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Karl Hegel an Georg Martin Thomas, Erlangen, 6. Januar 1863

Sehr geehrter Herr College!

Nachdem Facultät und Senat Ihre Berufung zur historischen Professur an Stelle des verstorbenen Hofrath Böttiger mit dem gleichen Gehalt, welches dieser bezogen hat - 1500 florin, und der besonderen Verpflichtung über Alte Geschichte zu lesen - wobei Ihnen natürlich unbenommen bleibt außerdem philologische und historische Vorlesungen jeder Art zu halten - begutachtet haben, beeile ich mich Ihnen persönlich meinen Glückwunsch zu diesem erfreulichen Ausgang unserer ungewöhnlich beschleunigten Berathungen darzubringen und Sie meiner aufrichtigen Theilnahme an der so günstigen Wendung Ihrer bisherigen vielfach peinlichen Lage zu versichern. An Ihnen ist es nunmehr die Wahl zwischen dem zweifachen Ruf, der eines Theils schon an Sie ergangen ist, anderen Theils aber ohne Zweifel demnächst an Sie ergehen wird, zu treffen. Und ich denke nicht, daß sie für Sie besonders schwierig sein wird; ich bin überzeugt, daß Sie dem Ruf zu uns in Ihre eigentliche Heimat1 den Vorzug geben werden, wenn Sie neben einander halten, nicht die Summe des Gehalts, aber die Wirksamkeit, welche Ihnen hier und dort geboten wird. In dieser Hoffnung begrüße ich Sie zum voraus mit herzlichem Willkommen als meinen künftigen Specialcollegen, und wenn ich mir von Ihrer Mitwirkung und Unterstützung bei gemeinsamem Streben zu demselben hohen Ziel eine wesentliche Förderung verspreche, so dürften Sie auch auf meiner Seite auf jedes collegialische Entgegenkommen mit Sicherheit rechnen. Darum ersuche ich Sie gleich jetzt, im Fall Sie nicht schon Ihnen näher liegende und ältere Beziehungen hier haben, sich nur überall an mich zu wenden, wo es des Raths oder der Hilfe für Sie bedarf. Vor allem aber erwarte ich mit Spannung Ihre Entschließung, welche wohl nicht lange auf sich warten lassen wird, denn Sie sind zur Entschließung gedrängt. Der Senatsbeschluß, welcher Ihre Berufung beantragt, wurde gestern Abend erst gefaßt, der Bericht des Prorectors aber noch in der Nacht abgesendet. Bis Sie diesen meinen Brief erhalten, werden Sie sich vielleicht schon entschieden haben. Möge die Entscheidung günstig für uns ausfallen!2

Mit aufrichtiger Ergebenheit
der Ihrige
C. Hegel.