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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 4. Januar 1863

Verehrtester College und Freund!

Empfangen Sie vor allem meine herzlichen Glückwünsche zum Neuen Jahr, welches Ihnen und den Ihrigen recht viel Freude, inneren und äußeren Fortgang bringen möge! Von dem Fortgang meines Werkes zunächst wollte ich Ihnen berichten und mir wiederum Ihre Hülfe erbitten. Der Druck des zweiten Bandes hat jetzt nach einiger Verzögerung erst begonnen und ist bis zum dritten Bogen vorgerückt1; dabei hat es sich gezeigt, daß die von Weech ausgeführten Bearbeitungen uns noch viel zu thun übrig gelassen. Der Kriegsbericht von Schürstab ist nun an der Reihe. Ich wollte nun aber auch zur historischen Bearbeitung der Augsburger Chroniken übergehen, für welche Lexer in Herstellung der Texte schon bedeutend vorgearbeitet hat, und da fehlt mir der rechte Mann, da ich den Dr. Kerler, der zwar fleißig und gewissenhaft ist, aber einer beständigen Anleitung bedarf, nicht wohl dazu gebrauchen kann; denn die Arbeit kann nur in Augsburg mit Hülfe des dortigen Archivs gemacht werden und ich muß dem Mitarbeiter so weit vertrauen können, daß er nach dem bereits im 1. Bande2 gegebenen Mustern das Richtige zu finden und zu thun wissen werde. Ich glaube immer noch, daß Dr. Cohn der geeignete Mann sein würde und es ist natürlich, daß ich mich zuerst nach ihm erkundige, da ich ihm früher bereits meine Zusage gemacht habe, welche ich nicht erfüllen konnte. Dr. Cohn müßte also zum Zweck der historischen Bearbeitung der Augsburger Chroniken, von welchen schon zwei – eine die sich ganz nahe mit Ulman Stromer im großen Städtekrieg im 14. Jahrhundert berührt und die zweite von Zink aus dem 15. Jahrhundert – im Text so gut wie fertig vorliegen, sich nach Augsburg begeben, und dort auf längere Zeit, vorläufig etwa nur auf ein halbes Jahr, seinen Aufenthalt nehmen; doch könnte er zeitweise recht gut auch in München zubringen, um die dortige Bibliothek zu benutzen, da die gedruckten Hülfsmittel in Augsburg selbst nicht ausreichend vorhanden sein werden. Wegen des Honorars, welches wie bei den anderen ordentlichen Mitarbeitern ein ständiges sein würde (Lexer und Kern erhalten 700 florin des Jahres), hoffe ich mich mit ihm zu verständigen, wenn er überhaupt sich auf die Sache, vorläufig etwa nur auf ein halbes Jahr, einlassen will. Ich bitte Sie daher mit ihm deshalb zu reden und ihn zu veranlassen an mich zu schreiben, meine Wünsche auszusprechen. Ich thue dies nicht direct, weil ich gehört habe, daß er mit einer andern Arbeit beschäftigt sei und wahrscheinlich nicht davon abgehen werde. Sie werden das sicher wissen und in diesem Fall wollte ich Sie ferner fragen, ob Sie mir sonst Jemand vorschlagen könnten. In München und hier ist keiner. Giesebrecht hat mir früher einmal, aber nicht für den gegenwärtigen Zweck, den jungen Droysen genannt, welchen der Vater gern irgendwo unterbringen wünsche; aber nach dem, was ich von ihm gesehen und noch mehr von ihm gehört, glaube ich kaum, daß er sich für eine derartige Arbeit, wie die unsrige, recht eignen würde. Doch nehme ich mein Vorurtheil gern zurück, wenn Sie mich eines besseren belehren. Vielleicht aber können Sie mir noch einen Anderen vorschlagen. –

Ob die Böttiger’sche Stelle3 hier wieder besetzt werden würde, war weniger zweifelhaft als wie – ob durch einen Ordinarius oder einen Extraordinarius – da bei meiner Berufung hierher von dem König eine zweite historische Professur auf die Dauer begründet worden. Das Bedürfnis für die alte Geschichte zu sorgen kam dabei am meisten in Betracht und Sie wissen, wie schwer es ist, dafür Historiker zu finden. Unerwartet wird uns nun von dem Ministerium aus oder eigentlich vom König selbst – Thomas vorgeschlagen, der eben einen Ruf als Philolog nach Basel erhalten hat; um so unerwarteter als, wie Sie wissen, der König bisher dem Vorgeschlagenen sehr ungnädig gesinnt war und ihn überall zurückgewiesen hat. Trotz aller Bedenken, die man gegen Thomas als Historiker haben kann, da er auf dem Gebiet der alten Geschichte eigentlich nichts geleistet hat und sonst auch nichts als Venezianische Urkunden und angebliche Petrarka Sonette herausgegeben hat – so wird man doch wahrscheinlich auf die Berufung eingehen. Beschlossen ist noch nichts, darum bitte ich auch noch nicht davon zu reden. Als Mensch und Charakter wäre mir Thomas nur angenehm.

Von Giesebrecht habe ich gute Nachrichten; er ist sehr zufrieden mit seinem Erfolg an der Universität und erhält als Secretär der historischen Commission den Fortgang ihrer Geschichte4 in besserer Ordnung, als dies bisher der Fall gewesen. Die Mittheilung der Protokolle des Localausschusses ist gewiß sehr erwünscht. – Möge es Ihnen wohl ergehen. Freundliche Grüße an Thöl und Frau.

Treulichst
der Ihrige
C. Hegel