Heute Nachmittag erhielt ich Deinen lieben Brief1 und ich benütze gleich die ruhige Abendstunde wo Alles schläft, um Dir zu antworten. Schönsten Dank für Alles, was Du mir schreibst, nur wünschte ich daß die Berichte von Deiner Gesundheit ganz befriedigend wären, und ich sehe leider daraus, daß Dein Schlaf immer noch nicht ist, wie er sein sollte. Hast Du denn bis jetzt täglich gebadet da Du schreibst, Du wolltest ein Mal damit aussetzen? Hier hattest Du vor, nur einen Tag und den andern zu baden, nun hoffentlich kommt die glänzende Nachwirkung, wenn Du, Liebster, wieder bei uns bist, worauf ich mich, Du glaubst es wohl, unsäglich freue. Ich denke doch gewiß, Dich in Nürnberg empfangen zu können, denn ich habe mir jetzt den Termin unsrer Übersiedlung für Anfang der nächsten Woche gesetzt; der Versuch des Aufstehens wurde am Dienstag2 gemacht, da Dorsch am Mondtag3 nicht gekommen ist, und fiel über Erwar- ten glänzend aus. Mariechen fing an zu laufen, als sie auf den Boden kam, wie das Mäuschen, wenn das Uhrwerk aufgezogen ist; freilich war die innere Aufregung und die Hast einen Halt zu finden wohl auch mit Grund, daß sie so rasch und unruhig zappelte. Annchen ging auch ganz gut und Beide waren recht glücklich darüber, wir weinten miteinander vor dankbarer Freude. Luischen und Bubi waren freilich etwas betrübt, und als Ziemssen gestern mal wieder hier war, bat ich mir von ihm die Erlaubniß aus, die beiden Andern auch aufstehen lassen zu dürfen. Er hatte gar keine Bedenken und ebenso wenig gegen die baldige Übersiedlung. Er freut sich der guten Nachrichten von Dir und läßt Dich schönstens Grüßen. Gegen Mittag stunden nun Alle auf und beim Jungen, der sich überhaupt sehr rasch erholt, wenn man bedenkt, wie er war, ging es recht gut, er kann ungleich besser gehen, als damals, wie Du ihn mir nach dem ersten Anfall herunter brachtest. Luischen ist die Schwächste und ist besonders nervös reizbar, aber es ist durchaus unbedenklich, sie schläft gut, ißt mit vortrefflichem Appetit und hat weder Husten noch sonst Beschwerden auf der Brust. Sie verzehrten nun zum ersten Male wieder ihr Mittagsmahl außer Bett und waren so seelenvergnügt und heiter dabei, daß ich Dich unzählige Male zu uns wünschte, um Dich an ihnen zu erfreuen. Nach 1 ½ Stunden ohngefähr legten sie sich wieder und so ist es ihnen ganz gut bekommen, ebenso heute ein wiederholter Versuch.
den 4ten. Gestern war ich zu müde, um weiter zu schreiben und heute weiß ich nicht, wie viel Zeit mein kleiner Herr mir vergönnt, doch möchte ich Dich nicht länger warten lassen, um auch desto eher wieder Deine Antwort zu haben, wo möglich noch hier. Es geht mit den Kindern gut, und das Wetter, das in den letzten Tagen recht regnerisch war und gesternAbend in einen heftigen Sturm losbrach ist heute so warm und schön, daß ich nicht ohne Noth unsre Abreise über den Donnerstag4 verzögern möchte. Gerne hätte ich aber noch über einige Punkte Deine Meinung wegen der zu treffenden Einrichtungen. Frau Schuster ist schon seit gestern vor acht Tagen entlassen, da die Pflege der Kinder keine so kostbare Wärterin mehr verlangte, das Kindermädchen werde ich nicht wieder bekommen, da jetzt das Handschuhgeschäft5 einen neuen Aufschwung nimmt und die Näherinnen besser bezahlt werden, also lieber alle Mädchen zu Hause sitzen und neben ihrer Freiheit sich viel Geld verdienen; es geht auch so, aber ich bin natürlich sehr gebunden, und weiß nicht, ob ich an der Köchin der Eltern eine solche Unterstützung finde als an der Rosel, wenigstens bis sie eingerichtet und eingeschult ist, für unser durch