Noch weiß ich nicht gewiß, was uns die nächsten Tage bringen, aber doch sollst Du nicht länger auf Antwort warten. Der Himmel ist unserm Vorhaben bis jetzt gar ungünstig und unsre Übersiedlung mußte deßwegen für morgen entschieden aufgegeben werden, zum großen Leidwesen der Kinder. Dorsch, der am Samstag1 kam, erklärte sich mit dem Plan einverstanden nur machte er die Bedingung, daß die Kinder erst in der Luft gewesen sein müßten; dazu hatten wir uns den gestrigen Sonntag ausersehen, aber da war das Wetter so unfreundlich, es regnete und stürmte, daß nicht daran zu denken war. Doch wurden die Kinder im Haus immer kecker und mutheten sich mehr zu, so daß Anna mich des Nachmittags unten überraschte. Es ging ganz gut, wie sie versicherte, und heute bekamen die Andern nun auch Muth, so daß sie nach und nach unten erschienen. Der Junge, der sich sehr rasch erholt, hatte immer schon mit Sophiechen auf der Treppe als neutrales Gebiet verkehrt, heute aber kam er herunter und sie ist überglücklich. Schon heute Morgen saß sie immer auf der halben Treppe und rief: Ba, komme! und setzte, sich tröstend und beruhigend hinzu: bald, bald.
Da sie nun Alle unten waren, ließ ich sie auch unten essen, neuer Jubel! und als nach Tisch der Wind sich legte und die Luft, die heute Morgen recht kühl war, wärmer und milder wurde, gestattete ich einen kleinen Gang durch den Garten; so weit sind wir nun, Gottlob, und der Doktor, der heute Nachmittag kam, war damit zufrieden, doch verlangte er, daß wir zur Reise gutes Wetter abwarteten; hoffentlich tritt das bald ein, denn das Warten von einem Tag zum andern ist sehr unangenehm; ich kann Nichts unternehmen und Nichts bestimmen oder bestellen.
Du siehst aus dem Vorstehenden, daß es mit den Kindern gut geht; Gottlob ja, sie vertragen das Aufstehen ganz gut, und der Doktor hat nun auch die Diät-Vorschriften etwas ausgedehnt. Chokolade und gekochtes Obst ist gestattet; verschiedenes Fleisch, Eier, Milch, Bier. Nur nicht Kartoffeln und Gemüse.
Für Deine guten Rathschläge besten Dank, ich bin nicht immer so kindisch wie damals und bin doch nur ruhig bei einer Entscheidung, wenn ich Deiner Zufriedenheit und Übereinstimmung gewiß bin. Daß ich Rosel mitnehmen kann ist mir recht lieb, denn bei der Unsicherheit unsers Reisetermins kann ich mir auch die Köchin der Eltern nicht schon bestellen, und es ist also doppelt gut, wenn ich da versorgt bin; nach einigen Tagen, so wenn wir eingerichtet sind, kann Rosel wieder zurück gehen; doch bis dahin kommst Du vielleicht selbst, mein trautester Geliebter! Donnerstag2 wollt Ihr Reichenhall verlassen und Du scheinst nicht die Absicht zu haben, längere Zeit unterwegs zu bleiben; also bis Sonntag, Montag ohngefähr könnte ich Dich erwarten und dann doch wohl sicher in Nürnberg, denn den ersten, schönen Tag wollen wir benützen; ich freue mich unsäglich und doppelt schwer würde mir das Zuwarten hier, wenn dadurch Deine Pläne bestimmt und Deine Rückkehr verzögert würde. – Ich habe in den letzten Tagen viel lieben Besuch gehabt, da sich die Nachricht unsrer baldigen Abreise verbreitete. Frau Schmid, Schmidtlein, Keil, Mathilde waren da und heute besuchte Betty die Kinder, eben als sie in den Garten gingen und blieb dann noch ein wenig bei ihnen unter der Gartenthüre. Nur Stintzings sind noch sehr ängstlich, er ist fort in Rorschach und ihr Zustand ist immer noch nicht recht klar und bedarf der äußersten Schonung. In Reichenhall wirst Du vielleicht schon Herz begegnet sein, der seit vierzehn Tagen mit seinem Bruder dort ist. – Die Zeitung wird vielleicht doch noch einige Tage nach Berchtesgaden geschickt werden, da es wohl von hier nach Frankfurt gemeldet werden muß. Du hast wohl Auftrag gegeben, sie Dir nachzuschicken.