Ich sitze im Krankenzimmer, Angesichts all unsrer neugeschenkten lieben Kinder und wünsche Dich zu uns und Dich mit mir an der von Tag zu Tag fortschreitenden Besserung zu erfreuen. Du kannst Dir die Fröhlichkeit, die jetzt bei uns herrscht gar nicht denken, der Junge hat heute mal wieder so herzlich gelacht, so recht gemeckert wie sonst, und wie ich seit 8 langen Wochen es nicht mehr gehört habe. Mariechen ist so voll Übermuth und sieht so vergnügt und frisch aus, daß es kaum zu glauben ist, wie viel das arme Kind durchgemacht hat. Luischen sieht nicht so gut aus, ist aber ganz frisch und heiter, und Annchen ebenso. Sie lesen öfters, obwohl ich es nicht gerne lange gestatte und sind immer bereit, sich zu unterhalten und Späßchen zu machen. Ich bin so viel als möglich bei ihnen und sie freuen sich in rührender Weise, wenn ich komme; seit ein Paar Tagen trinke ich immer meinen Thee oben bei ihnen, eine Tasse bei den Großen, eine bei den Kleinen und so freuen wir uns gegenseitig an- und miteinander. Gottlob, es geht so gut wie es der Doktor kaum erwartet hat und die Hoffnung einer baldigen Übersiedlung wird uns immer gewisser. Heute ist große Freude über die Erlaubniß von Dorsch, Hasenbraten zu essen, oder vielmehr er empfahl es selbst als das leichtest verdauliche, und ich habe schon zu Fuchs1 geschickt, die uns wohl ein Paar junge Häschen verschaffen wird, da ja jetzt die Jagd noch nicht eröffnet ist. Zum Fleisch sollen sie Bier trinken und so werden die Kräfte wohl kommen; aber ich verspreche Dir, recht vorsichtig zu sein und Nichts zu gestatten ohne Wunsch und Willen des Arztes. Ich denke nun auch die Frau Schuster bald entbehren zu können, da ja die Pflege nun ganz leicht ist, so daß Emilie sie wohl übernehmen kann. Die ist seit gestern wieder hier. Sie kam unerwartet, als ich eben schreiben wollte und sie halb und halb verabschieden. Sie versichert, jetzt ganz gesund zu sein und hat guten Willen, und kann also mahl die theure Krankenwärterin ersetzen. Ich bin ja doch da und führe die Aufsicht und Dorsch kommt ja jeden Tag. So wird’s nach und nach Licht, denn auch die Rosel meint, diese Woche wieder eintreten zu können (sie war bis jetzt noch nicht bei uns wie Du anzunehmen scheinst, sondern schlief nur ein Paar Nächte hier, ehe das Kindermädchen kam, sonst aber war sie in der Anstalt, und eben bei den kleinen Dienstleistungen die sie des Abends und Morgens leistet glaubte ich zu bemerken, daß sie noch recht schwach sey). Sie versichert, daß sie seit wenigen Tagen eine auffallende Besserung fühle und glaubt den geringen Anforderungen, die jetzt an sie gestellt werden genügen zu können. Das Kindermädchen ist recht brauchbar und verständig; So steht es also nach allen Seiten gut bei uns und Du liebster Mann, kannst ganz ruhig und unbesorgt sein. Auch von unsern andern Kranken lauten die Nachrichten befriedigend. Frau Reiß soll gestern schon aus dem Spital entlassen sein, hatte also keinen Falls den ausgebildeten Typhus und Lena ist bis jetzt noch nicht ins Spital gebracht also erkennen die Ärzte ihren Zustand auch nicht dafür, sonst dürfte sie nicht zu Hause bleiben; freilich haben diese beiden Erkrankungen neue Angst vor uns verbreitet; und ich habe mich recht gewundert, daß gestern Freund Heyder hier war um nach Dir und den Kindern zu fragen. Er war sehr liebenswürdig und theilnehmend, freute sich der guten Nachrichten von Dir und läßt Dich schönstens grüßen. Er weiß noch nicht, ob und wann er fortkommt, doch hat der Scharlach in seinem Hause nicht weiter gegriffen.
Soviel von uns und nun zu Dir, mein Liebster, dessen letzter Brief2 mich so sehr freute durch die heitre Stimmung die sich in demselben ausspricht, möge es Dir fort und fort recht gut gehen und Du recht viel Genuß von dem Aufenthalt haben. Mit wahrem Bedauern dachte ich Eurer, Ihr lieben Reisenden während dieser stürmischen kalten Regentage, so erwünscht und ersehnt solcher Regen war. Seit heute haben wir wieder schöne warme Luft und der Himmel hat sich aufgehellt; hoffentlich auch bei Euch.
Deine Nachrichten von Reichenhall und der Taufe haben mich sehr gefreut, wenn es mich auch etwas besorgt macht, daß Du die liebe Mutter doch noch angegriffen aussehend fandest; freilich dieser sorgenvolle bewegte Sommer ist genügender Grund dafür; Gott gebe daß das Unwohlsein sich nicht wiederholt. Also das kleine Mariechen ist ein so kräftiges Kindchen, da glaube ich es gern, daß unsre liebe Sophie viel aushalten mußte ehe das Kindchen geboren wurde, doch nun welche Freude daß sie es an der eignen Brust so gedeihen sieht.
Von der lieben Lina erhielt ich vor einigen Tagen einen sehr liebenswürdigen Brief in dem sie sich erbietet mir in jeder Weise hülfreich zu sein, die treue Seele, ich freue mich recht, sie in Nürnberg zu finden, wenn wir, so Gott will, Dorsch meint es, in 14 Tagen dahin übersiedeln; Du mein Liebster und die lieben Eltern kommen dann bald zurück, welch frohes, herrliches Wiedersehen nach den schweren Prüfungen. Die Kinder freuen sich so auf Nürnberg und be- sonders Anna kann es kaum mehr erwarten, bis der Doktor das Aufstehen gestattet. Frau Schuster ließ sie gestern zur Probe ein wenig im Bett stehen, Anna und Mariechen können sich erhalten, Luischen und der Bubi sind aber noch recht wackelig, besonders der Letztere; wir wollen ihm die Beine mit Fruchtbranntwein3 einreiben zur Stärkung.
Von den Freunden hier kann ich Dir nicht viel Neues berichten, Viele sind fort und überdieß sehe ich ja fast Niemand. Schelling ist zu Besuch bei seinem Bruder in Sigmaringen, nachdem sie vorher noch den jetzt plötzlich verstorbenen Bruder, Dekan in Würtemberg, (wir gingen ein Mal, wie er hier war mit ihm spazieren) besuchten. Schmid ist in Frankfurt beim Fürstentag4, Schmidtlein sind hier, ebenso Makowitzka, Scheuerl, doch sehe ich Niemand, nur die Schmid war gestern hier.
Doch nun Gott befohlen, Geliebter, ich will den Brief nicht mehr zurückhalten obwohl ich wieder ein sich kreuzen derselben fürchte, doch das macht ja nichts. Er geht jetzt mit dem Nachtzug und Du bekommst ihn dann Mittwoch5 Morgen; die Deinigen erhalte ich immer Nachmittag.
Leb wohl, Liebster, die Kinder grüßen herzlich ihren lieben Papa. Ich umarme Dich im Geiste und bin ewig die Deine