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Karl Hegel an Matthias Lexer, Erlangen, 1. und 3. November 1863

Werthester Herr College!2

Sie haben mich durch Ihren lieben Brief vom 29. vorigen Monats3 sehr erfreut um der freundlichen Gesinnung willen, die Sie darin gegen mich aussprechen, die ich von Herzen erwiedere und die als ein dauerndes Band zwischen uns fortbestehen soll. Was Sie mir von dem Anfang und dem Stand Ihrer Vorlesungen schreiben, kann ich auch nicht anders als etwas Erfreuliches ansehen, da Sie doch für die eine Vorlesung eine anständige Zuhörerzahl gefunden haben und mehr in der That unter den gegebenen Verhältnissen von jedem Kundigen kaum zu erwarten war. Da Sie auf diese Art am besten zur Übung des Docirens gelangen können, ohne doch zu sehr durch die Vorlesungen in Anspruch genommen und angestrengt zu sein, und Zeit übrig behalten theils für die nöthige Erholung theils für andere Arbeiten. Sehr erwünscht aber ist es mir da, daß Sie nur gleich und zuerst an unsere Chroniken denken und sich bereit erklären, die kaum erst unterbrochene Beschäftigung mit diesen wieder aufzunehmen. Ich bin vollkommen einverstanden damit, daß Sie an die Bearbeitung der Mühlich’schen Chronik gehen wollen und glaube, daß Sie das dazu nöthige handschriftliche Material leicht werden nach Freiburg bekommen können. Was die Handschriften betrifft, so besitzen Sie vielleicht selbst noch einige Notizen über sie. Ich habe jetzt nur das zur Hand, was ich selbst einmal darüber bei eigner Einsichtnahme bemerkt habe. Das Übrige wird bei Frensdorff sein, der vor Kurzem wieder nach Göttingen zurück ist, um dort das in Augsburg aufgesammelte Material für den Anonymus zu verwerthen. So viel ich also weiß sind zwei Handschriften von anscheinend ziemlich gleichem Werth vorhanden, die eine in der Augsburger Stadtbibliothek aus der von Halder’schen Bibliothek no. 537, die andere in der Stuttgarter Hofbibliothek Hirt. no. 1614. Die letztere hat bedeutende Fortsetzungen. Man müßte sich vor allem vorsehen, ob nicht noch mehrere in unserem Repertorium notirt sind. Jene beiden Handschriften aber werden vermuthlich unschwer zu haben sein. Die erste aus Augsburg wird man Ihnen auf Verlangen, besonders wenn ich es unterstütze, gewiß schicken. Wegen der andern will ich mich bei Stälin erkundigen und Ihnen das Weitere zu wissen thun. Auch an Frensdorff werde ich wegen des Repertoriums schreiben.

3. Nov. Hirzel war auf der Durchreise von Nürnberg bei mir; Er hat Frommann für das Wörterbuch und zwar zunächst nur für den Buchstaben J gewinnen wollen, hat aber räudig Abschlag bekommen. Gewiß würde er Ihre Hülfe mit Freuden annehmen.

Unser 2. Band wird wohl in diesen Tagen versendet werden.5 Ich habe die letzte Correctur der Vorrede und der Nachträge am 25. October abgeschickt. Sobald ich meine Freiexemplare über München erhalte, werde ich Ihnen und Weech auch die Ihrigen zukommen lassen.

Mein vortrefflicher und lieber College Döderlein, den auch Sie hier kennen lernten, liegt im Sterben in Folge eines Schlaganfalls bei noch nicht ganz vollendetem 72. Lebensjahr, ein großer Verlust für unsere Universität und ein recht schmerzlicher für seine Freunde.

Grüßen Sie Weech. Er wird selbst wissen, was er uns mit seinen zum Theil recht flüchtigen Arbeiten für Noth gemacht hat, und sich aber gewiß nicht über uns zu beklagen haben.

Leben Sie wohl. Aufrichtigst
der Ihrige
Carl Hegel.

P. S. Wie ich eben zu meiner Freude höre, hat sich Döderleins Befinden seit heute morgen überraschend gebessert, so daß man wieder gute Hoffnung für ihn fassen kann.6 Ich bitte daher die eben gegebene Nachricht nicht weiter zu verbreiten.