die kleinen und genesenden Kinder bestimmten Anforderungen. Nun dachte ich, die Rosel auf ein Paar Tage mit nach Nürnberg zu nehmen, und für diese Zeit den Wächter wieder zu engagiren, daß er hier schläft. Es könnte ja Alles abgeschlossen und ihm der eine Schlüssel eingesiegelt übergeben werden. Den Tag über könnte die nachbarliche Sabina Alles annehmen, was an und zu uns kommt. Oder erscheint Dir das zu ängstlich dann will ich mich ohne Rosel zu behelfen suchen und könnte wenn es gar nicht ginge die Marie der Eltern noch zu Hülfe nehmen; es ist nur so schlimm mit Fremden, mir nicht zugehörigen Leuten. Wenn Rosel hier bleibt, soll ich den Wächter doch da schlafen lassen? Sie meint, es wäre ihr lieber nicht, aber freilich ein Schutz für das Haus kann sie nicht sein. Es würde mir recht leid sein, wenn Du durch diese Anfragen irgend beunruhigt wärest, oder vielleicht Deine Zurückkunft beschleunigtest, (denke an Hofmann’s, die den ganzen Sommer ihr Haus leer stehen ließen), doch möchte ich nicht gerne ohne Dein Wissen und Deine Genehmigung die Einrichtungen treffen. Deine Papiere nehme ich jedenfalls mit, Geld ist noch nicht gekommen und ich reichte bis jetzt, muß mir aber doch bald welches verschaffen.
Eben habe ich den Kindern ihr Frühstück gebracht d. h. das zweite bestehend in weichen Eiern, Brod rohen Schinken und Bier; mit Jubel wird immer jede Lieferung begrüßt und ich bin nie willkommener als wenn ich mit vollen Händen komme.
Heute Mittag gibt’s Suppe und Kalbsbraten; 2 Häschen und zwei Hühner haben sie schon vertilgt und es ist jetzt ein wahres Studium wie sie sich einrichten, denn Alles was ihnen erlaubt ist, nach und nach und in schöner Abwechslung zu genießen.Dir scheint die Genesung langsamen Schritt zu gehen, ich glaube es, weil die vielen kleinen Zwischenstufen Dir nicht so anschaulich sind. Ich finde, daß es sehr rasch und sichtlich geht, noch wenn ich zurückdenke nur acht Tage, wie viel schwächer und angegriffener waren sie. Mariechen und der Bubi sind köstlich, er will schon anfangen, wieder den Herrn zu spielen und sie sagt ganz ruhig: Ich laß ihn eben reden, er kann mir doch Nichts thun, was ihn natürlich noch mehr ärgert, doch ist er im Ganzen artig und immer vergnügt. Sie freuen sich Alle so sehr nach Nürnberg und sehen sich schon im Geiste auf dem Balkon stehen und Dich, bei Deiner Heimkehr begrüßend.
Daß Dir der Brief von Wegele einen peinlichen Eindruck macht, begreif ich, er stellt die Sache sehr einfach und für ihn durchaus günstig dar, mich wundert nur, daß er doch nach München gehen will.
All unsern Lieben in Reichenhall viel Schönes, ich wünsche Dir recht viel Freude für diese Tage, und will so edel sein, sie nicht abgekürzt zu wünschen.
Nun Gott befohlen, Geliebter; bald, bald sehen wir uns wieder und wie froh und glücklich!
Vielleicht schließt Du Dich den lieben Eltern an und kehrst auf einem Umweg nach Hause, sonst kommst Du wohl acht Tage früher als sie. Leb wohl! In treuer Liebe
P. S. Von Heyder sah und hörte ich Nichts in dieser Zeit; er ist vielleicht schon fort und ich lebe wie in einem Kloster. Niemand kommt und ich komme nicht fort, um Jemand aufzusuchen.
Ich freue mich recht, daß Du die Frankfurter Conferenz6 für ersprießlich in der Deutschen Sache hältst; ich habe eben ein kleines Buch aus dem Lese-Verein: Stein von A. von Schlichtkrull7 wie ähnlich waren damals die Zustände und wie viel Jammer und Elend wäre Fürsten und Volk erspart geblieben hätte man Steins gewaltiger prophetischer Stimme Gehör geliehen!! Nun vielleicht sind wir die glücklichen Enkel des damaligen Geschlechts.