nach Nürnberg überzusiedeln. Dies kann ich jedoch nicht eher thun, als bis ich im Stande bin ihm ein angemessenes Arbeitsfeld dort einzurichten. Bis jetzt ist dieses durch Kern occupirt, dem sich Cohn doch schwerlich würde unterordnen wollen: sollte ich Kern verlieren, was sich binnen Kurzem erst entscheiden wird, so würde ich zuerst an Cohn denken und er würde dann sehen, daß ich kein Vorurtheil mehr gegen seine Person hege: Doch möge dies vorerst unter uns bleiben, weil ich mich nicht jetzt | schon durch ein neues Versprechen zu binden wünsche.
Neben NürnbergerChroniken beabsichtige ich schon jetzt die Augsburger in Angriff zu nehmen. Für diese aber ist mir von Dr. Weizsäcker sein bisheriger Mitarbeiter Dr. Kerler aus Ulm bestens empfohlen worden: Da Weizsäcker im Frühjahr auf Reisen gehen will, kann er nicht länger zwei Mitarbeiter beschäftigen. Für Augsburg scheint nun Kerler mir ganz besonders qualifizirt, weil er Schwabe, mit Haßler verwandt und mit dem AugsburgerHerberger bekannt ist. Dem Augsburger Archiv könnte ich ohne Herbergers guten Willen gar nicht beikommen: er hat mir aber bisher den schlechtesten Willen bewiesen, weil er die Augsburger Dinge als seine Domäne betrachtet und sie für die Historische Commission ohne meine Leitung und Mitwirkung bearbeiten möchte, wozu ich ihm jedoch alle Befähigung absprechen muß. Ein Mann wie Cohn könnte dort gar nichts ausrichten. Aus diesem Grunde ist mir die Empfehlung des Dr. Kerler sehr erwünscht gekommen. Natürlich | werde ich ihn jedoch nicht gleich nach Augsburg schicken, sondern ihn erst einige Zeit in Nürnberg unter meine Leitung nehmen und ihn mit Kerns Hülfe für uns heranbilden. Da Sie Kerler von Ihrem Seminar her kennen, werde es mir erwünscht sein auch Ihr Urtheil über ihn zu erfahren und bitte ich Sie mir dies, wenn es sein kann, ohne Aufschub mitzuthielen, weil ich meine definitive Berufung an ihn nicht früher abgehen lassen will, als bis ich Ihre Ansicht über ihn kenne.
Der Druck des 1. Bandes3 hat seit einigen Wochen wieder begonnen und sind wir jetzt bis zum 11. Bogen vorgerückt; wegen der Hin- und Hersendung von zwei Correcturen bei jedem Bogen geht es ziemlich langsam vorwärts.
Bei Schellings4, wie auch in meinem Hause, geht es gottlob Allen wohl, hoffentlich so auch bei Ihnen. Meine Empfehlung an Ihre Frau Gemalin und meine freundschaftlichen Grüße an Thöl.
Herzlichst
der Ihrige Hegel.
1In dem hier vorliegenden Brief geht es vornehmlich um die Suche nach geeigneten Mitarbeitern für das umfangreiche Editionsprojekt der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, dessen Leitung Karl Hegel (1813-1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München innehatte; zu diesem Editions-Unternehmen einführend vgl. Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, besonders S. 165 ff.2Zu diesem Kontext vgl. die Briefe: 18600204_01, 18600221_01. 3Vgl. dazu: Die Chroniken der fränkischen Städte (= Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, [Bd. 1, Nürnberg, Bd. 1]), Leipzig 1862.4Familie des Juristen Paul Heinrich Joseph Schelling (1813-1889) in Erlangen; dieser war als Bruder von Clara Waitz, geb. Schelling (1818-1857), Schwager des Adressaten.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bundesarchiv Berlin: Nachlaß Waitz, N 2321
.
BA Berlin1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Cohn, Ludwig AdolfLudwig Adolf Cohn
https://www.deutsche-biographie.de/sfz8568.html#adbcontent
11662970318341871Cohn, Ludwig Adolf (1834–1871), war Historiker und wirkte an der Universität Göttingen als Privatdozent der Geschichte; er verstarb jung an seinem chronischen Leiden.
Meisterlin (auch: Meysterlin), Sigmund100308309um 1435nach 1497Meisterlin, Sigmund (um 1435–1497), auch: Münsterlin oder Musterlin, Benediktiner Priester und Chronist, der Chroniken von Augsburg und Nürnberg verfasste, die von Karl Hegel (1813–1901) im Rahmen seines Editionsunternehmens „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ herausgegeben wurden.
Kern, TheodorTheodor Kern11614072018361873Kern, Theodor (1836–1873) wurde am 5. Mai 1836 in Bruneck in Tirol im Kaisertum Österreich geboren und starb am 18. November 1873 in Veytaux am Genfer See. Theodor Kern stammte aus einer österreichisch-badischen Handwerker- und Beamtenfamilie. Er besuchte das Gymnasium in Innsbruck und studierte seit 1853 zunächst Jura, später Geschichte und Philologie in Innsbruck, Göttingen, Heidelberg und München. Julius Ficker in Innsbruck, Georg Waitz in Göttingen, Ludwig Häusser in Heidelberg sowie Heinrich Sybel in München waren seine akademischen Lehrer. Das Staatsexamen für das Höhere Lehramt hatte er 1857 „mit glänzendem Erfolg“ absolviert. Promoviert worden war er als Schüler Ludwig Häussers im darauffolgenden Jahr 1858 in Heidelberg. 1863 habilitierte er sich über die „Chronik der Stadt Nürnberg vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert“ und wurde im selben Jahr Privatdozent. Er war seit 1859 erster wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl Hegels beim Editionsunternehmen „Die Chroniken der deutschen Städte“, für das er viele Forschungsreisen unternahm. Mit seiner sehr ordentlichen Arbeitsweise war Karl Hegel als Editionsleiter sehr zufrieden. Ab 1866 war Theodor Kern außerordentlicher, 1871 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er einen historischen Verein gründete und die „Zeitschrift für Geschichte des Breisgaus“ herausgab. Auch noch in dieser Zeit blieb er dem Editionsprojekt der „Chroniken der deutschen Städte“ als Mitarbeiter auf Honorarbasis verbunden. 1873 starb der sehr begabte junge Historiker an den Folgen einer schweren Erkrankung.
