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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 23. April 1863

Verehrtester Freund!

Freilich war mir Dr. Usinger’s Verhinderung ein recht unangenehmer Strich durch meine Rechnung, nachdem alles zu seinem Empfang hier und in Augsburg vorbereitet war. Doch muß ich ihn selbst am meisten dabei bedauern und bin ich weit entfernt, ihm oder gar Ihnen irgend eine Schuld beizumessen. Ich habe ihm sogleich nach Empfang seines Briefs1 geschrieben, daß ich mit der Frist bis Pfingsten2 einverstanden sein und die Hoffnung nicht aufgeben wolle, daß er denn im Stande sein werde, die ihm zugedachte Arbeit zu übernehmen. Wenn er in der Pfingstwoche hier ankäme würde es mir auch möglich sein ihn nach Augsburg zu begleiten, doch ist dies nicht gerade nothwendig.

An Weizsäcker ist die Berufung hierher noch nicht ergangen, weil die entscheidende Senatssitzung durch zufällige Umstände und jetzt noch durch die Osterferien verzögert wurde. Mein Vorschlag war von Anfang an nur auf ihn gerichtet, nachdem er sich gegen mich bereit erklärt hatte, die Alte Geschichte, auf deren Vertretung er bei der Besetzung der Stelle hauptsächlich ankommt, zu übernehmen.

Herzberg3 soll als Docent wenig sein, wie ich von früher her, als ich ihn in Rostock vorschlug, wußte und wie neue Erkundigungen jetzt wiederum bestätigt haben. Zu Weizsäcker habe ich das volle Vertrauen, daß was er einmal übernimmt, auch gründlich und gewissenhaft von ihm ausgeführt werden wird; und seine ganze Persönlichkeit, wie wir sie in unserer Commission kennen gelernt haben, hat mir sehr zugesagt. So hielt ich es für überflüssig noch weitere Erkundigungen einzuziehen, da ich das Terrain des jüngeren Nachwuchses hinlänglich übersehe, um zu wissen, was sich sonst noch etwa finden ließe. Doch habe ich natürlich die Collegen meiner Facultät, die der Sache am nächsten stehen, nicht hindern wollen und können, dies auf ihre Hand zu thun, wie es z. B. von Raumer4 bei Curtius und Anderen geschehen ist. Denn wenn sich ein tüchtiger jüngerer Philologe gefunden hätte, der sich vorzugsweise auf die Alte Geschichte geworfen, so würde man diesem wahrscheinlich den Vorzug gegeben haben, weil ein zweiter bloßer Historiker an unserer Universität einigen 20 Philologen die hier studiren anerkannter Maßen mindestens ein halber Luxusartikel ist und sicher nicht gerufen würde, wenn die zweite Professur nicht als eine stehende dotirt wäre. – Was Weizsäcker’s Verhältniß zu den Reichstags-Acten angeht, so scheint er mir darüber, daß er sich von Anfang an nur bis zur Vollendung des 1. Bandes dabei zu bleiben verpflichtet hätte und bis zum Herbst damit (doch nicht mit dem Druck) fertig sein wolle.5 Natürlich wird er als hiesiger Professor mit einem ihm selbst noch weniger geläufigen Theil der Geschichte für die Vorlesungen beschäftigt, in Zukunft wenig für die Reichstags-Acten thun können und wird ohne Zweifel an die Wiederbesetzung seiner Stelle gedacht werden müssen. Denn er war in dieser nicht bloß Leiter, sondern auch der eigentliche und einzige selbständige Arbeiter.

Wegeles Weggang von Würzburg, der aller Wahrscheinlichkeit nach bevorsteht, doch der noch nicht definitiv ist, weil die Berufung nach Freiburg noch nicht zum Abschluß gekommen, kann Niemand mehr bedauern, als ich. Was ihn bestimmt sind allerdings die unleidlichen collegialen Verhältnisse, die ihn auf die Dauer doch mehr afficirt haben, als ich erwartete, dann aber auch besonders der Wunsch seine kränkliche Frau in ein besseres Klima zu bringen als das Würzburger namentlich im Sommer ist. Am liebsten ginge er an eine protestantische Universität, da das aber nicht sein kann, zieht er Freiburg vor, dessen politische Stimmung wenigstens ihm mehr zusagen wird als die bayrisch großdeutsche in Würzburg. – Ich hoffe doch nicht, daß er künftig unsrer Commission fehlen wird; auch wird er seine fränkische Geschichte gewiß nicht aufgeben, das Material für den 1. Band mag er wohl beisammen haben.6

Es freut mich, daß die Forschungen ungestört fortschreiten. Von den Nürnberger Chroniken Band 27 sind 14 Bogen gedruckt. Weech’s Arbeiten, welche für diesen Band vorbehalten waren, machen eine durchgängige Revision und eine theilweise gänzliche Umarbeitung nothwendig, wodurch der Fortgang sehr aufgehalten ist, da Kern ganz allein damit beschäftigt ist.

Den zweiten historischen Mitarbeiter, an dessen Stelle Usinger eintreten sollte, Dr. Kerler habe ich als Bibliotheks-Secretär hierher nach Erlangen gebracht, wo er sehr nützlich sein wird. Mit seinen Arbeiten war ich, was Genauigkeit und Gründlichkeit anbetrifft, sehr zufrieden. Von Hofrath Rößler in Sigmaringen weiß ich nichts und wünsche von Herzen, daß er es dort nicht so bunt mache, wie hier. Den Gruß an Ihren Schwager habe ich gestern bestellt, wo wir uns im Walde trafen und als Gegner in dem hitzigen Wahlkampfe, der vorgestern hier stattgefunden hat, salutirten; er hat großdeutsch gestimmt, ich, wenigstens handelspolitisch, kleindeutsch: und meine Partei hat hier wie in Nürnberg und Augsburg (trotz der Allgemeinen) glänzend gesiegt. Das haben die Gegner und auch unsre Regirung nicht erwartet! mit dem Handelsvertrag und Zollverein sollen sie doch nicht so bald fertig werden! Die hiesige Fortschrittspartei will den Theologen Hofmann als Abgeordneten aufstellen; das ärgert seine großdeutschen Collegen über die Maßen. Doch hoffe ich wird unser schönes collegiales Verhätniß nicht unter diesem außerhalb der Universität gelegenen Zwiespalt leiden.

Meine Frau erwiedert freundlichst Ihren und Ihrer Frau Gemalin Gruß.
Herzlichst der Ihrige
Carl Hegel.