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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Nürnberg, 5. Oktober 1863

Lieber Herzens-Manni!

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief1, der mir ja Gottlob gute Nachricht von Dir bringt, wenn mir auch scheint, als ob Du noch recht in der Arbeitsstimmung wärest; nicht so recht frisch und heiter, wie ich es gerne hätte. Hoffentlich hat Dir der gestrige herrliche Tag, der Eure verabredete Tour begünstigte und das Zusammensein mit den lieben Braussgenossen, Dir recht wohl getan.

Gerne hätte ich Dir schon eher geschrieben, aber einestheils ward es mir schwer, Zeit dazu zu finden und dann wollte ich erst Deinen Brief abwarten. Bei uns geht es Gottlob gut und unser Leben ist ziemlich so vergangen, wie Du in Deinem Brief vermuthest. Der Tag in Erlangen war ja ausgesucht schlecht, doch störte es mich weiter nicht und ich konnte die nöthigen Vorarbeiten recht mit Muße besorgen. Fast hätte ich Dich, Liebster, noch auf dem Bahnhof in Nürnberg getroffen, ich kam unmittelbar nach Abgang des Zuges und würde mich recht gefreut haben, auch Ranke noch zu sehen. In Erlangen fand ich Alles in guter Ordnung und die behaglichen, engen Räume heimelten mich sehr an. Mit Dorsch, den ich hatte bitten lassen zu kommen nahm ich Rücksprache wegen der Diät der Kinder, noch gestattete er nicht völlige Freiheit. Als ich Abends nach Hause kam, war’s mir ordentlich wehmüthig, Dich nicht zu finden, obwohl Eltern und Geschwister mich erwarteten und des schlechten Wetters wegen, die Glockenhofer Parthie im Stich gelassen hatten. Der Sonnabend verging in der gewohnten Unruhe hervorgerufen durch verschiedene Besuche, auch Luise Schwarz war da. Gestern Morgen ging ich nicht zur Kirche, sondern versorgte meinen Kleinen, der Gottlob ganz wohl ist; dann kam Alexander Harsdorf, der uns davon erzählte, daß seine Frau den Tag vorher nach München gereist sei und er ihr Ende dieser Woche, nachdem er den Umzug in Eichstädt besorgt, nachfolgen werde. Du hast vielleicht Wilhelmine mit ihren Kinderchen nun schon gesehen, bitte grüße sie nebst Eltern und Geschwistern schönstens.

Nachmittags zogen wir in corpore auf den Glockenhof, blos der Kleine blieb bei Emilie und den Leuten zu Hause, es war ja nur kurze Zeit und ich hatte Alles vorbereitet. Sophiechen zuggelte recht tapfer bis hinüber und war auch drüben ganz anständig. Die Großen versicherten durchaus nicht müde zu sein und sprangen recht munter im Garten herum. Georg hatte einen kleinen Unfall, er stieß nach einem kleinen Hund, der ins Haus gehört, der schnappte zu und biß ihn ins Bein, was natürlich ein furchtbares Lamento hervorrief, kalte Überschläge machten aber die Sache so rasch wieder gut, daß er Sophiechen des Abends im kleinen Wägelchen herüber fahren konnte und weder über Schmerzen noch Müdigkeit klagte. Sophiechen ließ sich das Fahren ganz gerne gefallen und so kamen wir, d. h. ich mit den Kindern wohlbehalten und zu guter Zeit wieder nach Hause, wo der Kleine meiner bedurfte, um ausgezogen zu werden.

Heute ist großes Fischfest auf dem Glockenhof, wozu die ganze Gesellschaft abermals eingeladen ist, (es wird nämlich der Dutzendteich gefischt und da werden seit undenklichen Zeiten immer gebackene Fische und Sauerkraut gegessen) ich werde aber für meine und der Kinder Person das Vergnügen theilen, Mittags gehe ich alleine mit den Eltern und Luise bleibt zu Hause, und ich löse sie nach Tisch bei den Kleinen ab, während sie mit den 4 Größeren hinüber geht. So theilen wir uns immer ein, und bei so treuer, schwesterlicher und mütterlicher Hülfe geht es auch ohne Kindermädchen, aber wie später? und noch ist keine Aussicht auf einen glücklichen Fang. Alle Anstalten sind getroffen, aber bis jetzt ist noch Keine gekommen und Jedermann klagt über den Mangel an Dienstboten, geschweige an guten.

So steht’s bei uns, während Du, mein Liebster mit so viel interessanteren und höhern Dingen Dich beschäftigst, ich freue mich recht von Dir zu hören über die Aufnahme Deines zweiten Bandes2  und überhaupt wie alle angefangenen Unternehmungen fortschreiten. Heute reist ja der König ab, Ihr wart also nicht befohlen. Wirst Du vielleicht Solbrig aufsuchen? Das junge Ehepaar Schulze  ist wohl noch in Paris? Ich schicke Dir auf alle Fälle einige Visitenkarten.

Lina, die Gute, Liebe läßt Dich schön grüßen und bedauerte Dich nicht mehr vor Deiner Abreise gesehen zu haben und Dir glückliche Reise zu wünschen. Die Bayerlein ist seit Dienstag zurück, (Du hast sie ja gesehen, glaube ich) sie schmachtet, mit Dir von Berchtesgaden zu schwärmen. – Die Commission ist ja dieß Mal gar nicht vollzählig, Sybel und Droysen fehlen, und Wegele doch, wie eigenthümlich! auch Häusser erwähnst Du nicht.

Eben kommt Mama und treibt zum Aufbruch, da das Essen auf dem Glockenhof auf 12 Uhr anberaumt ist, darum schnell zum Schluß; Freitag gehe ich wieder nach Erlangen um das Einfüllen der Matratzen zu besorgen und Samstag oder Sonntag gehen die Eltern nach Würz- burg3, gerade wenn Du kommst. Die Schwestern gehen beide mit, doch kommt eine von ihnen bald zurück, um die Verwaltung des Hauswesens zu übernehmen, so lang erscheint es wohl wünschenswerth, daß wir bleiben und bei den herrlichen Tagen, die die Kinder nach Herzenslust im Garten genießen, wird es auch uns nicht schwer werden, noch ein wenig zu bleiben; auch Du mein Liebster ruhst Dich dann wohl recht aus und die Rosel kann unterdessen in Erlangen Alles für unsre Ankunft bereit machen. Doch kommt Zeit, kommt Rath, jedenfalls erwarte ich Dich hier; und nun schnell zum Schluß, sonst kommt mein Brief sogar nicht mehr zum Courier-Zug; ich schloß ihn nicht mehr ehe wir nach dem Glockenhof gingen und bin jetzt schon wieder zurück, sitze auf dem Balkon, Sophiechen zappelt um mich herum und der Kleine schmort in der Sonne im Garten. Leb wohl, Liebster, Gott behüte Dich und schenke uns ein frohes Wiedersehen. Die Kinder grüßen, sie sind sehr frisch und munter.

In treuer Liebe
Deine Susanna.

P. S. Die versprochnen Visitenkarten kann ich Dir leyder nicht schicken, ich habe nemlich von Erlangen mitgebracht, sie sind aber auf unbegreifliche Weise verschwunden.