Nimm die beifolgende Literarische Gabe1 mit Freundlichkeit und Nachsicht auf. Ich erwarte keinen Dank; er würde mich tief beschämen, da ich Dir noch den Dank für mehr als das Zehnfache schulde. Ich erwarte aber auch kein Lob; denn Niemand weiß besser als ich, wie gering mein Verdienst bei dem Werke ist, welches zu übernehmen ich als eine Ehrensache betrachtete, weil Andere zu mir das Vertrauen hegten, daß ich es auszuführen im Stande sei.2 Während Du im hellen Tageslicht schaffst und der höchsten Aufgabe des Geschichtschreibens nachstrebst, arbeite ich nach meiner Art wie ein Maulwurf fort und werfe Erdhaufen auf. So einer ist dieser da, nichts weiter als geordneter Stoff für künftige Geschichtsschreibung.
Ich hoffe daß es Dir und Deiner lieben Victorie wohl geht, | und verlange danach Euch wiederzusehen. Ihr solltes uns doch einmal in Erlangen besuchen, wo ich nun auch mein eigenes selbst gebautes Haus, im Freien draußen, bewohne.3 Meine Familie zählt nun fünf Kinder, das jüngste, selbviert ein Mädchen, 1¼ Jahr alt.4 Gottlob sind sie alle gesund, wie meine Frau. Ich selbst bin mir schon zu alt und finde, daß meine Kräfte beständig hinter meinem Willen zurückbleiben. Doch das ist der Gang der Natur, dem man sich fügen muß, und man hat kein Recht zu verlangen, daß man zu den wenigen Auserwählten gehöre.
Herzliche Grüße an Deine liebe Frau.
Treulichst Dein Hegel.
1Die Chroniken der fränkischen Städte, Nürnberg, Bd. 1, bearb. von Karl Hegel und Theodor von Kern (= Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, Bd. 1), Leipzig 1862. 2Dies bezieht sich auf den Auftakt zu Karl Hegels (1813-1901) umfangreichem Editionsunternehmen der „Chroniken der deutschen Städte vom 14 bis ins 16 Jahrhundert“, welches er im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München übernommen hatte; in dieses Projekt einführend vgl. Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 165 ff.3Nach seiner Berufung nach Erlangen 1856 lebte Karl Hegel zunächst in einem Eckhaus in der Friedrichstraße, bevor er mit seiner Familie 1861 in das große Wohnhaus auf einem am Botanischen Garten angrenzenden Grundstück übersiedelte, welches er als Bauherr hatte neu errichten lassen; es lag damals an der Ecke „Lilien Gasse“/„Spital Straße“ unweit in der „Irren Anstalt“ im Norden und dem „Siglizhöfer Thor“ im Osten. An dieser Stalle steht heute die Universitäts-Kinderklinik (Ecke Loschgestraße/Krankenhausstraße). Vgl. dazu Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 186, seine Memoiren: Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 173, sowie Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert, S. 189, VIII/20, und S. 190, Nr. VIII/21. 4Zur Karl Hegels Familie vgl. auch die Genealogie: DB .
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel
, Karl: Leben und Erinnerungen. Mit einem Portrait in Heliogravüre, Leipzig 1900.
Hegel
, Leben und Erinnerungen
1900
Schelver, Victorie (Victoria), verh. GervinusVictorie Schelver, verh. Gervinus11659528018201893Schelver, Victorie (Victoria) (1820–1893), Gesang- und Klavierlehrerin, Musikwissenschaftlerin, Ehefrau von Georg Gottfried Gervinus jun. (1805–1871).
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
GeschichtsschreibenVerfassen geschichtlicher Darstellungen bzw. Überblickswerke, durchaus auch veröffentlicht unter der Prämisse der jeweiligen zeithistorischen Meinungsbildung.
GeschichtsschreibungGeschichtliche bzw. historische Darstellung, Abhandlung.
selbviertZu viert miteinander.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis