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Karl Hegel an Ferdinand Frensdorff, Erlangen, 30. April 1864

Geehrter Herr Doctor!

Den Aschbach werden Sie erhalten haben, Kerler hat ihn, ehe ich ihm Ihre Adresse mittheilte, an Assessor Zürn geschickt. Auch das Reisegeld im Betrage von 39 florin welches am 14. von hier abgegangen, haben Sie doch bekommen? Und ebenso die Remuneration pro April von München? Die Ankunft der Münchener Handschriften1 haben Sie mir angezeigt.

Was den Titel des Anonymus betrifft, so wüßte ich keinen andern als ‚Chronik (nicht Annalen) von – bis –’2 oder ‚Chronik aus König Wenzel’s Zeit3. Nicht unbedingt kann ich aber Ihrem Verfahren zustimmen, die falschen Namensformen des Zink im Text zu corrigiren; denn nur wo sie auf offenbaren Schreibfehlern beruhen halte ich dies für zulässig, nicht aber, wo der Autor selbst den Namen unrichtig geschrieben haben kann, weil es wesentlich mit zur Charakteristik seines Werks dient, in wie fern er gut oder nicht gut unterrichtet war, oder eine gute oder ungenaue Vorlage zur Benutzung gehabt hat. Die richtige Namensform ist in Anmerkung darunter zu setzen; im anderen Fall, wo das offenbare Versehen der Abschrift im Text corrigirt wird, kommt die unrichtige Schreibweise in die Varianten, wie wir es z. B. auch bei Uman Stromer und sonst gehalten haben.

Sie werden also von Montag4 an das städtische Archiv wieder zugänglich finden und mit den Arbeiten für Zink in diesem beginnen. Hierbei möchte ich Ihnen nun noch folgenden Gesichtspunkt dringend empfehlen. Sie haben im vergangenen Sommer für Anonymus I das archivalische Material aus dem 14. Jahrhundert ganz durchgearbeitet und excerpirt und, wie ich gesehen, so viel nur irgend möglich, davon in die Noten aufgenommen. In Folge dessen sind mir diese fast zu sehr vollgestopft mit Sachen erschienen, die wenn auch durch irgend einen Anknüpfungspunkt mit dem Texte verbunden doch nicht eigentlich zur Abklärung oder Ergänzung derselben dienen, wie z. B. die immer wiederkehrenden Angaben der Kosten der Missionen und dergleichen. Indessen wird man sich dies wohl für das 14 Jahrhundert noch gern gefallen lassen, wo das archivalische Material überhaupt nicht so richtig zufließt, wie später; doch für das 15 Jahrhundert und besonders für die Ausführlichkeit der Zink’schen Chronik würde eine solche Verwerthung des archivalischen Materials nicht wohlgethan, und ich wünsche daher, daß Sie es sich von vorn herein zur Aufgabe machen, in den Noten nur das Nothwendige zur Erklärung, Erläuterung und Berichtigung anzufügen. In dieser Absicht aber würde sich, wie mir scheint, der umgekehrte Weg von dem, den Sie bisher bei Ihren archivalischen Arbeiten verfolgt haben, empfehlen, so daß Sie vom Texte des Zink ausgehen und indem Sie sich an die Stelle des Lesers versetzen, sich fragen, wo es einer Erläuterung oder Ergänzung bedarf, und darauf die bezügliche archivalische Untersuchung anstellen. Auf andere Weise wäre kein Weiterkommen und würden wir uns von unserem Hauptzweck der Chronikenedition zu weit entfernen. Denn auch das wollen Sie gefälligst von Anfang an ins Auge fassen, daß es in Ansehung aller Umstände höchst wünschenswerth erscheint, wie ich auch zur Zeit noch die bestimmte Erwartung hege, daß Sie mit dem Zink und den kleineren Stücken, die Sie schon unter Händen haben, in diesem Sommer fertig werden, so daß wir mit dem Druck der Augsburger Chroniken im Herbst nicht bloß beginnen, sondern ihn auch ununterbrochen fortsetzen können.

Weizsäcker ist gestern hier angekommen. Die Ernennung Löhers zum Archivdirector5 hat, wie Sie schon aus den Zeitungen ersehen haben, ungeheures Aufsehen erregt: Sie ist in der That unbegreiflich.

Hochachtungsvoll
der Ihrige
Carl Hegel