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Otto Jahn an Karl Hegel, Bonn, 13. April 1862

Sie wissen schon, lieber Hegel1, wenn ich Ihnen schreibe, so habe ich ein Anliegen. Diesmal betrifft es wenigstens mich nicht direct, sondern meinen Landsmann, Schüler und dereinstigen Neffen Dr. Petersen, der sich als Privatdocent für Philologie und Archäologie in Erlangen habilitiren will. Ich kann ihn trotz aller obigen Titel mit gutem Gewissen empfehlen, denn er ist ein lieber und tätiger Mensch, und ich möchte Sie um so mehr bitten sich seiner freundlich anzunehmen, weil er viel von der Schnödigkeit und Eigenartigkeit norddeutscher Naturen sah, die sich nicht leicht aufschließen und doch nach ihrem innersten Wesen berurtheilt sein wollen. Ich glaube kaum daß es ihm leicht werden wird in fremder Umgebung seinen Platz zu finden, obgleich er das Zeug hat ihn auszufüllen, und daher wünsche ich sehr ihm das soweit ich kann zu erleichtern. Nehmen Sie ihn freundlich und mit gutem Vorurtheil auf, ich habe ihm gesagt daß er sich mit allem Vertrauen an Sie wenden könne. Da er ganz fremd herkommt wird es ihm sehr wichtig sein, über dortige Verhältnisse orientirt und vor manchem falschen Schritt bewahrt zu werden, stehen Sie ihm darin bei. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie dankbar ich Ihnen für alles sein werde, was Sie ihm Freundliches erweisen, da ich ihn und seine Braut sehr lieb habe.

Mit herzlichem Gruß
Ihr
Otto Jahn