Weizsäcker, Julius Friedrich LudwigJulius Weizsäcker
HiKo
11730804818281889Weizsäcker, Julius Friedrich Ludwig (1828–1889), in Öhringen geborener Historiker, der nach seinem Studium der evangelischen Theologie und seiner Habilitation im Fach „Geschichte“ an der Universität Tübingen im Jahre 1863 ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Erlangen wurde, 1867 in Tübingen, 1872 in Straßburg, 1876 in Göttingen und 1881 in Berlin. Von 1860 bis 1889 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Leiter der Abteilung „Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe“ der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, von 1862 bis 1870 deren außerordentliches, darnach deren ordentliches Mitglied.
Kerler, Dietrich
HiKo
11575220X18371907Kerler, Dietrich (1837–1907), Historiker und Bibliothekar, Oberbibliothekar der Universitätsbibliothek Würzburg, 1883 außerordentliches Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er war Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) bei seinem großen Editionsunternehmen der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ für die Historische Kommission.
Haßler, Konrad Dietrich10105658318031873Haßler, Konrad Dietrich (1803–1873), war Pädagoge, Theologe, Politiker und Denkmalpfleger, von 1826 bis 1865 Gymnasialprofessor, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung, 1858 erster württembergischer Landeskonservator für Denkmalpflege, 1867 erster Leiter der Staatssammlung für vaterländische Kunst und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg.
Herberger, TheodorTheodor Herberger11672820518111870Herberger, Theodor (1811–1870), Archivar in Augsburg.
Thöl, Johann HeinrichJohann Heinrich Thöl11875716418071884Thöl, Johann Heinrich (1807–1884), in Lübeck geborener Rechtswissenschaftler, der von 1826 bis 1829 an den Universitäten Leipzig und Heidelberg studierte, 1829 promoviert wurde und sich 1830 habilitierte. Von 1842 bis 1849 war er ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Rostock, dann bis zu seinem Tode an der Universität Göttingen. In den Jahren 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Ulm48.3974003,9.9934336Etwa 100 Kilometer nordöstlich von Friedrichshafen am Bodensee gelegene ehemalige Reichsstadt an der Donau, die vier Jahre nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 vom Königreich Bayern an das Königreich Württemberg kam.
Augsburg48.3668041,10.8986971Auf römische Zeit zurückgehende alte Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches und Bischofsstadt am Lech, etwa 65 Kilometer nordwestlich von München gelegen und seit 1806 zum Königreich Bayern gehörig.
Meisterlin’sche Chronik, Meysterlin’sche ChronikChroniken von Augsburg und Nürnberg des Benediktiners und Chronisten Sigmund Meisterlin (um 1435-1497), auch: Münsterlin oder Musterlin, die von Karl Hegel (1813-1901) im Rahmen seines Chroniken-Editionsunternehmens „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ herausgegeben wurden.
Nürnberger, NürnbergischZu Nürnberg gehörend, Nürnberg betreffend, Nürnberg bezeichnend etc.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
AugsburgerZu Augsburg gehörend, Augsburg betreffend, auf Augsburg bezogen; in Augsburg lebender Mensch bzw. lebende Menschen.
SchwabeAuf Schwaben bezogen, Schwaben zuzuordnen, zu Schwaben gehörend; auch ein Mensch, der aus Schwaben stammt oder dort lebt.
Stadtarchiv AugsburgArchiv der Stadt Augsburg, seit ca. dem 16. Jahrhundert bestehend mit bis ins 11. Jahrhundert zurückreichendem Archivgut.
Augsburger DingeForschungsgegenstände, vornehmlich historische, in Bezug auf die Stadt Augsburg.
DomäneSpezielles Fachgebiet, Spezialgebiet; Bereich, in welchem sich jemand besonders betätigt oder auskennt; auch: Staatsgut bzw. staatlicher Landbesitz.
Historisches Seminar (Universität Göttingen)Institutionalisierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Fach Geschichte zur Verbesserung der wissenschaftlichen Ausbildung der Studierenden durch kleinere, differenzierte Lehrveranstaltungen (Seminare, Übungen mit unterschiedlichen Lehr- und Lernmethoden), die im Gegensatz zu Vorlesungen eine verstärkte Interaktion zwischen Teilnehmenden und Lehrenden ermöglicht, an der Göttinger Universität, dessen Wurzeln im 18. Jahrhundert liegen, die institutionelle Verfestigung erfolgte im 19. Jahrhundert.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
Bogen (Papierbogen)Papierbogen mit einem vorgegebenen Maß (z. B. für die Drucklegung von Büchern).
Correctur, CorrecturenKorrektur bzw. Korrekturen im Rahmen einer historisch-kritischen Edition bzw. Korrekturen im Rahmen einer Drucklegung; auch: Korrekturen von Abiturprüfungen.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis