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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 20./21 August 1863

Liebster Herzensmann!

Was ich im letzten Brief1 vergessen oder wenigstens nicht erwähnt habe, das soll heute gleich das Erste sein, nämlich mein Dank für Deine lieben Briefe2, die mir so große Freude machten hauptsächlich auch durch die guten Nachrichten, die sie mir von Dir bringen. Hoffentlich war der schlechte Schlaf in den ersten Nächten nur durch die grüne Farbe verursacht und hat sich jetzt ganz gebessert; schreibe mir nur immer recht genau über Dein Befinden, es ist mir ja so wichtig; und dann sorge Dich nicht um uns, es geht Alles und läßt sich einrichten, besonders wenn kein lieber Hausherr unter den mißlichen Verhältnissen zu leiden hat.

Wir Frauen und Kinder richten uns schon ein und sind froh und glücklich miteinander, da ja Gottlob die Besserung bei den Kindern wie der Doktor heute sagte mit Riesenschritten vor sich geht. Du solltest nur sehen, wie heiter und frisch Alle sind, besonders die zwei Größern; gestern versuchten sie schon miteinander zu singen, auch plaudern sie viel zusammen, ja sie fangen schon wieder an sich ein wenig zu zanken. Mariechen ist stiller aber ganz behaglich und wünscht nur immer sehr, daß ich kommen möchte, auch der Bubi schickt oft die Frau Schuster herunter mich zu holen, er hätte mir Etwas zu sagen. Doch da fällt mir eben ein, Du weißt, glaube ich, noch gar nicht daß Frau Reis uns verlassen hat und zwar schon am Samstag3; ich wollte es Dir nicht schreiben, ehe ich Dich über die Nachfolgerin beruhigen kann. Frau Schuster, auch früher Wärterin im Spital, wurde mir durch Dorsch empfohlen, und war zum Glück zu haben. Sie ist auch erfahren, freundlich und geduldig mit den Kindern, die den Wechsel, nachdem die ersten Thränen getrocknet waren leichter verschmerzt haben als ich dachte. Die Pflege ist ja jetzt unendlich viel leichter, und es thut mir oft recht weh, daß unsre gute, treue Frau Reis, die so viel Sorge und Noth mit den Kindern durchgemacht hat jetzt nicht die Freude über die sichtliche Genesung mit mir theilen kann; an Wiederkommen ist nicht zu denken, denn sie hat leider auch den Typhus, wenn auch, wie Ziemssen mir heute sagen ließ in leichtem Grad. Gott helfe ihr gnädig durch und stärke sie bald wieder, für die armen Leute ist die durch Krankheit herbeigeführte Verdienstlosigkeit so hart. Mit Lena soll es wieder besser gehen, mir wäre wahrhaftig angst und bang, wenn die auch den Typhus bekäme, da würde unser Haus ganz verrufen; morgen kommt nun das Kindermädchen, das wird mir hoffe ich, eine rechte Erleichterung sein, denn die Kinder oben verlangen jetzt sehr nach mir, und bis jetzt konnte ich die Kleinen so wenig verlassen; Es wird mir aber ordentlich schwer die spezielle Pflege meines köstlichen Jungen abzugeben; er ist so gut, so ruhig und doch so freundlich und munter, gedeiht so prächtig daß es meine größte Freude wäre, ihnallein zu versorgen, aber es geht nicht, da er ja nur Anspruch an den 6ten Theil meiner Zeit und Sorge machen darf.

Mimile ist auch allerliebst, so munter und vergnügt, plaudert den ganzen Tag und ist auch artig. Leider kann sie jetzt wenig in den Garten, denn das Wetter ist seit dem Regen am Mondtag4 regnerisch und kalt; wenn’s nur bei Euch nicht so ist. Doch gute Nacht, mein Geliebter, möge ein süßer, sanfter Schlaf Dich diese Nacht erquicken.

Freitag der 21te. Der lieben Eltern 40jähriger Hochzeitstag!! gewiß ist gestern bei der Taufe5 dessen erwähnt worden, dankend und lobend für all den Segen, den die Lieben in der langen Zeit erfahren haben. Möge der liebe Gott auch ferner gnädig über dem lieben Elternhause walten.

Recht begierig bin ich zu hören, wie gestern das Fest der Taufe begangen wurde, Du schreibst mir wohl darüber denn ich nehme als sicher an, daß Du dabei warst. Doch nun sollst Du hören, wie es bei uns geht, obwohl Nichts Neues zu berichten ist; es geht gut, vortrefflich mit den Kindern, Sie schlafen, essen, sind munter, lachen und schwätzen miteinander; ganz die alte Weise kommt wieder zum Vorschein, die Anna beredet Luischens Zupfen an den Fingern, die weint darüber. Mariechen lacht sie aus und der Bu raisonnirt über den Lärm; ich muß oft hinauf, um Frieden zu stiften.

Jetzt kann ich aber auch mehr oben bleiben, da das Mädchen, Elise, heute Morgen gekommen ist und mir die Sorge für die zwei Kleinen abnimmt; sie scheint ein gutes, williges, nicht unerfahrenes Mädchen zu sein und wenn ein Kind so gesund und normal ist wie unser Sigmundle ist es ja wahrhaftig leicht zu behandeln mit etwas Aufmerksamkeit und Vorsicht. Am liebsten haben es die Kinder, wenn ich ihnen vorlese, denn zu plaudern gibt’s doch nicht immer und daran können nur immer zwei Theil nehmen, aber beim Lesen setze ich mich in die Nähe der Zwischenthüre und halte da eine Vorlesung und ich wünsche jedem Professor so aufmerksame, wißbegierige Zuhörer, besonders Mariechen bittet immer wenn ich fortgehe „gelt Mama Du kommst bald wieder“.

Nach Deinen letzten Nachrichten scheinst Du noch keine rechte Gesellschaft gesucht und gefunden zu haben; hoffentlich ist Deine Angegriffenheit nicht mehr der Art, Dir die Ruhe absolut wünschen zu lassen, so daß Du wenigstens den Verkehr mit Adalbert und der reizenden Ella die ich unbekannterweise herzlich grüße, genießen kannst; ich fürchte sonst, Du wirst melancholisch, wenn Du so viel alleine bist, und wir müssen ja jetzt doppelt glücklich sein nach dem überstandenen, schweren Leid. Gott befohlen, mein Geliebter, möge es Dir gut gehen und Du recht wohl und glücklich Dich fühlen; ich weiß Du wärest es mehr, wenn wir bei Dir wären, aber versuche es nur auch ohne uns.

Heute will ich doch den Doktor fragen wegen der Möglichkeit des Umzugs nach Nürnberg; er ist noch nicht gekommen, Abend kommt er gar nicht mehr.

Eben war ein kleiner Saenger da mit seiner Harmonika (es ist jetzt Messe); ich ließ ihn die halbe Treppe hinaufgehen und dort spielen; wie freuten sich die armen Kinder, die dieß Jahr von all den Herrlichkeiten auf dem Gaismarkt Nichts zu sehen bekommen.

Mimile stellt sich jetzt oft an die Treppe und ruft alle Namen der Geschwister hinauf; und die rufen dann herunter zum gegenseitigen Entzücken.

Leb wohl, Geliebter, von den Kindern herzliche Grüße, die schönsten aber von

Deiner Susanna.