Liebes Suschen! Dein lieber Brief1 von gestern ist ungewöhnlich rasch, schon heute früh angekommen, ich erwartete ihn erst morgen früh. Sein Inhalt hat mich sehr erfreut. Wenn es mir bisher mit der Genesung der Kinder allzu langsam voranzugehen schien, so übertrifft Dein Vorhaben so baldiger Übersiedelung meine Erwartung. Ich setze natürlich das Einverständniß des Arztes voraus. Wenn eingepackt in einen gut geschlossenen Wagen mit dichten Fenstern – es wäre gut sich davon vorher zu überzeugen, besonders wenn das Wetter nicht ganz günstig und warm sein sollte – können die Kinder von unserem Hause abgeholt und bis zu dem der Eltern gebracht werden; Du mit den sechsen im Wagen, Emilie auf dem Bock – der Wagen muß gehörig breit sein, und wenn Grezulat keinen hat, der passend erscheint, so wäre noch bei Götz nachzusehen. Rosel müßte per Eisenbahn voraus und den Empfang in Nürnberg so weit vorbereiten, daß Du das Haus geöffnet und die Zimmer gelüftet findest. –
Entschuldige diese Details; es sind nur Vorschläge und ich will damit nicht sagen, daß Du nicht die nötigen Anordnungen selbst aufs zweckmäßigste treffen wirst. – Ich bin damit einverstanden, daß Du Rosel mitnimmst unter Bedingung erstens, daß die Nachbarin Juliane unter Tag nach unserem Hause sieht und was kommt, abfertigt und zweitens, daß des Nachts ein Wächter im Hause schläft. Diesem letzteren würde ich aber den Hausschlüssel nicht übergeben, sondern Juliane müßte ihm jedes Mal des Abends und zwar beim Dunkelwerden (etwa 8 Uhr) – es ist gut ihm nicht die Zeit zu überlassen, sondern bestimmt anzugeben, also 8 Uhr – das Haus aufschließen, und dieselbe wird auch des Morgens wieder zuschließen, sobald er fortgegangen ist, nämlich um 6 Uhr, wo die Arbeitszeit beginnt. Der Wärter braucht nur Rosels Stübchen offen zu finden; die übrigen Schlüssel kannst Du theils versiegelt, theils unversiegelt an Juliane übergeben und bei Feuersgefahr sind sie dann nahe genug, bei Einbruch wird der Wärter von außen zukommen, so gut wie der Einbrechende.
Ein Kindermädchen wirst Du wohl unter den von Dir erwähnten Umständen in Erlangen nicht zu finden hoffen, sondern nur in Nürnberg, und Frau Flora wird Dir dabei gewiß gute Dienste thun; sie wußte von dieser und jener; vermuthlich sei die Schwester Steinischen mit ihrem neuen Posten nicht zufrieden; doch die wäre wohl nicht zum Kindermädchen geeignet?
Geld kannst Du gegen die hinterlassene Quittung von der Universität bekommen und schicke nur hin und lasse dem Pedell Lottes sagen, daß er es bringe (man läßt die eignen Leute nicht gern um die Quittung der Einnahme stehen, sonst wäre es ohne weiteresabzuholen). Meine Geldpapiere wirst Du jedenfalls mitnehmen und unterwegs nicht verlieren (wieder eine ängstliche und unnütze Bemerkung – verzeih liebes Suschen) – und so ausgerüstet wünsche ich von ganzem Herzen, daß die Übersiedlung recht glücklich von statten gehen möge: gewiß werden die Kinder in den neuen gelüfteten Räumen sich wie neugeboren vorkommen. –
Ich gedenke das schöne Berchtesgaden morgen (Sonntag) Mittag zu verlassen, wie ich Dir schon schrieb. Die Eltern bleiben noch bis Donnerstag2 in Reichenhall und ich mit ihnen: ihrer Reise werde ich mich wohl nicht anschließen, außer etwa bis Salzburg. Wann ich zurück kehre, werde ich Dir von Reichenhall aus schreiben, wo ich gerne noch Deine Übersiedlung nach Nürnberg erwarten möchte, damit ich die unumgängliche Confusion der ersten Einrichtung nicht durch mein dazwischen kommen noch vermehre.
Gleichzeitig mit Deinem Brief kam heute Morgen auch einer von der lieben Mutter aus Reichenhall mit noch einem Brief von Dir, den sie erhalten; sie wollen heute und morgen eine große Tour ins Tirolische (nach Lofer) ausführen: doch glaube ich bei dem ungünstigen Wetter, das wir heute haben, nicht daß es dazu kommt: die jungen Crailsheims laden mich ein bei ihnen zu wohnen.
Die letzten Tage waren überaus schön, die Abende wundervoll warm und sternenklar. Es hat mir an Besuchen auch nicht gefehlt. Dr. Gregorovius aus Rom interessirte mich sehr. Gestern kam Dr. Frensdorf, vorgestern traf ich ganz überraschend im Hotel Veit und Frau aus Rostock; die hatten viel zu erzählen! Wobei er mich nach seiner Weise immer körperlich anpackte. Das Traurigste war die Nachricht, daß Stannius nun völlig wahnsinnig geworden und in eine Irrenanstalt bei Bonn gebracht ist: es geht mir sehr nahe, ich habe manches schöne Jahr und viel glückliche Stunden mit dem unglücklichen Freund verlebt. Als ich nach Rostock kam, hatte er eben seine Hochzeitsreise gemacht.
Sorge nicht, daß mir der hiesige Aufenthalt nicht gut bekommt. Du wirst mich hoffentlich frischer und gestärkt wieder sehen. Ich finde allerdings daß es besser für mich gewesen wäre, nicht täglich zu baden und nehme nun bloß einen Tag um den andern ein Bad, was mich sehr erquickt, ohne mich so zu ermüden. –
Ich lege eine Anweisung für das Postamt bei, welche Du nicht später als nach Empfang meiner Briefe dorthin senden müßtest. Ich setze dabei voraus, daß Deine Übersiedlung wirklich am Dinstag3 stattfindet, sonst würde ich Dir die Briefe nach Erlangen zu bald abspenen4, doch schadet es auch nicht, wenn Du sie einen oder zwei Tage später in Nürnberg erhältst.
Da wir zwei Schlüssel zur äußeren Thür besitzen und zwei Hausschlüssel (der eine an der Waschküche – vielleicht ist der andre noch oben bei mir in dem oberen Schränkchen auf meinem Secretär), so könntest Du wohl je einen von beiden mitnehmen, damit wir jederzeit in unser Haus kommen können, ohne uns erst bei Juliane zu melden.
Nun liebes Suschen, schreibe mir gleich nach Reichenhall, wie es geht und ob Du wirklich Deinen Umzug am Dinstag ausführen wirst. Gott befohlen! Grüße mir die herzigen Kinder von Ihrem Papa. Lebe wohl