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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 25. August 1864

Liebster Herzens-Mann!

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief1, der so voll Sonnenschein und Wiesengrün und Waldesluft zu mir spricht, daß ich mich recht von Herzen darüber freue und nur wünsche, es möge Dir, Du Liebster, fort und fort gut gehen und Du Dich recht erholen und erfrischen. Es scheint, daß Du im Ganzen schöneres Wetter hast als wir, denn sowohl Mondtag als Dienstag Nachmittag regnete es und seit gestern Morgen weht ein abscheulicher, kalter Westwind, der sich nur manchmal legt um dem Regen Platz zu machen. Gestern morgen habe ich unsre Kinderchen nach Nürnberg ziehen lassen, glückselig und freudestrahlend; es fand sich gerade glücklich, daß Charlotte und Betty Schmid hineinfuhren und unter deren Obhut, nachdem ich sie selbst hingebracht, gut placirt und dem Condukteur anempfohlen hatte hielt ich es für unnöthig gerade selbst mitzufahren. Wilhelmine blieb aber noch bis gestern Nachmittag, wo sie dann, wegen des unfreundlichen Wetters bei dem sie nicht wagen wollte, eine Strecke zu Fuß zu machen, mit dem Einspänner des Herrn Cazalet nach Gründlach fuhr. So ist es denn recht still und ruhig bei uns, Annchen meint, es behage ihr ganz gut, mir im Ganzen auch, aber doch freue ich mich recht, wenn erst wieder alle unsre Lieben, Du mein trautester Mann in erster Reihe, bei uns sind.

Wilhelmine hat sich recht erholt in Brückenau und geht mit gutem Muthe ihrem Berufe zu Hause entgegen dem sie seit Januar eigentlich nicht mehr vorstehen konnte und aus dem sie nun seit länger als 2 Monaten geschieden ist. Sie war heiter und lebendig aber bei jedesmaligem Zusammensein fällt mir der ungeheure Unterschied auf zwischen dem übermüthigen ausgelassenen Mädchen von 1845 und 1849 und der gehaltenen Frau, die sie jetzt erscheint; sie läßt Dich recht schön grüßen und bedauert sehr, Dich nicht gesehen zu haben.

Gestern Abend waren Weizsäckers bei mir, er ist seit vorigen Sonnabend zurück und hat nicht vor, weiter zu gehen, er läßt Dich schön grüßen. Heute kam wieder eine Sendung von Leipzig, die ich an Kern schickte.

Unser kleiner Munerle ist recht niedlich und munter, er macht immer mehr Anstalt zu laufen, wer weiß, ob er Dir nicht entgegenzappelt, wenn man ihn fragt: wo ist Papa, dann zeigt er Dein Bild und ruft aus Leibeskräften: Papa, Papa. Sophiechen ist die kleine launige Prinzessin wie immer, oft sehr niedlich und vergnügt, aber es fehlt auch nicht an Regengüssen, in dem Augenblick sitzt sie mit dem A B C Buch bei Auguste und will durchaus die Buchstaben lernen; ihr splendendes Frühstück mit Wein behagt und bekommt ihr sehr gut. Annchen, die große Tochter, freut sich der ruhigen Stündchen, die uns nun manchmal bei der Arbeit und plaudernd bescheert sind, sie ist da sehr mittheilsam und hat immer allerhand auf dem Herzen, das oft mit seiner wärmeren Fülle übel ankommt und jede Zurücksetzung so schmerzlich fühlt.

Inliegender Brief2 von Wegele kam Dienstag, ich machte ihn auf, weil ich dachte, daß er Dringendes enthalten könnte;

Es freut mich recht, daß Du an Spiegel und Lerchenfeld ansprechenden Verkehr findest, wenn Du noch länger in Oberstorf bleibst; wie wohl Du Dich aber solltest mit Lerchenfeld verstehen. Mir gefällt die Frau Spiegel.

Nun leb wohl, liebster Mann! Heute ist Königstag3, der Zug in die Kirche wird sehr klein gewesen sein. Gott lege unsrem König an Weisheit bei, was ihm noch an Jahren fehlt!

Gott behüte Dich und schenke Dir schöne Tage und viel Freude. Von ganzem Herzen

Deine Susanna.