Nürnberg den 5/10 1863.
Lieber Herzens-Manni!
Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief, der mir ja Gottlob gute Nachricht von Dir bringt, wenn mir auch scheint, als ob Du noch recht in der Arbeitsstimmung wärest; nicht so recht frisch und heiter, wie ich es gerne hätte. Hoffentlich hat Dir der gestrige herrliche Tag, der Eure verabredete Tour begünstigte und das Zusammensein mit den lieben Braussgenossen, Dir recht wohl getan.
Gerne hätte ich Dir schon eher geschrieben, aber einestheils ward es mir schwer, Zeit dazu zu finden und dann wollte ich erst Deinen Brief abwarten. Bei uns geht es Gottlob gut und unser Leben ist ziemlich so vergangen, wie Du in Deinem Brief vermuthest. Der Tag in Erlangen war ja ausgesucht schlecht, doch störte es mich weiter nicht und ich konnte die nöthigen Vorarbeiten recht mit Muße besorgen. Fast hätte ich Dich, Liebster, | noch auf dem Bahnhof in Nürnberg getroffen, ich kam unmittelbar nach Abgang des Zuges und würde mich recht gefreut haben, auch Ranke noch zu sehen. In Erlangen fand ich Alles in guter Ordnung und die behaglichen, engen Räume heimelten mich sehr an. Mit Dorsch, den ich hatte bitten lassen zu kommen nahm ich Rücksprache wegen der Diät der Kinder, noch gestattete er nicht völlige Freiheit. Als ich Abends nach Hause kam, war’s mir ordentlich wehmüthig, Dich nicht zu finden, obwohl Eltern und Geschwister mich erwarteten und des schlechten Wetters wegen, die Glockenhofer Parthie im Stich gelassen hatten. Der Sonnabend verging in der gewohnten Unruhe hervorgerufen durch verschiedene Besuche, auch Luise Schwarz war da. Gestern Morgen ging ich nicht zur Kirche, sondern versorgte meinen Kleinen, der Gottlob ganz wohl ist; dann kam Alexander Harsdorf, der uns davon erzählte, daß seine Frau den Tag vorher nach München gereist sei und er | ihr Ende dieser Woche, nachdem er den Umzug in Eichstädt besorgt, nachfolgen werde. Du hast vielleicht Wilhelmine mit ihren Kinderchen nun schon gesehen, bitte grüße sie nebst Eltern und Geschwistern schönstens.
Nachmittags zogen wir in corpore auf den Glockenhof, blos der Kleine blieb bei Emilie und den Leuten zu Hause, es war ja nur kurze Zeit und ich hatte Alles vorbereitet. Sophiechen zuggelte recht tapfer bis hinüber und war auch drüben ganz anständig. Die Großen versicherten durchaus nicht müde zu sein und sprangen recht munter im Garten herum. Georg hatte einen kleinen Unfall, er stieß nach einem kleinen Hund, der ins Haus gehört, der schnappte zu und biß ihn ins Bein, was natürlich ein furchtbares Lamento hervorrief, kalte Überschläge machten aber die Sache so rasch wieder gut, daß er Sophiechen des Abends im kleinen Wägelchen herüber fahren konnte und weder über Schmerzen noch Müdigkeit klagte. Sophiechen ließ sich das Fahren ganz gerne gefallen und so kamen wir, d. h. ich mit | den Kindern wohlbehalten und zu guter Zeit wieder nach Hause, wo der Kleine meiner bedurfte, um ausgezogen zu werden.
Heute ist großes Fischfest auf dem Glockenhof, wozu die ganze Gesellschaft abermals eingeladen ist, (es wird nämlich der Dutzendteich gefischt und da werden seit undenklichen Zeiten immer gebackene Fische und Sauerkraut gegessen) ich werde aber für meine und der Kinder Person das Vergnügen theilen, Mittags gehe ich alleine mit den Eltern und Luise bleibt zu Hause, und ich löse sie nach Tisch bei den Kleinen ab, während sie mit den 4 Größeren hinüber geht. So theilen wir uns immer ein, und bei so treuer, schwesterlicher und mütterlicher Hülfe geht es auch ohne Kindermädchen, aber wie später? und noch ist keine Aussicht auf einen glücklichen Fang. Alle Anstalten sind getroffen, aber bis jetzt ist noch Keine gekommen und Jedermann klagt über den Mangel an Dienstboten, geschweige an guten.
