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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 14. August 1863

Liebster Herzensmanni!

Nun weiß ich Dich in Deinem schönen Berchtesgaden und freue mich dessen von Herzen, verlange aber nicht nach Nachricht, wie es Dir geht, wie Du unsre Lieben in Reichenhall getroffen und ob Du schon angenehme Gesellschaft gefunden hast u. s. w. Bei uns geht es Gottlob in der Hauptsache gut, die Kinder schreiten in der Genesung fort, wenn auch bei Jedem noch Etwas zu wünschen bleibt. Anna klagt immer noch oft über Leibschmerzen, besonders bei allen Verrichtungen, gestern hat sie wieder Ricinus Öl bekommen, doch ist sie heute, trotzdem es drei Mal gewirkt hat, ganz frisch und nicht angegriffen. Luischen hat immer noch wenig Appetit, so daß es aller Überredungsgabe der Frau Reiß bedarf, sie zum Essen zu bringen. Sie muß aber, wenn es auch oft Thränen gibt. Mariechen hustet noch, aber nicht mehr so viel und ist außerdem die Kräftigste und Frischeste. Am schlimmsten steht es bei unserm armen Jungen dessen Geschwür an der Lippe noch nicht offen und sehr schmerzhaft ist, die Spannung nimmt natürlich immer mehr zu und jede Bewegung sei es beim Sprechen oder Essen macht ihm Schmerzen. Es wird nun Pflaster übergelegt, aber es hält schwer, und Du weißt ja, wie ungebändig er sich stellt, wenn Etwas an ihm vorgenommen wird. Doch Gottlob, das Allgemeinbefinden ist bei Allen befriedigend und diese Übel werden wohl bald vorübergehen und unsre armen Patienten sich dann recht rasch und schön erholen.

Der sonstige Zustand im Hause ist nicht gerade erfreulich und gemüthlich; die Kette der Unannehmlichkeiten scheint noch nicht abzureißen. Du weißt doch, daß ich Emilien den Tag nach Deiner Abreise erwartete; anstatt ihrer kam ein Brief worin sie mir mit großem Bedauern schrieb, daß sie abermals Rothlauf am Fuß habe und ein Paar Tage der strengsten Schonung und Ruhe bedürfte; heute Morgen ist nun Frau Zielbäuerin abgerufen worden und so sind die Dienstkräfte wieder sehr reducirt; dazu ist die Reis seit ein Paar Tagen recht elend und sollte sich nach des Doktors Rath legen, sie hat Fieber, verschluckt Chinin und kurirt außerdem noch an sich herum; die gute Frau wird mir der liebe Gott doch zum Trost und zur Stütze lassen, dann wißt ich doch die Kranken versorgt und kann mich mehr dem Kleinen widmen, was ja absolut sein muß, denn Lene ist doch auch nur als Handlangerin dabei zu brauchen. Gottlob daß es mir so gut geht, ich kann doch die Maschine noch zusammenhalten, daß nicht Alles auseinander geht, und so lasse ich mir auch nicht bange werden; ist ja doch mein kleiner Sigmund so prächthig, wenn auch sein Übel noch nicht ganz gehoben ist. Er liegt hier neben mir auf dem Sopha und schläft so süß und ruhig, ein herzerquickender Anblick, der mich nicht kleinmüthig werden läßt. – Freilich dem Brief wirst Du die häufige Unterbrechung anmerken, denn gewiß mehr als zwanzig Mal mußte ich die Feder wegwerfen und konnte ihn deßwegen auch nicht mit dem Eilzug wegbringen. Das Leibchen konnte ich unter diesenUmständen auch nicht fertig machen, Du brauchst es ja nicht so notwendig, ich schicke Dir’s so bald als möglich nebst Kamm und Ausputzer. – Möge es Dir in jeder Beziehung recht gut gehen, die Kinder grüßen, Mimile ist wohl, doch leiden wir Alle von der furchtbaren Hitze und der unerträglichen Trockenheit, gestern Abend war der Himmel voll Gewitter, aber wir bekamen keinen Tropfen Regen.

Leb wohl, Liebster, ich vermisse Dich sehr, das weißt Du, aber sorge Dich nicht um mich oder sonst um Eins unsrer Lieben.

Mit herzlichem Gruß in treuster Liebe
Deine Susanna.

P. S. Du hast doch meinen Brief vom Mittwoch1 nebst Stiefeln und Schein erhalten?