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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 1. März 1864

Verehrtester Freund!

Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre freundliche Zuschrift und die Empfehlung der beiden jungen Historiker zur Auswahl. Ehe ich hierauf antwortete, wollte ich mich erst versichern auf welche Mitarbeiter ich noch bis auf Weiteres rechnen könnte, um zu übersehen ob ich schon jetzt neue Kräfte gebrauchen, andere Mitarbeiter heranziehen soll. Nun habe ich soeben zwei Briefe1 erhalten, welche mir Gewißheit verschaffen, den einen von Frensdorff, der sich zu meiner Freude bereit erklärt nach Ostern2 wieder nach Augsburg zu gehen und längere Zeit dort fortzuarbeiten, also wie ich hoffe, das ganze Sommer-Semester daran setzten will, den andern von einem jungen Meklenburger Namens Schröder, Sohn des Schulrath Schröder in Schwerin, der deutsche Philologie und Geschichte besonders in München studiert hat, mir von Giesebrecht gut empfohlen wurde und mir ebenso gut bei persönlicher Bekanntschaft gefallen hat; auch dieser hat mir definitiv zugesagt. Außer diesen bleibt mir Kern als dritter Mitarbeiter in Nürnberg und auch Lexer hat noch für mich in Augsburger Texten gearbeitet. Wiewohl ich nun mit meinem Jahresetat noch weiter reichen würde, weil ich in diesem ersten Semester nur einen Mitarbeiter zu remuneriren hatte, so glaube ich für jetzt doch genug Hülfe zu bekommen und würde ich Mühe haben noch mehr Leute gleichzeitig unter meiner Leitung an verschiedenen Orten zu beschäftigen und zu überwachen. Vielleicht werde ich später sehr gern auf einen von den beiden von Ihnen Genannten zurückkommen; aber wie jetzt die Verhältnisse liegen, werden Sie sicherlich mit mir einverstanden sein, daß ich keinen ! neuen Kräfte mehr, und besonders solche, die erst der Anleitung bedürfen, heranzuziehen.

Was den Fortgang unserer Arbeiten betrifft, so ist dieser im Laufe des Winters ein ziemlich langsamer gewesen. Kern war sehr lange noch mit dem Register zum 2. Bande beschäftigt, welches leider nicht gleich mit diesem selbst ausgegeben werden konnte. Da dieses Register eine Unmasse von Personennamen aus dem Verzeichniß derjenigen welche mit dem Markgrafen von Brandenburg zugleich der Stadt Nürnberg 1449 aufgesagt haben, enthält, die Namen von dem größeren Theil der damals in Deutschland, besonders Süddeutschland, vorhandenen Adelsgeschlechter, so hat sich Kern das Verdienst erworben bei Anfertigung des Registers alle diese Namen durch weitläufige genealogische Studien zu verificieren; er hat aber auch mehrere Monate ganz allein darauf verwendet. Für den 3. Band ist das Manuscript größtentheils vorbereitet und soll der Druck nach Vollendung seines Registers, an welchem gegenwärtig noch gedruckt wird beginnen. In diesem Band wird die Chronik des Meisterlin erscheinen, die so oft für die Nürnberger Burggrafengeschichte benutzt worden ist und auch die Quellen mancher andrer historischer Legenden und Irrthümer geworden ist. Diese ist von Dr. Kerler aus Ulm bearbeitet, der jetzt hier an des unglücklichen Rößler Stelle als zweiter Bibliothekar oder vielmehr Bibliotheks-Secretär fungirt. Ich selbst hatte mich mit der Durchsicht dieser Arbeit zu befassen; außerdem haben mich meine Vorlesungen am meisten beschäftigt, da ich das Mittelalter neu ausgearbeitet und daneben eine neue Vorlesung über die Jahre 1812-15 mit Einleitung seit 1800 gehalten habe. –

Vorgestern hatten wir die Schleswig-Holsteinische-Landesversammlung; sie wurde bei trübem Wetter im Freien auf dem Universitätsplatz am Schlosse abgehalten. Der Besuch war nicht so zahl-reich reich als man erwartet hatte. Die letzten Bundestagsbeschlüsse setzten freilich einen starken Dämpfer darauf und die Meisten kamen muthlos. Fremde Besucher mögen gegen 300 gewesen sein, wenn man die Nürnberger mit einrechnet; die versammelte Menge schätze ich nicht höher als 4000. Von den gehaltenen Reden machte eigentlich nur die von Crämer, der ein echter Volksredner wie Volksmann ist, Wirkung. Im Ganzen war keine rechter Schwung mehr, weil wenig Hoffnung. Über die Stimmung in München lauteten die Mittheilungen schlecht genug; man ist dort sehr gleichgültig gegen die Sache geworden und unser König3 will nur Ruhe und nebenbei einiges Vergnügen wie zum Beispiel den Carnevalsball haben. Von dorther ist kein entschlossenes Vorgehen oder Herantreten mehr zu erwarten. Bei Ihnen in Hannover scheint es noch übler zu stehen, denn Widerstreben ist doch noch schlimmer als Schwäche oder Gleichgültigkeit.4

An Stintzing habe ich Ihren Auftrag ausgerichtet und Ihren Schwager gegrüßt. Dieser grüßt bestens wieder: er hatte eben eine recht schmerzhafte und angreifende Halskrankheit von geschwollenen Mandeln5 durchgemacht, die ihn 14 Tage lang zu Hause festhielt, jetzt liest er wieder.

Wegele hat vor Kurzem seine Frau an der Lungenschwindsucht verloren6 und ist sehr niedergeschlagen. Giesebrecht schrieb mir, daß die beiden Bände Geschichte der Wissenschaften fertig gedruckt seien und daß er sich noch mit Ranke über Titel und Vorrede verständigen wolle.7 Die Einlage8 bitte ich gütigst zu besorgen.

Sie würden mich recht erfreuen, wenn Sie mir gelegentlich Ihre Photographie schicken wollten. Sehr gern möchte ich die von Thöl und Frau haben; seien Sie so gut und sagen ihnen das mit meinen herzlichen Grüßen.

Freundschaftlichst der Ihrige
Carl Hegel.