So steht’s bei uns, während Du, mein Liebster mit so viel interessanteren und höhern Dingen Dich beschäftigst, ich freue | mich recht von Dir zu hören über die Aufnahme Deines zweiten Bandes und überhaupt wie alle angefangenen Unternehmungen fortschreiten. Heute reist ja der König ab, Ihr wart also nicht befohlen. Wirst Du vielleicht Solbrig aufsuchen? Das junge Ehepaar Schulze ist wohl noch in Paris? Ich schicke Dir auf alle Fälle einige Visitenkarten.
Lina, die Gute, Liebe läßt Dich schön grüßen und bedauerte Dich nicht mehr vor Deiner Abreise gesehen zu haben und Dir glückliche Reise zu wünschen. Die Bayerlein ist seit Dienstag zurück, (Du hast sie ja gesehen, glaube ich) sie schmachtet, mit Dir von Berchtesgaden zu schwärmen. – Die Commission ist ja dieß Mal gar nicht vollzählig, Sybel und Droysen fehlen, und Wegele doch, wie eigenthümlich! auch Häusser erwähnst Du nicht.
Eben kommt Mama und treibt zum Aufbruch, da das Essen auf dem Glockenhof auf 12 Uhr anberaumt ist, darum schnell zum Schluß; Freitag gehe ich wieder nach Erlangen um das Einfüllen der Matratzen zu besorgen und Samstag oder Sonntag gehen die Eltern nach Würz-|
burg, gerade wenn Du kommst. Die Schwestern gehen beide mit, doch kommt eine von ihnen bald zurück, um die Verwaltung des Hauswesens zu übernehmen, so lang erscheint es wohl wünschenswerth, daß wir bleiben und bei den herrlichen Tagen, die die Kinder nach Herzenslust im Garten genießen, wird es auch uns nicht schwer werden, noch ein wenig zu bleiben; auch Du mein Liebster ruhst Dich dann wohl recht aus und die Rosel kann unterdessen in Erlangen Alles für unsre Ankunft bereit machen. Doch kommt Zeit, kommt Rath, jedenfalls erwarte ich Dich hier; und nun schnell zum Schluß, sonst kommt mein Brief sogar nicht mehr zum Courier-Zug; ich schloß ihn nicht mehr ehe wir nach dem Glockenhof gingen und bin jetzt schon wieder zurück, sitze auf dem Balkon, Sophiechen zappelt um mich herum und der Kleine schmort in der Sonne im Garten. Leb wohl, Liebster, Gott behüte Dich und schenke uns ein frohes Wiedersehen. Die Kinder grüßen, sie sind sehr frisch und munter.
In treuer Liebe
Deine Susanna.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Ranke, LeopoldLeopold Ranke
HiKo
11859827917951886Ranke, Leopold (1795–1886), in Wiehe geborener deutscher Historiker, der von 1818 bis 1824 Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder war. Im Jahre 1824 wurde er außerordentlicher Professor, 1834 ordentlicher Professor für Geschichte an der Berliner Universität. Von 1858 an war er erster Präsident der von ihm initiierten Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Dorsch, GustavGustav Dorsch-1830Dorsch, Gustav (* 1830), im Jahre 1855 an der Universität Erlangen zum Dr. med. promoviert, Hausarzt der Familie Hegel in Erlangen.
Hegel, Sigmund (Mundel, Mundulus, Munerle)Sigmund Hegel11657085718631945Hegel, Sigmund (1863–1945), sechstes Kind (zweiter Sohn) Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), Mitglied des Corps Onoldia in Erlangen, Chemiker, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat am Reichspatentamt in Berlin.
Emilie-Emilie, Hilfsperson im Erlanger Haus Karl Hegels (1813–1901).
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Maximilian II. Joseph von Bayern, König von BayernMaximilian II., König von BayernKönig von Bayern11857934718111864 Maximilian II. Joseph (1811–1864), war von 1848 bis 1864 König von Bayern und Gründer der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Solbrig, Karl AugustKarl August Solbrig11746001X18091872Solbrig, Karl August (1809–1872), aus Fürth stammender Mediziner, der nach seinem Studium an der Universität München im Jahre 1831 promoviert wurde. Ab 1846 Direktor der neu gegründeten Kreispsychatrie in Erlangen, wurde er 1849 Honorarprofessor der Universität Erlangen und war von 1864 bis 1872 ordentlicher Professor der Psychatrie an der Universität München.
Schulze, N. N.-Schulze, N. N., junges Ehepaar.
