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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, [Erlangen], 28./29. Mai 1863

ohne Anrede

Weiß ich auch nicht, mein Geliebter, ob ich Dir diesen Brief noch zusenden kann, da ich ja bis jetzt noch unsicher bin, wo Dich meine Liebe suchen soll, so möchte ich doch diesen Tag nicht schließen, ohne Dir meine wärmsten Liebesgrüße und meinen Herzens Dank auszusprechen für alle Liebe und Treue, Nachsicht und Geduld, in diesen dreizehn schönen, reichen, gesegneten Jahren, die uns der liebe Gott miteinander verleben ließ.1 Möge Er uns noch lange bei- und füreinander erhalten, dann verspreche ich Dir auch, mein Liebster, daß Du wieder eine tüchtigere, bessere und liebenswürdigere Gefährtin an mir haben sollst, als ich es in der letzten Zeit war. Der treue Gott helfe gnädig über die nahe schwere Stunde weg2, dann wollen wir vereint von ganzem Herzen Ihm danken und Ihn lieben und Ihm dienen besser als bisher.

Mir geht es so ziemlich, nur bin ich müde, ach so müde, daß ich mich von Tag zu Tag mehr sehne nach der Zeit des gründlichen Ausruhens; die Kinder sind wieder wohler, Mariechen hustet wenig und ist frischer, Sophiechen hat nur noch Schnupfen ohne Fieber und Husten, doch hielt ich die Beiden heute noch im Zimmer trotz des herrlichen Wetters, für das ich derentwegen recht dankbar bin. Es muß wunderschön in Streitberg und Muggendorf sein und Ihr findet ja so nette Gesellschaft, daß ich mir denken kann, wie heiter und erfrischt mein lieber Mann sein wird. Morgen erwarte ich Nachricht von Dir, vielleicht war mir heute schon ein Briefchen zugedacht, doch nein, das ist kaum möglich. Die Kinder sprechen viel von Papa, besonders Sophiechen, die immer glaubt, Dich klingeln zu hören und dann hinauf will3; die Großen wünschen auch sehr daß der liebe Papa bald wieder kommen möchte und spekulieren auf Kirchweih-Besuch und Affentheater, in welcher Beziehung mit der Mama so gar Nichts zu machen ist, vielleicht schicke ich sie morgen nochmals hinaus, wenn ich eines der Leute bei der Wäsche entbehren kann. Es ist ein unermüdliches Treiben und Strömen dieß Jahr, wahrscheinlich durch die ersten ungünstigen Tage und die Kinder sind angesteckt davon. Doch nun, gute Nacht, mein Liebster, schlafe wohl, träume süß, denke an mich, und behalte mich lieb.

den 29 ten. Tausend Dank für Deinen lieben herzigen Brief, den mir Schmid heute Morgen zuschickte4 und für alles Liebe und Gute, das Du mir darin aussprichst. Es freut mich so für Dich, daß Dein Aufenthalt in Muggendorf so in jeder Weise befriedigend sich gestaltet, denn wenn auch der größere Theil der Gesellschaft gerade nicht die Leute sind, die wir uns wählen würden, so sind sie doch gerade an einem Ort und zur Erheiterung und leichten Anregung recht angenehm, und zum ernsten, eingehendern Verkehr hast Du ja Heider, der wohl so lange bleibt als Du, bis morgen Abend wie mir Schmid sagen ließ. Frau Heider war vorgestern Nachmittag bei mir und plauderte viel und lange, schien mir aber wieder ganz wohl. Im Hause steht es gut, die Kinder sind fast wieder ganz wohl und heute, da es ja windstill und warm ist, habe ich den Garten-Verkehr wieder frei gegeben.

Leb wohl, mein Liebster, Bester, möge es Dir gut gehen und Du aber doch auch gerne wieder zu uns zurückkehren.

Ich umarme Dich und küsse Dich im Geiste. Die Kinder grüßen herzlich.

In unveränderlicher Liebe

Deine Susanna.