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Karl Hegel an Ferdinand Frensdorff, Erlangen, 6. August 1863

Geehrter Herr Doctor!1

Unsere beiden letzten Briefe2 haben sich gekreuzt, doch habe ich mir die Antwort auf meine Frage im Ganzen aus Ihrem Briefe entnehmen können.

Ich habe nämlich daraus ersehen, daß Sie einstweilen noch Stoff genug haben, um Sie zu beschäftigen. Sehr erfreulich sind auch Ihre Funde in der Stadtbibliothek; die 16 Blätter, welche sich auf die Ausrüstung der Augsburger 1362-65 beziehen, werden Sie jedenfalls abschreiben. Wegen der Überarbeitung der Chronik aus Kaiser Sigmunds Zeit werde ich mit Kern sprechen. Der richtige Name des Augsburger Chronisten ist, wie Herberger auf Lexers Anfrage mitgeheilt hat, nicht Wahrens, sondern Wahraus.

Herberger können Sie sagen, daß ich ihm wiederholt angeboten habe u[nd] mich auch jetzt noch dazu erbiete von seinen Vorarbeiten für meine Chronikenedition Gebrauch zu machen, so weit u[nd] insofern sie dazu angethan sind, daß ich sie anständig honoriren werde u[nd] ihm die Ehre der Autorschaft in aller Weise unverkürzt lassen werde. Zieht er es dennoch vor seine Sachen selbständig zu ediren, so wird er wenigstens nicht sagen können, daß ich sie zurückgewiesen habe; denn er hat mich niemals etwas von seinen Arbeiten sehen lassen, Übrigens besorge ich, daß wenn er uns seine Vorarbeiten wirklich überlassen will, wir noch viel Mühe u[nd] Arbeit damit haben werden, denn sie werden in wissenschaftlicher Beziehung schwerlich genügen, u[nd] es mag in diesem Betracht besser sein, wenn er sich selber mit seiner Unkenntniß vor dem Publicum bloßstellt, was für uns die beste Rechtfertigung, ihn nicht zugegen zu haben, sein würde.3

Wann ich selbst nach Augsburg kommen kann, weiß ich nicht. Meine Kinder sind immer noch recht krank u[nd] ich selbst bedarf dringend einer Erholung.4 Ich möchte deshalb schon jetzt über den künftigen Fortgang der Hist[orischen] Bearbeitung der Augsb[urger] Chroniken mit Ihnen mich verständigen. Wie lange Sie Ihre Arbeiten in Augsburg fortsetzen wollen, haben Sie mir noch nicht ausdrücklich gesagt; ich habe angenommen bis Ende September, so daß ich Sie auf meiner Reise zur Commissionssitzung in München5 noch dort treffen werde, Sie werden Selbst am besten übersehen, wie weit Sie mit Ihren Vorarbeiten bis dahin kommen können; vielleicht kommen Sie mit diesen wenigstens für die erste Zeit des Anonymus zum Abschluß u[nd] können im Winter in Göttingen an die Ausarbeitung gehen. Schwerlich werden Sie noch ein anderes Semester in Augsburg zubringen u[nd] in Göttingen verlieren wollen. Ich muß aber den ununterbrochenen Fortgang der Arbeiten in Augsburg wünschen u[nd] bin deshalb geneigt noch einen andern historischen Mitarbeiter hinzuzuziehen, am liebsten natürlich einen solchen mit dem Sie so weit thunlich zusammen arbeiten können. Ich denke an Dr. Cohn. Er wird so viel ich weiß im Herbst frei u[nd] könnte dann Ihre Stelle in Augsburg ersetzen u[nd] Ihre Arbeiten, da wo Sie sie abbrechen mußten fortsetzen. Ihm selbst hatte ich darüber noch nicht geschrieben, weil ich erst Ihre Meinung u[nd] Ihre Absichten vernehmen wollte. Ich bitte Sie mich sogleich in Kenntniß zu setzen, weil die Schritte, die ich möglicher Weise thun muß, keinen Aufschub erleiden u[nd] weil ich Anfang nächster Woche abreisen zu können hoffe; ich möchte daher Ihre Antwort bis Sonntag6 haben! –

Die Karten, die Sie vom Wörl’schen Atlas noch brauchen, können Sie durch den Buchhändler beziehen u[nd] mir in Rechnung stellen; sie sind nicht theuer. Leben Sie wohl.

Hochachtungsvollst
der Ihrige
Carl Hegel