Bayerlein (Beyerlein), Maria Karolina Sophia Wilhelmina, geb. Furtenbach
-18001878Bayerlein (Beyerlein), Maria Karolina Sophia Wilhelmina, geb. Furtenbach (1800–1878), war eine Cousine und Jugendfreundin der Mutter Susanna Maria Tuchers; sie hatte 1821 den Rittmeister und späteren Major der Cavallerie Wilhelm Georg Bayerlein (1784–1839) geheiratet und war 1838 von ihm geschieden worden. Wie Maria Magdalena Tucher (1802–1876) stammte ihre Mutter aus der Nürnberger Patrizierfamilie Grundherr.
Sybel, HeinrichHeinrich Sybel
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11862022318171895Sybel, Heinrich (1817–1895), in Düsseldorf geborener Historiker, Politiker und Archivar, der nach seinem Studium im Jahre 1838 an der Berliner Universität promoviert und 1840 an der Universität Bonn habilitiert wurde. Als ordentlicher Professor wirkte er an den Universitäten Marburg (1845–1856), München (1856–1861) und Bonn (1861–1875) und übernahm von 1875 bis 1895 als Direktor die Leitung der Preußischen Staatsarchive. Im Jahre 1858 gehörte er in München zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, gründete 1859 die Historische Zeitschrift und war von 1886 bis 1895 Präsident der Historischen Kommission in München. Im Jahre 1848 war er Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments, von 1874 bis1880 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Droysen, Johann GustavJohann Gustav Droysen11852755X18081884Droysen, Johann Gustav (1808–1884), in Westpommern geborener Lehrer, Historiker und Politiker, der von 1835 bis 1840 außerordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Berlin und von 1840 bis 1851 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Kiel war, dann bis 1859 an der Universität Jena und von 1859 bis 1884 an der Universität Berlin. Er war Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, schied aber im Jahre 1871 wieder aus. 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Wegele, Franz XaverFranz Xaver Wegele
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11930313218231897Wegele, Franz Xaver (1823–1897), in Landsberg am Lech geborener Historiker, der an den Universitäten München und Heidelberg studierte und sich im Jahre 1849 habilitierte. Von 1851 bis 1857 war er außerordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Jena, von 1857 bis zu seinem Tode ordentlicher Professor an der Universität Würzburg. Im Jahre 1858 gehörte er, ein Freund Karl Hegels (1813–1901), zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und war von 1873 bis 1897 einer der Redakteure bei der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB).
Häusser, LudwigLudwig Häusser
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11871984X18181867Häusser, Ludwig (1818–1867), aus dem Elsaß stammender Historiker, Politiker und Publizist, der von 1835 bis 1839 an den Universitäten Heidelberg und Jena Klassische Philologie studierte, in Heidelberg promoviert wurde und sich dort 1840 habilitierte. Im Jahre 1845 wurde er in Heidelberg außerordentlicher Professor und war dort von 1849 bis 1867 ordentlicher Professor der Geschichte. 1858 gehörte er zu den Gründungsmitglieder ders Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 1848 wurde er Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, von 1848 bis 1850 war er Mitglied der Zweiten Kammer der Ständeversammlung des Großherzogtums Baden, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Großherzogtum Baden.
Rosel-Rosel, Hilfsperson im Erlanger Haus Karl Hegels (1813–1901).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Eichstätt (Eichstädt)48.8933417,11.1838965Die Bischofsstadt Eichstätt liegt an der Altmühl, knapp 100 Kilometer südlich von Nürnberg.
Dutzendteich49.4260821,11.109641559618446Großer und kleiner Dutzendteich als Teile einer Weiherlandschaft im Südosten Nürnbergs.
Berchtesgaden47.63108,13.0021634Markt im oberbayrischen Berchtesgadener Land mit Schloß der Könige von Bayern, nahe dem Königssee, circa 150 Kilometer südöstlich von München und etwa 25 Kilometer südlich von Salzburg gelegen.
Würzburg49.79245,9.932966Alte Bischofsstadt am Main, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg und etwa 110 Kilometer südöstlich von Frankfurt am Main auf der Fränkischen Platte zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegen.
Glockenhof (Nürnberg)Seit 1765 gehörte der südöstlich vor der Nürnberger Altstadt gelegene Herrensitz der Familie von Grundherr.
Historische Commission/Kommission, MünchenIm Jahre 1858 in München auf Anregung des Berliner Historikers Leopold Ranke (1795-1886) vom bayerischen König Maximilian II. Joseph (1811-1864) bei seiner Akademie der Wissenschaften gegründete Institution zur Erforschung der deutsche Geschichte.